Die Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001[1] (Betriebsübergangsrichtlinie; Vorgängerrichtlinie: Richtlinie 77/187/EWG v. 14.2.1977[2]) dient der Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber. Diese Richtlinie hat aus deutscher Sicht die größte praktische Bedeutung aller europäischen Richtlinien erlangt und mit Abstand die meisten Vorlagefragen an den EuGH verursacht. Dies liegt vor allem daran, dass sich der von der Richtlinie angeordnete Bestandsschutz bei Umstrukturierungen in Kombination mit dem ebenfalls auf Bestandsschutz ausgerichteten nationalen Kündigungsschutzrecht für Unternehmen in Deutschland als besonders unflexibel auswirkt.[3]

Art. 3 der Richtlinie bestimmt zum Arbeitnehmerschutz, dass bei einem Betriebsübergang die Arbeitsverhältnisse von dem alten auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Der neue Betriebsinhaber muss auch bestehende Tarifverträge und sonstige Kollektivvereinbarungen beachten; das Arbeitsverhältnis darf nicht allein wegen des Betriebsübergangs gekündigt werden (Art. 4). Nach Art. 5 Abs. 1 gelten die Schutzvorschriften der Richtlinie nicht im Insolvenzverfahren, allerdings ist die Anwendung, für die sich Deutschland entschieden hat, zulässig. Art. 6 der Richtlinie regelt die betriebsverfassungsrechtliche Wirkung eines Betriebsübergangs, Art. 7 der Richtlinie enthält Informations- und Konsultationspflichten der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter. Der Übergang kann durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung[4] erfolgen.

Deutschland hat die Richtlinien 77/187/EWG und 2001/23/EG durch Anpassung des § 613a BGB umgesetzt, nachdem die Ursprungsregelung des § 613a BGB bereits mit Wirkung zum 19.1.1972 eingeführt worden war.[5] Besonders umstritten ist und war stets, wie der Betriebs(teil-)übergang von der bloßen Funktionsnachfolge durch Auftragsneuvergabe abgegrenzt werden kann. Die bloße Neuvergabe eines Auftrags soll nicht von der Betriebsübergangs-Richtlinie erfasst werden, weil andernfalls jeglicher Wettbewerb erstarren würde.

Diesem Ziel folgt, nach immer wieder (scheinbar) abweichenden Urteilen[6], grundsätzlich auch der EuGH.[7] Er hat die Formel entwickelt, nach der – kurzgefasst – ein Betriebsübergang vorliegt, wenn eine wirtschaftliche Einheit identitätswahrend übertragen wird.[8] Die Abgrenzung bleibt aber in der Praxis schwierig; es ist nach EuGH und BAG auf eine Gesamtwürdigung zahlreicher einzelner Aspekte der Identitätswahrung wie vor allem Übernahme von Betriebsmitteln, Personal und Knowhow oder Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeiten nach nur kurzer Unterbrechung abzustellen.[9] Das BAG hat zur Abgrenzung von Betriebsübergang und Auftragsnachfolge versucht danach zu unterscheiden, ob Betriebsmittel dem neuen Auftragnehmer zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden oder er sie nur einfach nutzt ("Tätigkeit an, nicht mit fremden Betriebsmitteln").[10]

Dieser Abgrenzung hat der EuGH ohne Nennung einer Alternative zunächst in der Sache[11], dann ausdrücklich mit Verweis auf Wortlaut und Zweck der Richtlinie widersprochen.[12] Dem ist das BAG notgedrungen gefolgt.[13] Dagegen sind sich die nationalen Gerichte und der EuGH darin einig, dass das Merkmal des "rechtsgeschäftlichen Übergangs" weit auszulegen ist, sodass z. B. auch eine Zwischenschaltung Dritter nicht den Betriebsübergang hindert[14] und es auf einen Eigentumsübergang nicht ankommt.[15]

Jedoch liegt nach dem BAG kein Betriebsübergang vor, wenn ein Bewirtschaftungsbetrieb vollständig in die eigene Organisationsstruktur eines anderen Unternehmens eingegliedert wird.[16] Es ist angesichts der Klarenberg-Entscheidung – auf Vorlage des LAG Düsseldorf – fraglich, ob der EuGH dies genauso sieht.[17] In dieser Entscheidung hatte der EuGH geurteilt, dass es nicht auf die organisatorische Selbstständigkeit der übertragenen Einheit beim Erwerber, sondern auf die Beibehaltung der funktionalen Verknüpfung der übernommenen Produktionsfaktoren und damit auf eine funktionsbezogene Sichtweise ankomme.[18] In der Entscheidung CLECE hat der EuGH dann wiederum klargestellt, dass die bloße Identität der Tätigkeit im Sinne der reinen Funktionsnachfolge für die Annahme eines Betriebs(teil)übergangs nicht ausreiche.[19] Die weitere Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung, insbesondere zur Auftragsnachfolge, ist dennoch unverändert mit Aufmerksamkeit zu verfolgen.[20]

Dagegen hat der EuGH das vom BAG bereits zu der Ursprungsfassung des § 613a BGB entwickelte Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den automatischen Übergang seines Arbeitsverhältnisses gebilligt.[21] Dieses ist seit dem 1.4.2002 in § 613a Abs. 5 und 6 BGB kodifiziert und in der Richtlinie eigentlich nicht vorgesehen.[22]

[1] ABl. Nr. L 82 v. 22.3.2001, S. 16.
[2] ABl. Nr. L 61 v. 5.3.1977, S. 26.
[3] Allgemein zu diesem Zusammenhang Rebhahn RdA 2002, S. 279.
[4] Zur Verschmelzung vgl. Richtlinien 78/855/EWG v. 9.10.1978 – ABl. Nr. L 295 v. 20.10.1978, S. 36 – und 77/91/...

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