Die Richtlinie 2000/78/EG untersagt auch jede unmittelbare und mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund des Lebensalters in Beschäftigung und Beruf durch Normen mit unionsrechtlichem Bezug.[1]

Schutzgehalt

Dieses Verbot erfasst nicht nur eine Schlechterstellung älterer Arbeitnehmer, sondern auch eine Diskriminierung der jüngeren Arbeitnehmer. Dies ist für viele Arbeitsbedingungen und Vereinbarungen im deutschen Arbeitsrecht höchst relevant. Das generelle Verbot der Altersdiskriminierung ist sehr weitgehend, allerdings daher hinnehmbar, weil auch zahlreiche Ausnahmen und Rechtfertigungen für Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters vorgesehen sind.

Rechtfertigung

Die inhaltlich weiteste Ausnahme sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG mit einer allgemeinen Rechtfertigung für alle – auch unmittelbare Diskriminierungen – vor, wenn die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen ist und ein legitimes Ziel auf verhältnismäßige Weise verfolgt.[2] Als rechtmäßige Ziele nennt die Vorschrift ausdrücklich die Beschäftigungspolitik, den Arbeitsmarkt und die berufliche Bildung. Weiter werden bestimmte gerechtfertigte Arten von Ungleichbehandlungen genannt, so insbesondere die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung (Art. 6 Abs. 1 UA 2 Buchst. c), denn es soll der kostenintensiven Einarbeitungsphase eine gewisse Gegenleistung gegenüberstehen. Im Ergebnis darf aber bei Bewerbungsgesprächen nicht mehr nach dem Alter gefragt werden, wenn nicht eine der Ausnahmeklauseln die Berücksichtigung des Lebensalters für die Einstellung rechtfertigt.[3]

Es ist überdies unverändert nicht abschließend geklärt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Ausnahme des Art. 4 (Alter als wesentliches und entscheidendes berufliches Erfordernis) Altersgrenzen rechtfertigen kann. In der Palacio-Entscheidung[4] hat der EuGH dies zwar grundsätzlich akzeptiert, aber die Altersgrenzenregelungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall unterworfen. Altersgrenzen sind daher vor allem zulässig, wenn der Beruf besondere körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzt, z. B. bei Soldaten, Polizisten, Piloten.[5] Insoweit sieht bereits Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG vor, Altersregelungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Auch eine Höchstgrenze für das Berufseintrittsalter kann zulässig sein.[6]

Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie können ausdrücklich bestimmte Altersgrenzen bei der betrieblichen Altersversorgung gerechtfertigt sein.

Besonders praxisrelevant war und ist aus deutscher Sicht die Frage, ob und welche Grenzen das Verbot der Altersdiskriminierung dem deutschen Gesetzgeber zum Kündigungsschutzrecht setzt, das traditionell zur Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG unmittelbar an das Lebensalter und mittelbar mit dem Kriterium der Beschäftigungsdauer an das Alter der Arbeitnehmer anknüpft. Die unmittelbare (und zusätzlich mittelbare) Bevorzugung älterer Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl durch § 1 Abs. 3 KSchG verstößt nach ganz überwiegender (deutscher) Ansicht jedoch nicht gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot[7], da mit der Norm das legitime Ziel verfolgt wird, ältere Arbeitnehmer zu schützen, die typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.[8]

Die Entscheidungen "Mangold" und "Kücükdeveci" des EuGH und die Folgen

In Deutschland war nach einer Gesetzesänderung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit älterer Menschen umstritten, ob die Regelung zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern über 52 Jahre gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG a. F. eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellte.[9] Das ArbG München hat daher mit Beschluss vom 26.2.2004[10] dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie 2000/78/EG[11] einer Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a. F. entgegenstünde.

In seiner überraschenden Mangold-Entscheidung vom 22.11.2005[12] urteilte der EuGH, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a. F. nicht durch die Ausnahme des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gedeckt sei, weil die unterschiedslose Befristungsmöglichkeit ohne Sachgrund für alle Arbeitnehmer über 52 Jahre unverhältnismäßig sei. Vielmehr müsse auf weitere rechtfertigende Faktoren wie u. a. lange Arbeitslosigkeit usw. abgestellt werden.

Außerdem hielt der EuGH das ArbG München überraschend zur Nichtanwendung von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG a. F. an. Zur Begründung verwies er – trotz noch laufender Umsetzungsfrist – darauf, dass ein Mitgliedstaat nicht Gesetze im Widerspruch zu Richtlinien verabschieden dürfe (Frustrationsverbot). Dies hatte bis dahin aber nur zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts, nicht zum Anwendungsverbot, geführt.[13] Zusätzlich verwies der EuGH auf die Unanwendbarkeit wegen eines Verstoßes gegen Primärrecht. Das Verbot der Altersdiskriminierung sei ungeschriebener primärrechtlicher Ausfluss des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten[14] ergebe. Diese Begründung steht allerdings...

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