Für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers kommen verschiedene gesetzliche Regelungen in Betracht: § 616 BGB, § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BBiG, § 45 Abs. 1 SGB V und § 44a SGB XI; daneben können sich Ansprüche auf individual- oder kollektivvertraglicher Grundlage ergeben.

Allgemeine Anspruchsgrundlage für eine bezahlte Freistellung im Fall der Kindererkrankung ist § 616 BGB: Arbeitnehmer haben danach einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts, wenn sie durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert sind.[1] Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund ist u. a. die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes. Inwieweit die Erkrankung des Kindes zur Unzumutbarkeit der Erbringung der Arbeitsleistung führt, ist Frage des Einzelfalls. Bei Kleinkindern wird dies ohne Weiteres zu bejahen sein; dies kann aber auch bei älteren Kindern der Fall sein – hier ist in besonderem Maße zu prüfen, ob eine Ausweichmöglichkeit in der Betreuung besteht. Es ist unerheblich, ob eine spontane Erkrankung des Kindes vorliegt oder aufgrund einer stationären – geplanten – Behandlung des Kindes Betreuungsbedarf besteht.

Hinsichtlich der zulässigen Höchstdauer einer solchen betreuungsbedingten Freistellung nach § 616 BGB wird in der Praxis ein Zeitraum von 3 Arbeitstagen bis zu 2 Wochen angenommen. Die genaue Bestimmung der Zeitdauer ist stark einzelfallbezogen und mit gewissen Rechtsunsicherheiten behaftet. Unter anderem soll dabei auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt werden, teilweise wird eine Orientierung an der Kurzzeitpflege nach dem Pflegezeitgesetz von bis zu 10 Tagen angenommen.

Die Schwäche des § 616 BGB besteht in seiner sowohl individual- als auch kollektivvertraglichen Abdingbarkeit. In diesen – in der Praxis häufigen – Fällen bleibt dem Arbeitnehmer nur der Anspruch nach § 45 Abs. 1 SGB V (Kinderkrankenpflegegeld) bzw. § 44a Abs. 3 SGB XI (Pflegeunterstützungsgeld). Diese Ansprüche sind gesetzlich zwingend und damit nicht abdingbar. Der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld gegen die Krankenkasse nach § 45 SGB V ist zwar gegenüber einem Anspruch gegen den Arbeitgeber nach § 616 BGB subsidiär.[2] Aufgrund der Abdingbarkeit des § 616 BGB wird der Kinderpflegekrankengeldanspruch aber oftmals der entscheidende Anspruch sein. Dieser Anspruch aus § 45 Abs. 1 SGB V auf Kinderpflegekrankengeld ist allerdings an bestimmte, einschränkende Voraussetzungen geknüpft.

Der betreuende Elternteil muss grundsätzlich selbst die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG oder einer kollektiv- oder individualvertraglichen Vereinbarung haben (vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 3, § 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 SGB V). Erfasst werden auch nicht leibliche Kinder nach näherer Maßgabe von § 10 Abs. 4 SGB V (Stiefkinder, Enkel und Pflegekinder).

Sofern es ärztlich geboten ist, gilt der Anspruch uneingeschränkt für alle Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres. Bei Kindern mit Behinderungen, die auf Hilfe angewiesen sind, auch darüber hinaus. Eine andere im Haushalt lebende Person darf für die Betreuung des Kindes nicht verfügbar sein (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Seit dem 1.1.2024 hat ein Elternteil auch dann Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn es zusammen mit dem erkrankten Kind stationär aufgenommen werden muss. Der Anspruch besteht so lange, wie die Mitaufnahme dauert und ist zeitlich unbegrenzt. Die Tage werden nicht auf die unten genannten Kinderkrankengeldtage angerechnet. Voraussetzungen für diesen Anspruch bei einer stationären Aufnahme sind gemäß § 45 Abs. 1a SGB V, dass:

  • die stationäre Mitaufnahme medizinisch notwendig ist,
  • das Kind unter 12 Jahre alt oder aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen ist.

Bei Kindern, die das 9. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB V), wird unwiderleglich vermutet, dass die stationäre Mitaufnahme medizinisch notwendig ist. Die aufnehmende Einrichtung hat die medizinischen Gründe für den Mitaufenthalt sowie dessen Dauer zu bescheinigen; im vorgenannten Fall der Vermutung der medizinischen Notwendigkeit ist nur die Dauer zu bescheinigen (vgl. § 45 Abs. 1a Satz 2 SGB V).

Die Norm ist gemäß § 45 Abs. 4 SGB VII ebenfalls anwendbar bei Vorliegen eines Versicherungsfalls (vor allem eines Unfalls) des Kindes in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Anspruch entsteht gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V in jedem Kalenderjahr für jedes Kind höchstens für 10 Arbeitstage; bei alleinerziehenden Versicherten verlängert sich dieser Zeitraum auf bis zu 20 Arbeitstage; insgesamt, d. h. bei mehreren Kindern, entsteht der Anspruch für maximal 25 Arbeitstage, bei Alleinerziehenden für maximal 50 Arbeitstage (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Die in den vergangenen 2 Jahren (2022 und 2023) aufgrund der Corona-Pandemie verlängerten Anspruchszeiträume für das Kinderkrankengeld wurden mit Wirkung vom 1.1.2024 aufgehoben. (Im Fall einer zukünftigen, erneuten Feststellung des Vorliegen...

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