Rz. 4

Die Vorschrift gilt, ebenso wie die zugrunde liegenden Anspruchsnormen, nicht nur für den Unfallversicherungsträger, sondern für alle Ansprüche aller Sozialversicherungsträger (Brackmann/Krasney, SGB VII, § 113 Rz. 5; Hauck/Nehls, SGB VII, § 113 Rz. 4; Schmitt, SGB VII, § 113 Rz. 3). Unter dem Begriff der Verjährung versteht das Gesetz den Zeitablauf, der es dem Schuldner eines Anspruchs ermöglicht, die von ihm geschuldete Leistung zu verweigern (§ 214 BGB). Damit unterliegt nicht das gesamte Rechtsverhältnis der Verjährung, sondern nur der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner. Die Einrede der Verjährung muss vom Schuldner geltend gemacht werden, damit sie berücksichtigt werden kann (Brackmann/Krasney, a. a. O., Rz. 11). Der Schuldner kann auf die Einrede verzichten. Die Einrede zu erheben kann rechtsmissbräuchlich sein bzw. der Verwirkung unterliegen (dazu im Einzelnen: Prütting-Wegen-Weinreich/Kesseler, BGB, § 194 Rz. 10, 11). Gläubiger und Schuldner können durch Rechtsgeschäft die Verjährungsfrist verlängern oder verkürzen. § 202 BGB schließt die Verkürzung bei vorsätzlicher Begehung aus (Abs. 1) und setzt für die Verlängerung eine Höchstfrist von 30 Jahren (Abs. 2).

2.1 Dauer der Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 2 BGB)

 

Rz. 5

Ansprüche nach §§ 110, 111 verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist, also in 3 Jahren (§ 195 BGB). Wird ausnahmsweise kein Feststellungsverfahren betrieben und auch keine Leistungspflicht festgestellt (z. B. wegen Unkenntnis des Versicherungsfalls; Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 113 Rz. 4), beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 199 Abs. 2 BGB).

2.2 Beginn der Verjährung (§ 199)

 

Rz. 6

Gemäß § 113 Satz 1 gelten die dort genannten Vorschriften des BGB entsprechend. Dem entnimmt die Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 25.7.2017, VI ZR 433/16), dass für den Verjährungsbeginn allein die bindende Leistungspflichtfeststellung des Unfallversicherungsträgers genügt. Der BGH hat die in der Kommentarliteratur sowie vom OLG Brandenburg (Urteil v. 9.12.2014, 3 U 48/13) vertretene Auffassung, wonach eine Kumulation von Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis und Feststellung der Leistungspflicht erforderlich sei sowie die weitere in der Literatur vertretene Auffassung, wonach eine Kumulation von Anspruchsentstehung, Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis und bindender Feststellung der Leistungspflicht erforderlich sei, für nicht überzeugend erachtet. Ausgehend vom Wortlaut des § 113 Satz 1, wonach die genannten Vorschriften des BGB (nur) entsprechend anzuwenden sind, nämlich mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist, müsse zugrunde gelegt werden, dass § 113 eine abschließende Regelung zum Fristbeginn enthält. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte. Ab der bindenden Feststellung der Leistungspflicht hat stets eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist – unabhängig von der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB zu erfolgen (BGH, a. a. O.). Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 Abs. 1 BGB, die sog. Ultimoregel beginnt nicht mit Ablauf des Jahres, wie es § 199 Abs. 1 BGB zu entnehmen wäre. Auch insoweit enthält § 113 Satz 1 die vorrangige Regelung.

 
Praxis-Beispiel

Fallkonstellation 1:

Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019 erkennt die zuständige Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall an. Der Bescheid wird einen Monat nach Zustellung am 20.3.2019 bindend. Die 3-jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt am 20.3.2019.

Fallkonstellation 2:

Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019, zugestellt am 20.3.2019, erkennt die zuständige Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall an, lehnt jedoch mangels rentenberechtigender Minderung der Erwerbsfähigkeit die Zahlung einer Rente ab. Hiergegen erhebt der Versicherte fristgemäß Widerspruch. Diesen weist die Berufsgenossenschaft mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2020 zurück. Einen Monat nach Zustellung wird der Widerspruchsbescheid bestandskräftig. Ob die Verjährung auch hier am 20.3.2019 beginnt, weil die Bindungswirkung für den Versicherungsträger eintritt, oder ob es auf den Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides abzustellen ist, hat der BGH offen gelassen.

Fallkonstellation 3:

Am 6.3.2018 erleidet der Versicherte einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 17.2.2019, zugestellt am 20.3.2019, lehnt die Berufsgenossenschaft die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Versicherte erhebt rechtzeitig Widerspruch und auf den Widerspruchsbescheid hin Klage. Mit Urteil vom 2.3.2021 verurteilt das Sozialgericht die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung des Arbeitsunfalls. Das Urteil wird rechtskräftig. Mit Eintritt der Rechtskraft beginnt der Lauf der Verjährung.

 

Rz. 7

Wenn kein Feststellungsverfahren durchgeführt wurde, kommt § 113 nicht zur Anwendung. Dann beginnt die Verjährung gemäß § 199 Abs. 2 BGB mit de...

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