Die Verwirkung ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie ist ein Fall einer nach Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung.[1] Verwirkung ist gegeben, wenn

  1. nach Fälligkeit des Anspruchs Zeit vergangen ist (Zeitmoment) und
  2. Umstände durch das Verhalten des Gläubigers vorliegen, die den Schuldner darauf vertrauen lassen, der Gläubiger werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment).[2]

Es reicht also nicht aus, dass der Gläubiger untätig bleibt.[3] Vielmehr müssen weitere Umstände vorliegen, die ein Vertrauen auf das Absehen der Geltendmachung begründen. Konkrete Fristen können folglich nicht angegeben werden. Regelmäßig müssen aber mindestens mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate der Untätigkeit vorliegen. Die Verwirkung prüft das Gericht von Amts wegen. Der Schuldner muss sich hierauf nicht berufen.

Auch arbeitsrechtliche Ansprüche aus Arbeitsverträgen sowie aus dem Gesetz können verwirken. Dagegen können Ansprüche aus Tarifverträgen[4] und aus Betriebsvereinbarungen[5] nicht verwirken.

Im Arbeitsrecht stellt sich die Frage der Verwirkung typischerweise in den folgenden Fallkonstellationen:

2.1 Anfechtung des irrig abgeschlossenen Arbeitsvertrages

Bestand ein Arbeitsverhältnis jahrelang beanstandungsfrei, kann das Recht zur Anfechtung wegen eines Irrtums bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses verwirkt sein[1].

2.2 Geltendmachung der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit Entleiher

Besitzt der Verleiher keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, fingiert § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers mit dem Entleiher. Nach dem BAG verwirkt das Recht, sich auf diese Fiktion zu berufen, nie.[1] Dies wird von Instanzgerichten teils anders gesehen . Dabei reichten Zeiträume zwischen Beendigung der Arbeitnehmerüberlassung und Geltendmachung der Fiktion von 4 Monaten bzw. 12 Monaten.[2] Die Ansicht des BAG wird durch die Neuregelung des AÜG zum 1.4.2017 gestärkt, da der Verbleib beim Verleiher einer ausdrücklichen und formalisierten Festhaltenserklärung bedarf.[3] Lehnt man mit dem BAG die Verwirkung der Fiktion ab, können aber die daraus resultierenden Ansprüche verwirken, z. B. der Anspruch auf Vergütung.

2.3 Ansprüche auf Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt

Ebenfalls der Verwirkung unterliegen Ansprüche auf Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt.

2.4 Fortsetzung eines zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses

Wird ein zunächst befristetes Arbeitsverhältnis fortgesetzt, entsteht nach § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Wird dieses nur einige Tage fortgesetzt, kann das Recht des Arbeitnehmers, sich auf das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu berufen, nach mehr als 9 Monaten verwirkt sein.[1]

2.5 Zeugnisanspruch

Auch der Zeugnisanspruch kann verwirken.[1] Da sich der Arbeitgeber bei dem Abfassen des Arbeitszeugnisses an den Arbeitnehmer erinnern können muss, ist für die Verwirkung des Zeugnisanspruchs keine übermäßig lange Zeit zu verlangen. Dies kann für einen Anspruch auf Zeugniskorrektur im Einzelfall schon nach 10 Monaten der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer zuvor innerhalb von 11 Monaten dreimal die Erstellung des Zeugnisses angemahnt hat, dann aber für 10 Monate untätig blieb.[2]

2.6 Widerspruch gegen den Betriebsübergang

Die Frist für den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang beträgt nach § 613 a Abs. 6 BGB 1 Monat. Wurde der Arbeitnehmer jedoch nicht ordnungsgemäß nach § 613 a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet, läuft die Widerspruchsfrist nicht an. Das Widerspruchsrecht besteht damit unbefristet, grundsätzlich auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.[1] Das Widerspruchsrecht kann allerdings verwirken. Allein der Ablauf von Monaten nach dem Betriebsübergang (Zeitmoment) ist für die Verwirkung nicht ausreichend. Hinzukommen muss das Umstandsmoment. Hierfür gilt, dass sich Erwerber und Veräußerer auf Umstände berufen können, die zunächst nur dem jeweils anderen bekannt geworden sind.[2]

Ob das Umstandsmoment gegeben ist, macht die Rechtsprechung von der Schwere des Verstoßes gegen die Pflicht der ordnungsgemäßen Unterrichtung abhängig. Liegt nur ein kleiner Verstoß vor, können schon geringfügige Umstandsmomente, die für eine Nichtausübung des Widerspruchsrechts sprechen, zur Verwirkung führen. Anders, wenn schwere Fehler vorliegen oder eine Unterrichtung überhaupt nicht stattgefunden hat.

Die bloße Tatsache, dass der Arbeitnehmer widerspruchslos weitergearbeitet und die Vergütung entgegengenommen hat, lässt im Regelfall keine Umstände annehmen, er wolle dem Betriebsübergang nicht widersprechen.[3] Gleiches gilt, wenn ein Betriebsratsmitglied sein Amt unverändert fortführt.[4] Nachdem ein Insolvenzantrag gestellt wurde, kann dies anders zu beurteilen sein: Die unwi...

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