Rz. 136

Der Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit kann in zweierlei Hinsicht unterbrochen sein. Zum einen kann es sein, dass der Versicherte von dem direkten (versicherten) Weg abweicht. Soweit ein (Teil-)Umweg oder Abweg nicht versichert ist (vgl. dazu Rz. 131 bis 135), führt dies zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Dieser lebt dann wieder auf, wenn der Betreffende wieder auf den direkten Weg einschwenkt und den Abweg oder Teilumweg beendet. Zum anderen kommt in Betracht, dass der Versicherte aus eigenwirtschaftlichen Gründen den direkten Weg rein zeitlich unterbricht und erst später fortsetzt. Auch dann entfällt der Versicherungsschutz während der Unterbrechung, soweit es sich nicht um eine geringfügige Unterbrechung handelt.

 

Rz. 136a

Eine Unterbrechung ist nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen"oder "ganz nebenher" erledigt werden kann. Eine geringfügige Unterbrechung liegt nicht vor, wenn der benutzte Pkw zum Zweck einer privaten Verrichtung (Briefeinwurf in Postkasten) verlassen werden muss (BSG, Urteil v. 7.5.2019, B 2 U 31/17 R). Der Versicherungsschutz lebt anschließend erst dann wieder auf, wenn der versicherte Weg fortgesetzt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unterbrechung nicht länger als 2 Stunden dauert. Schon von der Wortbedeutung her muss die Unterbrechung zeitlich begrenzt sein. Bleibt unklar, ob der Versicherte den Weg nicht länger als 2 Stunden unterbrochen hat, trägt er hierfür die objektive Beweislast (BSG, Urteil v. 2.12.2008, B 2 U 26/06 R, abweichend von BSG, Urteil v. 20.8.1987, 5a RKnU 1/86).

 

Rz. 137

Bei der Frage, ab wann genau die Unterbrechung eintritt, wenn der Versicherte auf den Weg von oder nach dem Ort der Tätigkeit eine private Verrichtung einschiebt (z. B. Einkauf, Besuch einer Gaststätte), hatte die frühere Rechtsprechung des BSG vorrangig dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Es wurden sogar längere oder entgegengesetzt zur ursprünglichen Zielrichtung führende Wege akzeptiert, wenn die Verkehrslage sie erzwang. Diese Rechtsprechung hat das BSG ausdrücklich aufgegeben (Urteil v. 9.12.2003, B 2 U 23/03 R). Nunmehr soll vorrangig die Handlungstendenz maßgeblich sein, die der Betreffende verfolgt. Sobald er z. B. mit dem Ziel des Besuchs eines Geschäftes sein Fahrzeug verlässt, also dokumentiert, dass er sich vorläufig auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will, tritt die Unterbrechung ein (BSG, Urteile v. 2.12.2008, B 2 U 15/07 R und B 2 U 17/07 R).

 

Rz. 137a

Die Grenzziehung hat das BSG dahingehend weiter präzisiert, dass der Betreffende bereits mit dem Abbremsen des Kraftfahrzeugs mit dem Ziel, den versicherten Weg für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit (z. B. Einkauf, Tanken) zu verlassen, die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nach außen objektivierbar in Gang setzt. Die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz wird nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er mit dem Ziel des Abbiegens durch das vollständige Abbremsen nach außen dokumentiert, dass er sich auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. (BSG, Urteil v. 4.7.2013, B 2 U 3/13 R). Die oben zitierte frühere Rechtsprechung hat das BSG ausdrücklich aufgegeben. Die Unterbrechung des versicherten Weges endet erst dann, wenn der Betreffende nach objektiv feststellbaren Kriterien den ursprünglichen Weg wieder aufnimmt. Ob diese Handlung bereits im Einsteigen in das Fahrzeug, im Starten des Motors, im Losfahren oder erst im Einfädeln in den fließenden Verkehr zu sehen ist, hat das BSG offen gelassen. Allein die Handlungstendenz, den Weg fortsetzen zu wollen, reicht nicht. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Unterbrechung endete, sobald der Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Weges in den Bereich der Straße zurückkehrte, hat das BSG aufgegeben (BSG, Urteil v. 31.8.2017, B 2 U 11/16 R).

 

Rz. 138

Dabei hat das BSG (a. a. O.) die Gegebenheiten des modernen Straßenverkehrs und der damit verbundenen eingeschränkten Parkmöglichkeiten berücksichtigt. Ob der Versicherte das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des Geschäfts abstellt oder es in relativ größerer Entfernung – vor oder hinter dem Geschäft – parken kann, sei unmaßgeblich; denn das Risiko, zum Einkaufen einen freien Parkplatz zu finden, ist nicht mehr der durch die versicherte Tätigkeit veranlassten Fortbewegung zuzurechnen, sondern allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch, einen Einkauf durchzuführen. Sobald der Versicherte allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen,...

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