Rz. 79

Nach Nr. 8 Buchst. b sind Schüler versichert. Schüler ist, wer – unabhängig vom Alter – als Lernender an einem der einbezogenen Schultypen eine Schulausbildung erhält. Versichert sind Schüler an öffentlichen oder privaten Schulen, die einen allgemeinbildenden oder berufsbildenden schulrechtlich anerkannten Abschluss anstreben oder ihre Schulpflicht erfüllen (BSG, Urteil v. 4.7.2013, B 2 U 2712 R). Zur Schulausbildung gehört typischerweise, das mündliche Erteilen von Unterricht durch Lehrkräfte, das Beisammensein von Lehrkräften und Lernenden im Klassenverband, Leistungskontrollen, Zeugnisse, Ausbildung nach einem staatlich genehmigten Lehrplan und mit staatlichen zugelassenen Lehrkräften. Für den Versicherungsschutz ist es aber nicht unerlässlich, dass jedes dieser Merkmale vorliegt (vgl. BSG, Urteil v. 25.11.1976, 11 RA 146/75). Liegen nicht alle diese Merkmale vor, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BSG, Urteil v. 30.4.1982, 11 RA 36/81).

 

Rz. 80

Nach Nr. 8 Buchst b sind Schülern in 3 Arten von Schulen bzw. Tätigkeiten versichert:

  • während des Besuchs einer allgemeinbildenden Schule,
  • während des Besuchs einer berufsbildenden Schule oder
  • während die Teilnahme an Betreuungsmaßnahmen.

Auf die Organisationsform der Schule – privat oder öffentlich – kommt es nicht an, sondern auf den Besuch einer der genannten Schularten. Zeitlich ist die Versicherung im Grundsatz auf die Dauer des Besuchs der Schule begrenzt ("während"). Allerdings ist der Versicherungsschutz nach Nr. 8 Buchst. b in richterlicher Rechtsfortbildung auch auf Betätigungen von Schülern außerhalb der Schule aber in organisatorischer (Mit-)Verantwortung der Schule (Schullandheim, Klassenfahrt; zum Training an einer Sportschule vgl. BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 2 U 19/08 R; nicht aber der Wettkampf des Schülers einer Sportschule für den Sportverein: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.1.2018, L 9 U 4847/16, oder nur mit dem Verbandstrainer: Thüringer LSG, Urteil v. 29.10.2015, L 1 U 1593/14) und auf die außerschulische gemeinsame Erledigung einer schulisch veranlassten Gruppenarbeit (BSG, Urteil v. 23.1.2018, B 2 U 8/16 R) erstreckt worden. Zudem besteht nach allgemeinen Grundsätzen des § 8 Abs. 2 Schutz für Versicherungsfälle vor und nach dem Besuch der Schule als Wegeunfälle.

2.9.1 Während des Besuchs der Schule (Alt. 1)

 

Rz. 81

Die Schülerunfallversicherung erstreckt sich auf den gesamten während des Schulbesuchs betroffenen Lebensbereich. Dabei sind auch der Spielbetrieb der Schüler und die mit dem Schulbesuch verbundenen gruppendynamischen Prozesse von der Versicherung umfasst (Holtastraeter, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SozialR, 6. Aufl. 2019, § 2 SGB VII Rz. 26). Dieser umfassende Schutz liegt darin begründet, dass die Schüler durch staatliche Schulpflicht oder andere gesetzliche Vorschriften in den schulischen Organisationsbereich einbezogen sind und damit auch dem schulischen Verantwortungsbereich unterliegen (Obhutspflicht). Der Schutzbereich der Schülerunfallversicherung erstreckt sich auf den gesamten organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule (st. Rspr.; BSG, Urteil v. 5.10.1995, 2 RU 44/94 m. w. N.; BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 2 U 19/08 R). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift ("während") als auch ihrer Entstehungsgeschichte. Der organisatorische Verantwortungsbereich erfordert grundsätzlich einen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Schule oder Hochschule (vgl. BSG, Urteil v. 4.12.2014, B 2 U 13/13 R; Urteil v. 4.12.2014, B 2 U 14/13 R), jedenfalls aber eine Einflussmöglichkeit der Schule oder Einrichtung. Zu den geschützten Verrichtungen vgl. Rz. 74a. Die Teilnahme an einer von der Schule veranstalteten Rockparty ist versichert, auch wenn der Teilnehmerkreis nicht auf Schüler der betreffenden Schule beschränkt ist, solange die Schüler und deren Eltern (sonstige Erziehungsberechtigte) unter Berücksichtigung von Planung, Ankündigung und Durchführung zweifelsfrei davon ausgehen können, dass es sich um eine Veranstaltung der Schule handelt, bei der die Schüler ordnungsgemäß beaufsichtigt werden (LSG Mainz, Urteil v. 3.2.2015, L 3 U 62/13). Nicht versichert, weil außerhalb der Organisationsgewalt der Schule, ist das Verbringen der Pause in einem nahegelegenen Park (LSG Hamburg, Urteil v. 28.10.2020, L 2 U 1/20; beim BSG anhängig unter B 2 U 20/20 R).

 

Rz. 81a

Darüber hinaus werden nach neuerer Rechtsprechung des BSG auch schulisch veranlasste gemeinsame Betätigungen von Schülern geschützt. Das sind Betätigungen außerhalb von Schulort und Schulzeit, in denen Schüler gemeinsam ein Projekt zu bearbeiten oder eine Gruppenarbeit zu erstellen haben (BSG, Urteil v. 23.1.2018, B 2 U 8/16 R).

Außerhalb des Verantwortungsbereichs der Schule oder einer schulischen Veranlassung besteht Versicherungsschutz allerdings nicht. Dies gilt auch dann, wenn eine Verrichtung zwar durch den Schulbesuch wesentlich bedingt, diesem aber nicht selbst zuzuordnen ist (zur privaten Nachhilfe: BSG, Urteil v. 27.1.1976, 8 RU 114/75; Erwerb von Schulmaterialie...

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