Hat der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland und übt seine Tätigkeit in Estland für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber aus, wird der Arbeitslohn im Tätigkeitsstaat Estland besteuert, wenn sich der Arbeitnehmer dort insgesamt länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres aufhält (183-Tage-Frist).[1] Im Wohnsitzstaat Deutschland ist der Arbeitslohn dann steuerfrei.[2] Andernfalls wird der Arbeitslohn nur in Deutschland besteuert.[3]

Aufenthalt länger als 183 Tage

Entscheidend ist die Dauer des Aufenthalts, nicht die Dauer der Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer an mehr als 183 Tagen in Estland anwesend ist. Dabei ist auch eine nur kurzfristige Anwesenheit an einem Tag als voller Aufenthaltstag zu berücksichtigen. Es muss sich nicht um einen zusammenhängenden Aufenthalt handeln, mehrere Aufenthalte sind zusammenzurechnen.

Volle Aufenthaltstage

Als volle Tage des Aufenthalts in Estland werden z. B. mitgezählt:

  • Tage der Ankunft und der Abreise, auch zwischenzeitlich, z. B. bei Wochenendheimfahrten,
  • alle Tage der Anwesenheit in Estland unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, z. B. Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage,
  • Tage der Anwesenheit in Estland während Arbeitsunterbrechungen, z. B. bei Streik, Aussperrung, Ausbleiben von Lieferungen oder Krankheit, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise des Arbeitnehmers entgegen und er hätte ohne sie die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung in Estland erfüllt,
  • Urlaubstage, die unmittelbar vor, während und nach oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit in Estland verbracht werden.

Keine Aufenthaltstage

Nur Tage, die ausschließlich außerhalb von Estland verbracht werden, unabhängig davon, ob aus beruflichen oder aus privaten Gründen, werden nicht mitgezählt. Auch reine Transittage, also Tage der Durchreise, werden nicht mitgezählt.

 
Praxis-Beispiel

Wochenendheimfahrten

Arbeitnehmer A hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Für seinen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber ist A mehrere Monate lang jeweils von Montag bis Freitag in Estland tätig. Während dieser Zeit reist A an jedem Freitag nach der Arbeit zu seiner Familie nach Deutschland und kehrt jeweils am Sonntag wieder nach Estland zurück.

Ergebnis: Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach der 183-Tage-Frist sind mitzuzählen

  • die Tage von Montag bis Donnerstag, da sich A an diesen Tagen in Estland aufhält, und
  • die Freitage und Sonntage, da sich A an diesen Tagen zumindest zeitweise in Estland aufhält.

Nicht mitzuzählen sind die Samstage, da sich A an diesen Tagen nicht in Estland aufhält.

 
Praxis-Beispiel

Urlaub

Arbeitnehmer A hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Für seinen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber ist A vom 2.1.-23.6. in Estland tätig. Während dieser Zeit hält sich A vom 4.-7.3. zu einem Urlaub in Deutschland auf. Vom 15.-21.5. macht A Urlaub in Estland. Nach Ende seiner Tätigkeit verbringt A vom 24.6.-9.7. noch einen weiteren Urlaub in Estland.

Ergebnis: Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach der 183-Tage-Frist sind mitzuzählen

  • die Tage des Urlaubs vom 15.-21.5., da die Tage während der Tätigkeit in Estland verbracht werden, und
  • die Tage des Urlaubs vom 24.6.-9.7., da die Tage unmittelbar nach der Tätigkeit in Estland verbracht werden.

Nicht mitgezählt werden die Tage des Urlaubs vom 4.-7.3., da sich A an diesen Tagen nicht in Estland aufhält.

Aufenthalt im Steuerjahr

Relevanter Zeitraum für die Berechnung der 183-Tage-Frist ist das Steuerjahr. Steuerjahr ist in Deutschland das Kalenderjahr,[4] also die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12. jeden Jahres. In Estland ist dies ebenfalls so. Während dieses Zeitraums muss sich der Arbeitnehmer insgesamt länger als 183 Tage in Estland aufhalten. Die Aufenthaltstage müssen somit für jedes Steuerjahr gesondert ermittelt werden.

 
Praxis-Beispiel

Aufenthalt im Steuerjahr

Arbeitnehmer A hält sich für seine Tätigkeit vom 1.4.-10.10.2023 in Estland auf, Arbeitnehmer B hält sich vom 1.10.2023-10.4.2024 in Estland auf.

Ergebnis: Arbeitnehmer A erfüllt die 183-Tage-Frist im Steuerjahr 2023. Arbeitnehmer B erfüllt die 183-Tage-Frist weder im Steuerjahr 2023 noch im Steuerjahr 2024.

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