Der in der Vertrauensarbeitszeit praktizierte Verzicht auf eine betriebsseitige Erfassung der geleisteten Arbeitszeit wirft zuweilen die Frage auf, ob und wie "Mehrarbeit" erfasst und ausgeglichen werden kann.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es keinen allgemeingültigen Begriff der "Mehrarbeit" gibt. Der Ausdruck "Mehrarbeit" wird in unterschiedlichen Zusammenhängen des Arbeitszeitschutzrechts, Vergütungsrechts (z. B. zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Rahmen von Tarifverträgen) sowie im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung verwendet; das Begriffsverständnis ist dabei nicht immer einheitlich. Der Terminus "Mehrarbeit" muss also stets im jeweiligen arbeitsrechtlichen Kontext bewertet werden:

8.1 Arbeitszeitgesetz

Das Arbeitszeitgesetz verwendet den Begriff der Mehrarbeit überhaupt nicht. Aus gesetzlicher Sicht sind alle im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geleisteten Arbeitszeiten gleichwertig. Arbeitszeiten oberhalb der gesetzlichen "Normalarbeitszeit" von werktäglich (Montag bis Samstag) 8 Stunden – man mag insoweit von "gesetzlicher Mehrarbeit" sprechen – sind innerhalb der arbeitszeitgesetzlich vorgegebenen Ausgleichszeiträume durch entsprechende Freizeit auszugleichen[1] und für diese Arbeitszeiten sind verpflichtende Arbeitszeitnachweise zu führen.[2]

8.2 Arbeitsvertrag

Vertrauensarbeitszeit schließt Ansprüche auf Vergütung von Überstunden nicht generell aus. Hat der Arbeitnehmer es durch den Umfang der vom Arbeitgeber zugewiesenen Arbeit schlichtweg nicht mehr in der Hand, Überstunden durch die Selbstbestimmung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit auszugleichen, sind diese grundsätzlich zu vergüten.[1] Für Arbeitnehmer mit fest bestimmter (Tarif-)Arbeitszeit kann Mehrarbeit im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit relevant werden, wenn die übernommenen Arbeitsaufgaben nicht innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit geleistet werden können. In diesem Fall kann die Vereinbarung von Mehrarbeit ein Element der Bewältigung von Überlastsituationen sein. Dabei empfiehlt es sich, eventuell erforderliche Mehrarbeit als zusätzliches "Arbeitszeitbudget" beispielsweise für bestimmte (Sonder-)Aufgaben, etwa im Rahmen von Projekten, zu vereinbaren. Dies kann zugleich die vorübergehende Erfassung der Arbeitszeit erforderlich machen, wenn die innerhalb eines solchen Zusatz-Arbeitszeitbudgets geleistete Mehrarbeit nicht pauschaliert vergütet wird.

8.3 Betriebliche Mitbestimmung

Die im Rahmen betrieblicher Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit enthaltenen Vorgaben zur Verteilung der Arbeitszeit unterliegen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates (z. B. täglicher/wöchentlicher Arbeitszeitrahmen, Vorgaben zu Service- und Funktionszeiten, Pausen etc.).

Ob der Betriebsrat im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Mitbestimmung bei der Einführung technischer Einrichtungen) ein Initiativrecht zur Einführung einer betrieblichen Zeiterfassung hat, ist in der Rechtsprechung umstritten. Ein Anrufung der Einigungsstelle mit dem Ziel der Einführung einer Zeiterfassung ist jedenfalls nicht unzulässig.[1]

Auch die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen zur Mitbestimmung des Betriebsrats kennen den Begriff der "Mehrarbeit" nicht. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt die "vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit" der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieser Mitbestimmungstatbestand wird nicht selten als "Mehrarbeits-Mitbestimmungsrecht" bezeichnet.

Das bedeutet, dass – unabhängig vom Arbeitszeitmodell – die Heranziehung von Arbeitnehmern außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. Für Arbeitnehmer in Vertrauensarbeitszeit, die ihre Arbeitszeit meist innerhalb eines täglichen Arbeitszeitrahmens verteilen können, wären also Arbeitsleistungen außerhalb des Arbeitszeitrahmens (z. B. am Wochenende) mitbestimmungspflichtig, wenn diese als zusätzliches Arbeitszeitvolumen erbracht werden. Sofern Arbeitsleistungen außerhalb des täglichen Arbeitszeitrahmens regelmäßig erforderlich werden, empfiehlt es sich, die entsprechenden Anlässe und/oder Rahmenbedingungen (z. B. Regelungen zu Freizeitausgleich oder Vergütung) in der betrieblichen Arbeitszeitregelung festzulegen, um ein Mitbestimmungsverfahren im Einzelfall zu erübrigen. Gegebenenfalls kommt insoweit auch ein erweiterter Arbeitszeitrahmen in Betracht, um derartige (regelhafte) Arbeitszeitbedarfe als "normale" (regelmäßige) Arbeitszeit im Rahmen der Verteilung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) zu regeln. Dienstreisen außerhalb der festgelegten Arbeitszeit bzw. des Arbeitszeitrahmens lösen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[2] jedoch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, soweit während der Dienstreise nicht gearbeitet werden muss.

Soweit im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit auch außerhalb des betrieblichen Arbeitsplatzes gearbeitet werden kann (mobile Arbeit), unterliegt die Ausgestaltung der mobilen Arbeit im Rahmen des § 87 A...

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