Rz. 12

Eine erforderliche, aber unterlassene Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar, der zwar nicht zur Nichtigkeit aber zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt, sofern keine Heilung nach § 41 erfolgt. Der Verwaltungsakt ist, sofern keine Heilung erfolgt, allein wegen dieses Verfahrensfehlers aufzuheben, da unerheblich ist, ob die fehlende Anhörung die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat (§ 42 Satz 2).

Wie sich aus § 41 Abs. 2 ergibt, kann die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung eines Beteiligten bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit der Folge nachgeholt werden, dass der Mangel geheilt wird und als nicht vorhanden gilt. Abzustellen ist für den Endzeitpunkt der Nachholung auf die letzte Entscheidung in der Tatsacheninstanz, d. h. in aller Regel vor dem LSG, in Fällen der Sprungrevision vor dem Sozialgericht. Sind im Bescheid nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen genannt oder will die Behörde im Widerspruchsbescheid ihre Entscheidung (auch) auf andere Tatsachen stützen, so muss die Anhörung im Widerspruchsverfahren vollständig neu erfolgen. Erfolgt die Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren, so erfordert dies ein entsprechendes mehr oder minder förmliches und eigenständiges Verwaltungsverfahren, wozu das gerichtliche Verfahren ggf. ausgesetzt werden kann, § 114 Satz 2 SGG. Dies setzt voraus, dass die Behörde dem Kläger in einem gesonderten Anhörungsschreiben alle Tatsachen mitteilt, auf die sie die eingreifende Entscheidung stützen will und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Beteiligten zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteil v. 6.4.2006, B 7a AL 64/05 R; BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 4 AS 37/09 R, SozR 4-1300 § 41 Nr. 2).

 

Rz. 13

Wenn ein Sozialleistungsträger im Vertrauen auf die Heilung im Vorverfahren generell die Anhörung unterlässt, ist es Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörde, den Sozialleistungsträger zur Beachtung der gesetzlichen Regelung anzuhalten (BSG, Urteil v. 24.7.1980, 5 RKn 9/79, SozR 1200 § 34 Nr. 13). Nach herrschender Ansicht wird die Heilung des Verfahrensmangels durch Nachholung der Anhörung nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Behörde vorsätzlich, rechtsmissbräuchlich oder durch Organisationsverschulden die Anhörung zuvor unterlassen hat (BSG, Urteil v. 5.2.2008, B 2 U 6/07 R, SozR 4-1300 § 41 Nr. 1; Mutschler, in: KassKomm. SGB X, § 24 Rz. 34; Franz, in: jurisPK-SGB X, § 24 Rz. 66; a. A. BSG, Urteil v. 31.10.2002, B 4 RA 15/01 R, SozR 3-1300 § 24 Nr. 22; Weber, in: BeckOK SGB X, § 24 Rz. 30).

Ein Versicherter kann auch noch im Rechtsstreit auf zu seinen Gunsten bestehende verfahrensrechtliche Positionen verzichten, so darauf, dass eine Anhörung nachgeholt wird. Ein solcher Verzicht ist jedoch nur wirksam, wenn sich der Versicherte der rechtlichen Tragweite des Verzichts bewusst war und die damit verbundenen Rechtsfolgen tatsächlich erreichen wollte (BSG, Urteil v. 11.3.1982, 5b/5 RJ 150/80, BSGE 53 S. 167 = SozR 1200 § 34 Nr. 17).

 

Rz. 14

Hat die Behörde eine erforderliche Anhörung zunächst unterlassen, später jedoch im Widerspruchs- oder gerichtlichen Verfahren nachgeholt, so ist zwar der Verwaltungsakt insoweit rechtmäßig, gleichwohl hat die Behörde dem Beteiligten notwendige Aufwendungen zu erstatten. Bei einer Nachholung im Widerspruchsverfahren folgt dies aus § 63 Abs. 1 Satz 2 und im gerichtlichen Verfahren ist bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsakt zunächst rechtswidrig war und die Behörde damit Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Die Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei einer Anhörung im Verwaltungsverfahren sind demgegenüber nicht zu erstatten (BSG, Urteil v. 13.12.1990, 9a/9 RVs 13/89, SozR 3-1300 § 63 Nr. 1).

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