Rz. 84c

Seit 2012 – eingeführt durch das StVereinfG (Rz. 9b) – kommt es nicht mehr auf die Höhe der von dem Kind erzielten Einkünfte und Bezüge an, wenn sich das Kind in einer ersten Berufsausbildung bzw. in einem ersten Studium befindet.

Lediglich bei noch laufenden Gerichtsverfahren oder in Ausnahmefällen, in denen die Familienkasse rückwirkend die Festsetzung von Kindergeld bis 2011 wegen Überschreitens des Grenzbetrags aufhebt und die Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 1 S. 2 AO) wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (5 Jahre) bzw. wegen Steuerhinterziehung (10 Jahre) noch nicht abgelaufen ist, ist die nachfolgende Kommentierung bis Rz. 98 noch relevant.

Der mit der Neuregelung des Kinderleistungsausgleichs durch das JStG 1996 (§ 31 EStG Rz. 5ff.; Rz. 9) eingeführte Grenzbetrag orientiert sich am steuerfreien Existenzminimum eines Erwachsenen und wurde mehrmals angehoben.[1] Es handelt sich um einen Jahresgrenzbetrag; die Höhe der Einkünfte/Bezüge während einzelner Monate ist unerheblich.[2] Ist der Jahresgrenzbetrag (Freigrenze) auch nur geringfügig überschritten, führt dies zum Ausschluss der Berücksichtigung des Kindes.[3]

Der Begriff und die Ermittlung der Einkünfte ergeben sich aus § 2 Abs. 1 EStG. Danach entspricht der Einkünftebegriff nicht dem zu versteuernden Einkommen, sodass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen grds. nicht abgezogen werden können.[4] Nach BVerfG v. 11.1.2005, 2 BvR 167/02, BFH/NV Beilage 2005, 260 ist jedoch § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a. F. dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass ebenso wie von den Bezügen auch von den Einkünften nur diejenigen in den Jahresgrenzbetrag einfließen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Das BVerfG hat damit entschieden, dass die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht in die Bemessungsgröße einzubeziehen sind, da sie dem Kind und den Eltern nicht verfügbar sind und daher keine Entlastung der Eltern darstellen. Anderenfalls wären Eltern mit nicht sozialversicherten Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen, gegenüber Eltern mit sozialversicherten Kindern begünstigt, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nur wegen der als Einkünfte behandelten Sozialversicherungsbeiträge überschritten und die deshalb aus der Begünstigung herausfallen.

Das BVerfG hat offengelassen, in welchen weiteren Fällen bei dem Kind oder den Eltern nicht verfügbare Beträge einkünftemindernd abzusetzen sind. Da die Pflegeversicherungsbeiträge wie die Sozialversicherungsbeiträge nicht zur Verfügung stehen, sind sie ebenfalls einkünftemindernd abzusetzen. Entsprechendes gilt für die Beiträge zu einer freiwilligen gesetzlichen und auch einer privaten Krankenversicherung, da ein Krankenversicherungsschutz existenziell notwendig ist.[5]

Nicht notwendig und daher nicht abzuziehen sind die Beiträge zu einer privaten Zusatzkrankenversicherung und einer privaten[6] – oder Kfz-Haftpflichtversicherung[7] und einer privaten Unfallversicherung.[8]

Ebenfalls abzulehnen ist der Abzug der Beiträge zu einer privaten Rentenversicherung, wenn das Kind pflichtversichert ist.[9] Da Altersvorsorgeaufwendungen im Unterschied zu Krankenversicherungsbeiträgen nicht der aktuellen Existenzsicherung des Kindes, sondern der Vorsorge für künftige Zeiten dienen, das Kind nach Abschluss seiner Ausbildung ausreichend Zeit hat, für sein Alter (auch privat) vorzusorgen und eine freiwillige Altersversorgung ohnehin üblicherweise erst in einem späteren Lebensabschnitt aufgebaut wird, ist der Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen grundsätzlich abzulehnen.

Der BFH lehnt auch den Abzug der einbehaltenen LSt, Lohn-KiSt und des Solidaritätszuschlags ab[10]; ebenso für die KapESt.[11] Die unterschiedliche Behandlung gegenüber einem Kind, das für das gleiche Jahr ESt schuldet, ist hinnehmbar. Durch den früheren Lohnsteuerabzug entstehen dem Kind lediglich Liquiditätsnachteile. Die Ungleichheit bewegt sich noch im "gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vertretbarer Typisierung".[12]

Etwas anderes müsste allerdings für außergewöhnliche Belastungen gelten. Denn z. B. zwangsläufig entstehende Krankheitsaufwendungen dienen – jedenfalls soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen – der aktuellen Existenzsicherung des Kindes.[13] Hier hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für Medikamente, die ein krankenversichertes Kind nach dem SGB V als sog. Zuzahlung leisten muss, zu berücksichtigen sind.[14]

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Kindes sind lediglich die Einkünfte/Bezüge entscheidend. Ebenso wie bei einem behinderten Kind (Rz. 83) spielt das Vermögen des Kindes keine Rolle, auch wenn ein volljähriger Unterhaltsberechtigter zur Deckung seines Lebensbedarfs grundsätzlich eigenes Vermögen einzusetzen hat (§ 1602 BGB). Deshalb sind zur Kapitalanlage bestimmte Geldzuwendungen von dritter Seite nicht zu berücksichtigen.[15]

Zum Begriff der Einkünfte s. Übersicht in Tz. 63.4.2.1 DA-FamEStG. Zu den Einkünft...

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