Vermeidbarer Arbeitsausfall

Kurzarbeit kommt nur in Betracht, wenn nicht andere, im Einzelfall wirtschaftlich weniger schwerwiegende Entscheidungsalternativen zur Verfügung stehen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmern zuzumuten sind.[1] Folgende Maßnahmen sind daher im Vorfeld zu prüfen:

  • Personalmaßnahmen:

    Versetzung von Arbeitnehmern in andere voll arbeitende Abteilungen; Anordnung von Fortbildungsmaßnahmen; Betriebsurlaub; Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen; Auflösung von Arbeitszeitguthaben; Einstellungsstopp; Nichtverlängerung von Zeitverträgen; Abbau von Leiharbeit.

  • Produktionsorientierte Maßnahmen:

    Rücknahme von Fremd-/Zulieferaufträgen; Produktion auf Lager; Vorziehen von Umstellungs-, Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten.

Im Gesetz werden beispielhaft Fälle aufgezählt, in denen der Arbeitsausfall als vermeidbar angesehen wird.[2] Als vermeidbar gilt nach § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB III der Arbeitsausfall, wenn er überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht.

Vorrangige Urlaubsgewährung

Nach § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III hat auch die Gewährung von Urlaub Vorrang zur Vermeidung von Kurzarbeit, soweit dies arbeitsrechtlich zulässig ist. Ein Arbeitsausfall gilt als vermeidbar, wenn z. B. im Urlaubsplan noch nicht festgelegter Urlaub auf einen Zeitraum verlegt werden kann, in dem Arbeitsausfall zu erwarten ist. Ein Arbeitsausfall gegen Ende eines Jahres oder im ersten Quartal eines Jahres ist auch dadurch vermeidbar, dass der Arbeitgeber bestehende bzw. übertragene Resturlaubsansprüche auf diesen Zeitraum festlegt, wobei er vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen muss.[3]

 
Achtung

Urlaubsansprüche bei Kurzarbeit

Wurde einem Arbeitnehmer bereits vor der Vereinbarung von Kurzarbeit, die die Arbeitszeit auf Null verringert, für die Zeit der Kurzarbeit Urlaub gewährt, kann ihm dieser während der Kurzarbeit Null nicht mehr gewährt werden und muss also nachträglich gewährt oder im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden.[4]

Das BAG hat entschieden, dass es bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen ist, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit einer Arbeitspflicht gleichzustellen, d. h. der Urlaubsanspruch kann gekürzt werden.[5]

Wenn eine Urlaubsplanung besteht, z. B. in Form einer Urlaubsliste oder eines Urlaubsplans, kann dieser Urlaub zu den geplanten Zeiten genommen werden, ohne dass er zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden muss. Gibt es keine Urlaubsplanung, ist der Arbeitgeber gegen Ende des Urlaubsjahres 2023 zur Vermeidung des Arbeitsausfalls aufzufordern, den Zeitpunkt für den Antritt noch vorhandenen Urlaubs, der nicht in das Urlaubsjahr 2024 übertragen werden kann, festzulegen. Unterlässt der Arbeitgeber dies, liegt insoweit kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vor.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich keine Kürzung des Urlaubsentgelts wegen Kurzarbeit zu erfolgen hat.[6]

Bei konjunktureller Kurzarbeit hat der Arbeitgeber unter Umständen die Möglichkeit Urlaub (anteilig) zu kürzen.[7]

Auflösung von Arbeitszeitguthaben

Nach § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III ist ein Arbeitsausfall vermeidbar, der durch Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann. Das bedeutet, dass zur Vermeidung von Kurzarbeit Arbeitszeitguthaben grundsätzlich aufzulösen sind und zum Ausgleich der Arbeitsausfälle eingesetzt werden müssen, bevor – für weitere Arbeitsausfälle – Kurzarbeitergeld beantragt werden kann. Das Gesetz verlangt jedoch nicht, dass neue Arbeitszeitvereinbarungen eingeführt oder bestehende geändert werden, sondern nur, dass ggf. bestehende Vereinbarungen angewandt und ausgeschöpft werden.

Keine Auflösung von Arbeitszeitguthaben

Die Auflösung von Arbeitszeitguthaben kann in den in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III genannten Fällen vom Arbeitnehmer nicht verlangt werden:

  1. Guthaben bis zu 50 Stunden, die vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit[8] bestimmt sind,
  2. Guthaben, die ausschließlich für die in § 7c Abs. 1 SGB IV genannten Zwecke bestimmt sind, also nach dem "Flexi II-Gesetz" gebildete Wertguthaben (Langzeitpflege, längerfristige Kinderbetreuung, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen oder Freistellungen, um vor einer Altersrente vorgezogen das aktive Erwerbsleben zu beenden),
  3. Guthaben, die zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden sind, soweit sie 150 Stunden nicht übersteigen,
  4. Guthaben, soweit sie 10 % der Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigen,
  5. Guthaben, soweit sie länger als ein Jahr unverändert bestanden haben.

In der Praxis dürfte der Fall der Nr. 4 am häufigsten anz...

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