Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliche Einordnung handschriftlicher Zusätze zur Arbeitszeit in einem Formularschreiben mit dem Titel "Belehrung Entsendegesetz". Annahmeverzug der Arbeitgeberin bei unbilliger Weisung zur Arbeitszeit einer Reinigungskraft

 

Leitsatz (amtlich)

Handschriftliche Zusätze in einem Formularvertrag unterfallen nur dann den gesetzlichen Bestimmungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn auch sie für eine Vielzahl von Verträgen genutzt werden sollen.

 

Normenkette

BGB § 305c; GewO § 106; BGB § 611a; GewO § 106 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.10.2015; Aktenzeichen 20 Ca 5553/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Oktober 2015 - 20 Ca 5553/15 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, über die dem Kläger bereits erstinstanzlich zugesprochene Summe hinaus an den Kläger

1. 601,64 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2015 zu zahlen;

2. 1.470,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2015 zu zahlen;

3. 1.470,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2015 zu zahlen;

4. 1.403,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2015 zu zahlen;

5. 1.470,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2015 zu zahlen;

6. 1.537,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2015 zu zahlen;

7. 1.403,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2015 zu zahlen;

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 9.357,62 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 17. Februar 2015 bis 31. August 2015.

Der Kläger ist 47 Jahre alt (geb. ..... 1968) und Vater einer siebenjährigen Tochter. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 7. September 2010 als Reinigungskraft mit einem Stundenlohn von zuletzt 9,55 EUR beschäftigt. Das Bruttomonatseinkommen des Klägers betrug durchschnittlich 1.451,34 EUR. Das Arbeitsverhältnis ist ungekündigt. Nachdem die Parteien unter dem 7. September 2010 zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hatten, schlossen sie unter dem 7. November 2011 einen unbefristeten Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem 1. November 2011. Nach Ziffer 2.1 dieses Vertrages betrug die tägliche Arbeitszeit 7 Stunden in der 5-Tage-Woche, insgesamt also 35 Stunden pro Woche. In Ziffer 2.2 des Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart:

"... sowie die zeitliche Lage der Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere den Verhältnissen des Reinigungsobjektes, und bleibt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes vorbehalten."

In Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ist geregelt:

"Der Arbeitgeber ist berechtigt, jederzeit den/die Arbeitnehmer/in aus betrieblichen Gründen in ein anderes Objekt zu versetzen oder ihm/ihr eine andere gleichwertige Tätigkeit zuzuweisen."

Mit einer als "Änderungsmeldung" überschriebenen Vereinbarung der Parteien vom 19. Oktober 2012, die vom Kläger und dem Object-Manager der Beklagten unterzeichnet wurde, wurde die Arbeitszeit ab dem 1. November 2012 auf 6,10 Stunden verändert. In einem von der Beklagten unter dem Datum 19. Oktober 2012 erstellten und allein vom Kläger unterzeichneten Formularschreiben mit dem Titel "Belehrung Entsendegesetz" und der Überschrift "Information der Beschäftigten zu Arbeitszeiten und zu Mitwirkungspflichten nach dem Entsendegesetz" beigefügten Schreiben informierte die Beklagte den Kläger, dass seit dem 1. Juli 2007 die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auch auf das Gebäudereiniger-Handwerk und damit auch auf den Betrieb der Beklagten Anwendung finden würden. Ab diesem Zeitpunkt sei der Zoll zuständig für die Überprüfung der Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeiten der Beschäftigten in der Gebäudereinigung. Weiter heißt es dann:

"Aus diesem Anlass wollen Sie mit diesem Schreiben darüber informieren, dass Sie folgende konkrete Arbeitszeiten gemäß Ihrem Arbeitsvertrag haben:

pro Arbeitstag: 6,10 Std./Minuten

pro Woche: 30,50 Std./Minuten

zeitliche Lage: von 19:30 Uhr bis 1:40 Uhr

(ggf. mitteilen, wenn diese festgelegt ist)"

Der Kläger war innerhalb dieser Zeit im Objekt "B." eingesetzt. Der Auftrag zur Reinigung dieses Objektes endete für die Beklagte mit Ablauf des 31. Januar 2015. Seither wurde der Kläger nicht mehr eingesetzt. Ob die Beklagte dem Kläger vor dem 17. Februar 2015 ein anderes Objekt in der Nachtschicht zugewiesen hatte, war zwischen den Parteien erstinstanzlich streitig und wurde vom Arbeitsgericht zugunsten des Klägers entschieden. Jed...

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