Rz. 28

Die Grundverpflichtungen aus § 20 gelten grundsätzlich zwingend für alle Arbeitgeber mit Sitz im Inland oder im Ausland unabhängig davon, ob die Beschäftigung im Inland Tage, Wochen oder Monate oder nur wenige Minuten dauert. Die in Rz. 24 dargestellte Diskussion darum, was unter einer Beschäftigung im Inland zu verstehen ist, ist durch § 24 AEntG etwas entschärft worden. Auch wenn ein ausdrückliches zeitliches Tatbestandsmerkmal in § 20 selbst weiterhin fehlt, werden unter bestimmten Voraussetzungen Tätigkeiten von kurzer Dauer nicht von der Norm erfasst. § 24 AEntG schließt für bestimmte Tätigkeiten, die nach der Entsenderichtlinie ausdrücklich von den nationalen Entsendevorschriften auszunehmen sind oder die typischerweise nicht mit der Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung in Deutschland verbunden sind, die Anwendung des § 20 aus.

 

Rz. 29

Die Regelung entspricht § 6 Abs. 1 AEntG in der bis zum 29.7.2020, allerdings nur für Sachverhalte nach dem AEntG, geltenden Fassung. Die Anwendung des § 20 ist dabei für bestimmte Tätigkeiten, die nach Art. 3 Abs. 2 der Entsende-RL ausdrücklich von den nationalen Entsendevorschriften auszunehmen sind, ausgeschlossen. Gleiches gilt im Übrigen für Arbeitsbedingungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und § 13b AEntG sowie für ein Mindestentgelt aufgrund einer Lohnuntergrenzenverordnung nach § 3a AÜG.[1]

§ 24 Abs. 1 AEntG betrifft

  1. Arbeitnehmer, die von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland im Inland beschäftigt werden und Erstmontage- oder Einbauarbeiten erbringen, die

    1. Bestandteil eines Liefervertrags sind,
    2. für die Inbetriebnahme der gelieferten Güter unerlässlich sind und
    3. von Facharbeitern oder angelernten Arbeitern des Lieferunternehmens ausgeführt werden,

    sowie kumulativ

  2. deren Beschäftigungsdauer im Inland acht Tage innerhalb eines Jahres nicht übersteigt.

Die Regelung gilt nach § 24 Abs. 1 Satz 2 AEntG nicht für Bauleistungen im Sinne des § 101 Abs. 2 SGB III.

 

Rz. 30

§ 24 Abs. 2 AEntG erfasst Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer, die von Arbeitgebern oder Entleihern mit Sitz im Ausland vorübergehend im Inland beschäftigt werden und, ohne im Inland Werk- oder Dienstleistungen für ihren Arbeitgeber gegenüber Dritten zu erbringen,

  1. für ihren Arbeitgeber Besprechungen oder Verhandlungen im Inland führen, Vertragsangebote erstellen oder Verträge schließen,
  2. als Besucher an einer Messeveranstaltung, Fachkonferenz oder Fachtagung teilnehmen, ohne Tätigkeiten nach § 2a Abs. 1 Nr. 8 SchwarzArbG , d. h. des Auf- und Abbaus von Messen und Ausstellungen, zu erbringen,
  3. für ihren Arbeitgeber einen inländischen Unternehmensteil gründen,
  4. als Fachkräfte eines international tätigen Konzerns oder Unternehmens zum Zweck der betrieblichen Weiterbildung im inländischen Konzern- oder Unternehmensteil beschäftigt werden.

Vorübergehend ist eine Beschäftigung, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr als 14 Tage ununterbrochen und nicht mehr als 30 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten im Inland tätig ist (§ 24 Abs. 2 Satz 2 AEntG).

§ 24 Abs. 2 AEntG nimmt Fälle der Inlandsbeschäftigung aus, die nicht mit der Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung des im Ausland ansässigen Arbeitgebers gegenüber Dritten verbunden sind und damit ohnehin nicht vom Entsendebegriff des Art. 1 Abs. 3 der Entsende-RL erfasst werden.

 

Rz. 31

Schon bald nach Einführung des allgemeinen Mindestlohns zum 1.1.2015 stritten die EU-Kommission und einige Mitgliedstaaten einerseits und die deutsche Bundesregierung andererseits über die Frage, ob das MiLoG, insbesondere die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns, auf den Straßenverkehrssektor uneingeschränkt, d. h. auf alle Verkehrsleistungen, die deutsches Staatsgebiet berühren, Anwendung findet. Nachdem der Bundesregierung am 21.1.2015 im Rahmen eines sog. Pilotverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, leitete die EU-Kommission am 19.5.2015 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen Deutschland ein.[2]

Damit sollen die europarechtlichen Fragen zur Anwendung des MiLoG auf den grenzüberschreitenden Transitverkehr und auf bestimmte grenzüberschreitende Beförderungsleistungen im Rahmen von Güter- und Personenbeförderung geklärt werden. Für den Zeitraum bis zur Klärung der europarechtlichen Fragen zur Anwendung des MiLoG auf den Verkehrsbereich hat das BMF die Kontrollen zur Überprüfung der Zahlung des Mindestlohns durch den Zoll, die Durchführung von Ermittlungsverfahren sowie die Nebenpflichten wie Meldepflichten und Pflichten zur Arbeitszeitaufzeichnung und Bereithaltung von Unterlagen – allerdings begrenzt auf den Bereich des reinen Transitverkehrs – ausgesetzt.[3]

Nicht ausgesetzt wurde jedoch der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Mindestlohn und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Mindestlohns, auch nicht im Bereich des reinen Transitverkehrs. Dies hätte einer Entscheidung des Gesetzgebers bedurft. Demgegenüber liegt die Entscheidung, keine Prüfungen durchzuführen und Verstöße nicht zu ahnden, im Ermessen der ...

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