Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnismäßigkeit der Maskenpflicht für Bedienstete im Rathaus. Überragender Gesundheitsschutz bei Mitarbeitern mit Kollegen und beim Kundenverkehr. Kein Anspruch auf mobiles Arbeiten bei fehlenden Voraussetzungen trotz Dienstvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, im Rathaus auch ohne Maske oder Schutzvisier zu arbeiten. Mit Blick auf die zu leistende Sachbearbeitung gibt es zudem keine Anspruchsgrundlage für eine ausschließliche Tätigkeit im Home-Office.

 

Normenkette

Corona-ArbSchV § 2 Abs. 2 Nr. 3 Fassung: 2021-03-11; GewO § 106 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 16.12.2020; Aktenzeichen 4 Ga 18/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.12.2020 - 4 Ga 18/20 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Beklagte den Kläger ohne Mund-Nase-Bedeckung im örtlichen Rathaus tätig werden lassen muss, hilfsweise, ob die Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger zu erbringende Bürotätigkeit im Home Office erledigen zu lassen.

Der im Jahre 1967 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 28.07.2014 bei der beklagten Kommune beschäftigt. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie hatte der Kläger einen Arbeitsplatz im Rathaus der Gemeinde inne. Er war im Bauamt im Bereich Wasser und Abwasser eingesetzt. Seine Tätigkeiten erfolgten zwischen 60 und 80 % im Büro, die restliche Zeit im Außendienst. Bei der Beklagten hat noch keine Umstellung der Bauakten auf digitale Akten stattgefunden. Es werden für die Arbeitsleistung teilweise große Pläne benutzt, die auf Kartentischen liegen und nicht digitalisiert sind. Flure und Treppenhäuser im Rathaus sind so schmal, dass sie einen Abstand von 1,5 m beim Aufeinandertreffen von Personen nicht ermöglichen.

Zu den weiteren Tätigkeiten des Klägers gehört auch die Bürgerberatung in Wasser und Abwasserfragen. Diese erfolgt teils vor Ort im Außendienst, teils nach terminlicher Anmeldung im Rathaus.

Am 06.05.2020 ordnete die Beklagte für die im Rathaus gelegenen Arbeitsplätze das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung an. Der Kläger legte ein Attest vor, welches vom Werksarzt bestätigt wurde, nachdem ihm das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht möglich ist. Auch die am 15.10.2020 erfolgte Aufforderung, die Tätigkeiten im Rathaus mit Gesichtsvisier als milderes Mittel des Infektionsschutzes zu erbringen, wurde vom Kläger abgelehnt. Er legte auch hierzu ein Attest vor, wonach ihm auch dieses nicht möglich sei. Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger mitgeteilt, dass die Unmöglichkeit, Maske oder Visier zu tragen, auf einer Traumatisierung in Folge einer Straftat beruhe, deren Opfer er im Alter von 13 Jahren geworden sei. Dies mache es nun unmöglich, sein Gesicht zu bedecken. Ab dem 19.10.2020 ist der Kläger nahezu durchgehend arbeitsunfähig.

Bei der Beklagten gibt es eine Dienstvereinbarung zum Anspruch auf Telearbeit. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für einen Telearbeitsplatz im Rahmen dieser Dienstvereinbarung nicht.

Am 02.11.2020 wurde eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes vorgenommen. Allerdings konnte der Baustein "psychische Belastungen" nicht ausgefüllt werden, da der Kläger nicht am Arbeitsplatz anwesend war.

Am 15.02.2021 fand per Videokonferenz ein BEM-Gespräch statt. In Ergebnis konnte hierbei keine vom Kläger zu verrichtende, der Beklagten zumutbare Tätigkeit gefunden werden. Der Kläger hielt im Rahmen des BEM-Verfahrens eine ausschließliche Tätigkeit im Home Office für möglich. Diese hielt die Beklagte für nicht zumutbar, da sie die Persönlichkeit des Klägers so einschätzt, dass dieser ohne eine enge, direkte Führung durch Vorgesetzte nicht sinnvoll arbeiten könne und die Tätigkeit als solche auch nicht vollständig aus dem Home Office/mobilen Arbeitsplatz heraus erbracht werden kann. Der Leistungsaustausch und die Zurverfügungstellung der Bauakten, soweit sie transportabel seien, setzten den Besuch des Rathauses voraus. Die Zusammenarbeit und die Bürgerberatung seien wenigstens teilweise im Rathaus zu erbringen. Das BEM kam damit nicht zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitsplatz durch Änderung der Arbeitsumstände eingerichtet werden könne, der die weitere Erkrankung des Klägers verhindert, bzw. beendet.

Bis zur Entscheidung der Kammer im Berufungsverfahren hat sich der Kläger nicht um eine Heilung seiner psychischen Beeinträchtigung, insbesondere durch Antrag auf psychotherapeutische Leistungen bemüht.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihn bis zum rechtskräftigen und bestandskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Mitarbeiter der Verwaltung zu beschäftigen;
  2. festzustellen, dass er während seiner Arbeitszeit in den Räumen der Verfügungsbeklagten nicht verpflichtet ist, ein Gesichtsvisier oder Mund-Nasen-Bedeckung beim Betreten des Rathauses und bei G...

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