Die SBV ist nicht nur rechtlich nach § 182 Abs. 1 SGB IX zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat verpflichtet. Sie bedarf auch dessen faktischer Unterstützung, denn der Betriebsrat ist der Träger der Mitbestimmungsrechte. Um die Interessen der schwerbehinderten Menschen im Betriebsrat zur Geltung bringen zu können, ist der SBV in § 178 Abs. 4 und 5 SGB IX das Recht eingeräumt, an den Sitzungen des Betriebsrats teilzunehmen, sich an der Beratung zu beteiligen sowie Anträge zur Tagesordnung zu stellen und Beschlüsse des Betriebsrats zu beanstanden.

Das Recht, an allen Sitzungen des Betriebsrats und dessen Ausschüssen teilzunehmen, umfasst auch das Recht zur Teilnahme an Sitzungen gemeinsamer Ausschüsse des Betriebsrats und des Arbeitgebers[1], an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses[2], sowie an sogenannten "Monatsgesprächen" und Erörterungen des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber.[3]

Eingeschlossen ist auch das Recht, an der konstituierenden Sitzung von Betriebs- oder Personalrat teilzunehmen. Auch wenn auf dieser Sitzung nur der Vorsitzende gewählt wird, gibt es keine Gründe dafür, dass entgegen dem Wortlaut § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einschränkend auszulegen wäre. Zur Gewährleistung des Rechts der Vertrauensperson auf Teilnahme an den Sitzungen kann eine einstweilige Verfügung ergehen, die auch das Ergebnis eines künftigen Hauptsacheverfahrens vorwegnehmen kann.[4] Das Teilnahmerecht ist nicht auf Ausschüsse des Betriebsrats beschränkt. Ausdrücklich ist das Recht auf Teilnahme an den Beratungen des Arbeitsschutzausschusses in § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgenommen; denn dieser Ausschuss wird nach § 11 ASiG allein vom Arbeitgeber gebildet.[5] Dieses Recht zur beratenden Teilnahme an Gremiensitzungen schließt jedoch nicht die Teilnahme an jedem Erörterungsgespräch ein, das zwischen dem Vorsitzenden des Betriebsrats und der Betriebsleitung oder der Geschäftsführung geführt wird.[6]

Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die SBV rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Verstößt der Vorsitzende beharrlich gegen diese Pflicht, so ist das eine grobe Pflichtverletzung, die einen Ausschlussantrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rechtfertigt.

Die SBV hat in den Betriebsratssitzungen kein Stimm-, sondern nur ein Beratungsrecht.[7] Die Beratung ist nicht auf Fragen der schwerbehinderten Menschen beschränkt.

Die SBV kann nach § 178 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz SGB IX beantragen, Angelegenheiten, die einzelne Schwerbehinderte oder die Schwerbehinderten als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen.

Nach dem Personalvertretungsrecht soll die Vertrauensperson der Schwerbehinderten über die aus einer Personalratssitzung erlangten Kenntnisse die nötige Verschwiegenheit bewahren, so z. B. § 68 PersVG Hessen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Verschwiegenheitspflicht wird von den Verwaltungsgerichten als eine Behinderung der Personalratsarbeit i. S. d. § 64 Abs. 1 PersVG Hessen angesehen. Droht Wiederholungsgefahr, soll der Personalrat berechtigt sein, gestützt auf das Behinderungsverbot die Ausübung des Teilnahmerechts der Vertrauensperson der Schwerbehinderten gerichtlich untersagen zu lassen. Davon unberührt soll es bleiben, sachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen der Vertrauensperson und dem Personalrat öffentlich zu machen.[8] Im Betriebsverfassungsrecht gilt eine weniger umfassende Geheimhaltungspflicht. Sie erfasst nach § 79 BetrVG nur Betriebs- und Dienstgeheimnisse. Von daher ist diese personalvertretungsrechtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht anwendbar.

Erachtet die SBV einen Beschluss des Betriebsrats als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen des schwerbehinderten Menschen, so kann sie nach § 178 Abs. 4 Satz 2 SGB IX beantragen, den Beschluss auszusetzen (ebenso § 35 Abs. 3 BetrVG). Der Betriebsrat muss diesem Antrag entsprechen. Der Aussetzungsantrag ist an keine Form gebunden. Er muss jedoch vor Ablauf einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an gestellt sein. Nach Ablauf der Woche ist das Aussetzungsrecht wegen Fristablaufs gegenstandslos. Die SBV muss die Wirkung der Aussetzung bedenken. Ist der Betriebsrat, z. B. bei der Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung, innerhalb einer Woche zur Stellungnahme verpflichtet, so kann wegen der fehlenden wirksamen Stellungnahme die Zustimmung des Betriebsrats nach Fristablauf fingiert werden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Frist für eine erneute Beschlussfassung zu verlängern.

[3] OVG NRW, Beschluss v. 2.10.1998, 1 A 905/97. PVL, NZA-RR 1999, S. 278 zum "Erörterungsgespräch" nach § 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW.
[4] VG Frankfurt, Beschluss v. 16.10.2003, 23 LG 5583/03 (V), ZfPR 2004 S. 201.
[5] Zur Arbeitsweise dieses Ausschusses vgl. Splanemann, AiB 2006, S. 295.

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