Rz. 32

Die Nichtigkeit eines VA kann von der Behörde von Amts wegen jederzeit festgestellt werden. Auf Antrag des davon Betroffenen ist die Nichtigkeit festzustellen, wenn dieser daran ein berechtigtes Interesse hat. Entsprechend der in § 39 Abs. 3 für einen nichtigen VA angeordneten Wirkungslosigkeit kann formelle Bestandskraft nicht eintreten, so dass es keiner Einhaltung von Fristen für die behördliche Feststellung oder den Antrag bedarf. Eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des VA ist ungeachtet der Möglichkeit zulässig, bei der Behörde die Rücknahme oder die Feststellung der Nichtigkeit durch VA zu beantragen (BSG, Urteil v. 23.2.1989, 11/7 Rar 103/87 = SozR-1500 § 55 Nr. 35). Es ist dem Bürger nicht zuzumuten, nach Erlass des nichtigen VA zwingend erneut erst die Behörde anzurufen (BSG, a. a. O.). Stellt die Rentenversicherung die Nichtigkeit eines VA fest, ist dieser Ausspruch auch im Verhältnis zum Arbeitgeber von der sog. Tatbestandswirkung des VA umfasst. Das Vorliegen der Nichtigkeitsvoraussetzungen ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren daher nicht selbständig zu prüfen (BAG, Urteil v. 10.10.2012, 7 AZR 602/11).

 

Rz. 33

Ob die Entscheidung der Behörde über die Nichtigkeit eines VA selbst wieder VA ist, ist zweifelhaft (VA wird bejaht von BSG, Urteil v. 23. 2.1989, 11/7 Rar 103/87 = SozR-1500 § 55 Nr. 35; ebenso von Roos, in: v. Wulffen u. a., Kommentar SGB X, § 40 Rz. 23; Steinwedel, in: KassKomm, § 40 Rz. 31; Waschull, in: LKP-SGB X, § 40 Rz. 23). Die von der Behörde zu treffende Aussage beinhaltet lediglich die Feststellung der Nichtigkeit, jedoch keine auf Rechtsfolgen gerichtete Regelung mit Auswirkungen für den Betroffenen, so dass ein VA nicht vorliegt. Da der nichtige VA ohnehin unwirksam ist, ist mit dieser deklaratorischen Feststellung ebenso wenig eine Rechtswirkung verbunden, wie mit dem unwirksamen VA selbst. Die Nichtigkeit ist auch nur festzustellen, nicht jedoch der VA aufzuheben, dies dürfte auch für den Tenor einer gerichtlichen Entscheidung im Falle der gerichtlichen Feststellung der Nichtigkeit gelten.

 

Rz. 34

Ungeachtet der eigenen Befugnis zur Feststellung der Nichtigkeit ist die Behörde verpflichtet, auf Antrag und bei Nachweis eines berechtigten Interesses die Feststellung zu treffen. Das berechtigte Interesse, das rechtlich, wirtschaftlich oder ideell begründet werden kann, besteht in der Beseitigung des Rechtsscheins des noch existierenden Bescheides durch eine die Nichtigkeit feststellende Äußerung der Behörde.

 

Rz. 35

Entsprechend der Streitfrage nach dem Vorliegen eines VA ist auch streitig, ob die Bestätigung der Nichtigkeit selbst wiederum VA ist, der mit Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG, § 42 Abs. 1 VwGO) angegriffen werden kann und muss. Wird wie hier das Vorliegen eines VA verneint, ist die Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG, § 43 Abs. 1 VwGO) zu erheben. Gegen die Annahme einer Entscheidung durch VA spricht insbesondere, dass es für ein Widerspruchsverfahren in diesem Fall an einem zu überprüfenden VA gerade fehlt, weil die Feststellung der Nichtigkeit selbst keine Regelung ist, die Nichtigkeit auch nicht durch einen VA zu regeln ist und nur der Rechtsschein einer Regelung des nichtigen VA beseitigt wird. Hierfür sprechen zudem nicht nur die eigenständige nicht frist- oder vorverfahrensgebundene Nichtigkeitsfeststellungsklage, sondern auch prozessökonomische Gründe, denn bereits bei der Anfechtungsklage müsste geprüft werden, ob eine Rechtsverletzung in der Feststellung der Nichtigkeit liegt, was verfahrensrechtlich die Feststellung der Nichtigkeit des VA voraussetzt, so dass auch gleich ein Feststellungsurteil erlassen werden kann und nicht erst der umständliche Weg über die Aufhebung des Ablehnungsbescheides mit einem Bescheidungsurteil gewählt werden muss (zur ähnlichen Problematik bei der Berichtigung vgl. Komm. zu § 38).

 

Rz. 36

Lehnt die Behörde die Feststellung der Nichtigkeit ab, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Wollte man in diesen Fällen eine Entscheidung durch VA annehmen, der dann mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu ergehen hätte, ergäben sich hinsichtlich der Bindungswirkung einer solchen Entscheidung (formelle Bestandskraft, vgl. Komm. zu § 77 SGG) und der jederzeitigen nicht subsidiären Nichtigkeitsfeststellungsklage Abgrenzungsprobleme.

 

Rz. 37

Stellt die Behörde nach Abs. 5 die Nichtigkeit eines VA fest, obwohl dies nach § 40 nicht gegeben war, liegt in der Nichtigkeitsfeststellung zumindest konkludent die Aufhebung des Ausgangsbescheides, da die Behörde mit der Nichtigkeit zugleich auch die Unwirksamkeit des VA feststellt.

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