Kaum noch Betriebe führen Arbeitszeitlisten auf Papier. Auf die minutiöse Erfassung der Arbeitszeit wurde bisher entweder ganz verzichtet (z. B. im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit) oder elektronische Formen der Zeiterfassung wurden eingeführt.

Während die Lage der Arbeitszeit allein nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, tritt in dem Fall, dass der Arbeitgeber für die Zeiterfassung ein elektronisches Zeiterfassungssystem verwendet, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hinzu.

Bisher ist der Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes lediglich zur Erfassung von Überstunden verpflichtet, § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG. Nach Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts folgt daneben die Verpflichtung zur Erfassung der Grundarbeitszeit aus unionsrechtskonformer Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.[1] Das BAG folgt damit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs[2], der deutlich unterstrichen hatte, Art. 6 RL 2003/88/EG binde die Mitgliedstaaten dahingehend, Arbeitgeber zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System der Zeiterfassung zu führen. So weit wie eine gesetzliche Verpflichtung besteht, ist ein Mitbestimmungsrecht und mit ihm auch ein Initiativrecht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems ausgeschlossen.[3] Das BAG hält es nach der Entscheidung des EuGH weiterhin nicht für zwingend, ein elektronisches Zeiterfassungssystem einzuführen.[4] Arbeitszeiterfassung ist demnach weiterhin in elektronischer und in handschriftlicher Form möglich. Hier ist eine zukünftige gesetzliche Regelung im Blick zu behalten.

Der Arbeitgeber muss zwar ein System zur Zeiterfassung bereithalten, die Ausübung der Arbeitszeiterfassung kann er jedoch auf Mitarbeiter delegieren.[5]

Datenschutzrechtlich muss die Betriebsvereinbarung zulässige Verarbeitungszwecke der erfassten Arbeitszeit sowie Zugriffsrechte und Löschroutinen ausgestalten.

[2] EuGH, Urteil v. 14.5.2019, C-55/18 (Federación de Servicios de Comisiones Obreras [CCOO]/Deutsche Bank SAE), NZA 2019, 683.
[3] § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Das BAG lehnt eine echte gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ab. Dennoch schränkt es das Initiativrecht insoweit ein. Die Rechtsprechung der Vorinstanz (LAG Hamm, Beschluss v. 27.7.2021, 7 TaBV 79/20) und die Mehrheit der Stimmen der Literatur bejahen ein Initiativrecht (Vgl. Wall, AiB 2021, 47 m.w.N.).
[4] BAG, Beschluss v. 13.9.2022, 1 ABR 22/21: Auch der Betriebsrat kann ein solches nicht über sein Initiativrecht erzwingen.
[5] BAG, Beschluss v. 13.9.2022, 1 ABR 22/21: Dies hält das BAG ausdrücklich für unionsrechtskonform.

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