0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Diese Vorschrift ist mit der Einführung des SGB IV durch Gesetz v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) erlassen worden und am 1.7.1977 in Kraft getreten. Abs. 3 wurde mit dem Hüttenknappschaftlichen-Zusatzversicherungs-Neuregelungsgesetz v. 21.6.2002 (BGBl. I S. 2167) mit Wirkung zum 1.1.2002 neu gefasst. Dabei wurden die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) geprägten neuen Begriffe "Ablaufhemmung" und "Neubeginn der Verjährung" eingefügt. Mit dem 8. SGB IV-Änderungsgesetz v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 in Abs. 3 Satz 2 das Erfordernis der Schriftlichkeit des Erstattungsantrags gestrichen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Diese Vorschrift regelt sowohl die Verzinsung als auch die Verjährung des Erstattungsanspruchs. Sie schließt damit unmittelbar an § 26 an und ergänzt diese Vorschriften. Damit wird gleichzeitig eine Harmonisierung mit den entsprechenden Vorschriften für Leistungen (vgl. §§ 44, 45 SGB I) und des BGB (insbesondere der Neuregelung des Verjährungsrechts im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung, §§ 194 ff. BGB) herbeigeführt.

 

Rz. 3

Diese Vorschrift gilt für alle von § 26 Abs. 2 erfassten Erstattungsansprüche. Nicht erfasst ist damit der Fall der Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge, namentlich nach § 210 SGB VI. Nicht erfasst ist zudem der Fall der Rückforderung von zu Unrecht geleisteten Beitragszuschüssen zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Insoweit besteht bereits eine spezielle Regelung zur Verjährung eines solchen Erstattungsanspruchs in § 50 Abs. 4 SGB X (BSG, Beschluss v.19.10.2022, B 5 R 78/22 B unter Verweis auf BSG, Urteil v. 4.3.2021, B 11 AL 5/20 R).

2 Rechtspraxis

2.1 Verzinsung des Erstattungsanspruchs

 

Rz. 4

Wenn zu Unrecht entrichtete Beiträge oder Umlagen zu erstatten sind, ergibt sich daraus zunächst kein Anspruch auf Erstattung des Zinsverlustes. Eine etwaige Verzinsungspflicht ist nicht vom Verschulden des Versicherungsträgers abhängig, sondern richtet sich ausschließlich nach dem Zeitablauf. Durch die Verzinsung sollen die Erstattungsberechtigten vor Nachteilen bewahrt werden, die ihnen durch überlange Bearbeitungszeiten entstehen können. Dabei stehen die Zinsen demjenigen zu, der Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen hat.

Diese Vorschrift ist auf Erstattung von Beiträgen nach § 26 ausgerichtet. Sie ist daher keine Rechtsgrundlage für eine Verzinsung des Anspruchs auf Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge. Auch bei einem Beratungsmangel besteht bei Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge nach dem Urteil des BSG v. 24.3.1983 (1 RJ 92/81) kein Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages.

Voraussetzung für die Verzinsung des Erstattungsanspruchs ist ein vollständiger Erstattungsantrag, der an die zuständige Stelle, i. d. R. die Einzugsstelle zu richten ist (vgl. zu den Zuständigkeitsvereinbarungen die "Gemeinsamen Grundsätze für die Auf- bzw. Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" i. d. F. v. 20.11.2019). Aus dem Urteil des BSG v. 16.4.1985 (12 RK 19/83) ergibt sich, dass in einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid oder in einer unter Vorbehalt erfolgten, unfreiwilligen Erfüllung einer Beitragsforderung zugleich ein vollständiger Erstattungsantrag enthalten ist; das gilt selbst dann, wenn die Beiträge zu dieser Zeit noch nicht entrichtet waren. Der zu unterstellende Erstattungsantrag wirkt dann für später entrichtete Beiträge fort.

Den zuvor aufgezeigten Grundsatz hat das BSG mit Urteil v. 26.6.1986 (7 RAr 121/84) noch einmal ausdrücklich bestätigt. Danach handelt es sich bei einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid auch dann um einen "vollständigen" Erstattungsantrag i. S. d. § 27 Abs. 1, wenn sich die Höhe der Erstattung erst aufgrund eines nach dem Widerspruch geschlossenen Vergleichs ergibt. Ein Vergleich schließt die Verzinsung des Erstattungsanspruchs jedenfalls dann nicht aus, wenn sie nicht Gegenstand des Vergleichs ist. Eine Verzinsung der zu erstattenden Beiträge für die Zeit, die diese Beiträge dem Sozialversicherungsträger zur Verfügung standen, ist nicht vorgesehen. Die Verzinsung beginnt auch bei Erstattung von Beiträgen für mehrere Jahre nach dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen v. 11.2.1993 (L 9 Ar 109/92) frühestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eingang des vollständigen Erstattungsantrages (vgl. Rz. 6). Ein – durch ex-tunc wirkende Beseitigung der Beitragspflicht – rückwirkender Erstattungsanspruch ist auch rückwirkend zu verzinsen, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen (BSG, Urteil v. 7.9.2017, B 10 LW 1/16 R).

 

Rz. 5

Der Erstattungsanspruch ist insoweit mit 4 % zu verzinsen, als nach Ablauf eines Monats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrages die Erstattung noch nicht durchgeführt wurde.

Eine Verzinsung überzahlter Beiträge kommt nicht in Betracht, wenn diese im Rahmen der gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversic...

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