Rz. 40

Überstunden sind grundsätzlich vergütungspflichtig und damit mindestlohnrelevant, da nach dem MiLoG alle Stunden zu vergüten sind, die der Arbeitnehmer tatsächlich geleistet hat. Unerheblich ist die Bezeichnung "Überstunde". Da es nach der Rechtsprechung des BAG keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dafür gibt, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, ist auch hier maßgeblich, ob der Arbeitnehmer nach den objektiven Umständen eine Vergütung erwarten konnte (§ 612 Abs. 1 BGB). Eine objektive Vergütungserwartung fehlt, wenn

  1. arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind[1] oder
  2. zusätzlich zur arbeitszeitbezogenen Festvergütung nicht unerhebliche Provisionen gezahlt werden[2] oder
  3. insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird, und zwar eine solche, die die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet[3] oder
  4. "Dienste höherer Art geschuldet sind"[4].

In der Regel sind diese Ausnahmen damit nicht im sog. Niedriglohnsektor gegeben. Niedriglohn meint das Arbeitsentgelt eines Vollzeitbeschäftigten, das sich knapp oberhalb oder unter der Armutsgrenze befindet. Im Ergebnis sind Überstunden damit grundsätzlich mindestlohnpflichtig, da jede konkret geleistete Arbeitszeit zu vergüten ist. Überstundenzuschläge berechnen sich aus der vertraglichen Vereinbarung, nicht aus dem Mindestlohn.[5]

 

Rz. 41

Im Zusammenhang mit dieser Thematik sind Überstundenabgeltungsklauseln problematisch.

 
Praxis-Beispiel

Im Arbeitsvertrag ist folgende Klausel aufgenommen: "Mit der Monatsvergütung sind 15 Überstunden pro Monat abgegolten."

Eine Überstundenabgeltungsklausel muss konkret angeben, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Ansonsten ist sie AGB-rechtlich intransparent gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und damit unwirksam. Daneben stellt sich die Frage, ob für die Berechnung der Einhaltung des Mindestlohns die in dem jeweiligen Monat tatsächlich geleisteten Stunden oder die ggf. potenziell zu leistenden Stunden maßgeblich sind.

Eine Überstundenabgeltungsklausel kann auch bereits deshalb unwirksam sein, weil sie bei Ausschöpfung der zu leistenden unentgeltlichen Mehrarbeitsstunden den Mindestlohn unterschreitet.

 
Praxis-Tipp

Die Unwirksamkeit wegen Unterschreitung des Mindestlohns durch unentgeltliche Mehrarbeitsstunden kann vermieden werden, indem in die vertragliche Vereinbarung folgender Passus aufgenommen wird:

"Der Arbeitnehmer hat in jedem Fall, auch bei Unterschreitung des Mindestlohns durch Ausschöpfung der zu leistenden unentgeltlichen Mehrarbeitsstunden, einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für die tatsächlich geleisteten Stunden."

Im Ergebnis ist damit die tatsächlich geleistete, monatliche Arbeitszeit ins Verhältnis zum mindestlohnfähigen Entgelt zu setzen.

 

Rz. 42

Bei Minijobs, aber auch bei anderen Verträgen, ist oftmals aus dem Arbeitsvertrag keine Stundenzahl ersichtlich. Das allein stellt bereits einen Verstoß gegen die Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG dar. Darüber hinaus gerät der Arbeitgeber aber auch (gegenüber den Kontrollbehörden) in Beweisnot, weil er beweisen muss, dass er den Mindestlohnanspruch erfüllt hat.

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