Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung von § 9 BUrlG bei Covid-Erkrankung im Urlaub ohne AU-Bescheinigung. Unterschied zwischen Krankheit im Sinne des IfSG und Arbeitsunfähigkeit im Sinne des EFZG. Urlaubsanrechnung bei Covid-19-Erkrankung ohne ärztliche Krankschreibung. Keine analoge Anwendung von § 9 BUrlG auf Covid-19-Erkrankung. Quarantäne nicht automatisch Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Fallen Erkrankung und Erholungsurlaub zusammen, ohne dass eine vom Arzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, findet § 9 BUrlG weder direkt noch - mangels Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage - analog Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der Erkrankung per Bescheid eine Quarantäne während des Urlaubs angeordnet wurde.

 

Normenkette

BUrlG § 9; BGB § 243 Abs. 2, § 275 Abs. 1, § 615; BUrlG § 7 Abs. 1; EFZG § 5 Abs. 1 S. 2; IfSG § 2 Nr. 4, §§ 30-31

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 28.07.2021; Aktenzeichen 3 Ca 321/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 28.07.2021 - 3 Ca 321/21 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Nichtanrechnung von Urlaub auf den Jahresurlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2020 infolge einer Erkrankung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von EUR 2.200,00 als Maschinenbedienerin beschäftigt.

Vom 10.12.2020 bis 31.12.2020 wurde der Klägerin auf ihren Antrag durch die Beklagte Urlaub bewilligt.

Am 08.12.2020 erfuhr die Tochter der Klägerin, dass sie positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet worden war und an COVID-19 erkrankt war. Die Klägerin hatte noch am 06.12.2020 Kontakt zu ihrer Tochter.

Die Klägerin meldete sich daraufhin bei dem zuständigen Gesundheitsamt. Dieses ordnete zunächst an, dass sie sich bis zum 16.12.2020 in Quarantäne begeben sollte. Erst hiernach sollte sie getestet werden. Der am 16.12.2020 durchgeführte Test auf das SARS-CoV-2-Virus war positiv.

Mit Bescheid vom 17.12.2020 (Bl. 3 f. dA.) wurde der Klägerin durch das Gesundheitsamt der Stadt Mühlheim an der Ruhr mitgeteilt, dass sie wegen ihres positiven COVID-19-Befundes als Kranke im Sinne des § 2 Nr. 4 IFSG anzusehen sei und sich mit sofortiger Wirkung vom 06.12.2020 bis 23.12.2020 in häusliche Quarantäne zu begeben habe. Unterzeichnet wurde der Bescheid durch eine Vertretung des Herrn Dr. Q.. Hiervon unterrichtete die Klägerin die Beklagte. Die Klägerin ließ sich nicht auf eine bestehende Arbeitsunfähigkeit untersuchen - auch nicht telefonisch -; eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde daher nicht ausgestellt.

Mit ihrer am 18.03.2021 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass ihr noch zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2020 zustehen.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie infolge der Erkrankung an COVID-19 an ihrer Arbeitsleistung verhindert gewesen sei, ohne dass sie ein Verschulden getroffen habe. Durch den Bescheid der Stadt Mühlheim an der Ruhr sei die Erkrankung nachgewiesen. Der Bescheid sei von einem Arzt erteilt worden, so dass ein ärztliches Zeugnis über die Erkrankung vorliege. Der eigentlich gewährte Urlaub vom 10.12.2020 bis 31.12.2020 sei daher nach § 9 BUrlG nicht auf den Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 anzurechnen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass ihr noch zehn Urlaubstage aus dem Jahr 2020 zustehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass § 9 BUrlG keine Anwendung finde, da die Klägerin nicht auf Grundlage eines ärztlichen Attestes arbeitsunfähig gewesen sei. § 9 BUrlG sei auch nicht analog anzuwenden, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Nichtanrechnung auf den Jahresurlaub 2020 nach § 9 BUrlG nicht in Betracht komme, da die Klägerin nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liege nicht vor. Der Bescheid vom 17.12.2020 habe nicht die Wirkung einer solchen Bescheinigung. Er verhalte sich lediglich zu einer Erkrankung der Klägerin. Nicht jede Erkrankung führe aber auch zu einer Arbeitsunfähigkeit. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG scheide aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Insoweit handele es sich bei § 9 BUrlG um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift. Außerdem fehle es an einer vergleichbaren Sachlage. Die Erkrankung mit COVID-19 führe nicht unmittelbar und zwingend zur Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Vielmehr könne eine solche Erkrankung sogar symptomlos verlaufen.

Gegen das ihr am 30.08.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.09.2021 Berufung eingelegt und diese am 13.09.2021 begründet.

Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe bei zutreffender Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen müssen, dass in dem Bescheid vom 17.1...

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