Gemeinsame Prüfpflicht

Nach § 164 Abs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber bei der Besetzung frei werdender oder neuer Arbeitsplätze unter Beteiligung der SBV zu prüfen, ob diese Arbeitsplätze insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Dazu hat der Arbeitgeber die SBV zu beteiligen und den Betriebsrat anzuhören. Ziel der Beteiligung ist die gemeinsame Klärung der Fragen, welche Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, welche Arbeitsplatzanforderungen zu stellen sind, ob Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamts vorhanden und ob interne oder externe Stellenausschreibungen zu veranlassen sind. Hält der Arbeitgeber das Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren nicht ein, ist das eine Ordnungswidrigkeit nach § 238 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX.

Erörterungspflicht

Erfüllt der Arbeitgeber die Pflichtquote nicht und sind die SBV oder der Betriebsrat nicht mit dem Ergebnis der Prüfung einverstanden, muss der Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 Sätze 7–9 SGB IX seine Entscheidung mit der SBV und dem Betriebsrat unter Darlegung der Gründe erörtern. Dabei ist auch der schwerbehinderte Stellenbewerber, dessen Einstellung nicht beabsichtigt ist, anzuhören.

Begründungspflicht

Der Arbeitgeber hat die danach getroffene Entscheidung zu begründen und mit der Stellungnahme der SBV dem Betriebsrat im Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG mitzuteilen. Der Betriebsrat kann dann auf Veranlassung der SBV bei Verletzung der Pflichten aus § 164 Abs. 1 Sätze 1, 2, 4 und 6 SGB IX die Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung eines Bewerbers ohne Behinderung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG beschließen.[1] Die Einstellung des Menschen ohne Behinderung ist dann "blockiert". Der Arbeitgeber hat nach § 99 Abs. 4 BetrVG in diesem Fall die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht die Ersetzung der verweigerten Zustimmung zu beantragen, oder nach § 100 Abs. 1 BetrVG bei dringendem Bedarf eine "vorläufige" Beschäftigung des Menschen ohne Behinderung zu beginnen.

Kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung

Eine Ausnahme gilt für den Fall der Versetzung. Wird eine Stelle im Wege der Versetzung mit einem Menschen ohne Behinderung besetzt, so kann der Betriebsrat der Versetzung nicht mit der Begründung die Zustimmung verweigern, der Arbeitgeber habe weder die Möglichkeit der Stellenbesetzung mit einem schwerbehinderten arbeitslosen oder arbeitssuchenden Menschen geprüft, noch sich mit der Agentur für Arbeit in Verbindung gesetzt.[2] Offen ist, ob nach dieser Rechtsprechung auch der Fall von der Zustimmungsverweigerung ausgeschlossen wird, dass der Arbeitgeber nicht geprüft hat, ob ein im Betrieb beschäftigter Schwerbehinderter zur Ermöglichung einer behinderungsgerechten Beschäftigung auf dem freien Arbeitsplatz hätte eingesetzt werden können.

Einsichtsrecht und Teilnahmerecht der SBV

Bei der Mitprüfung, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Bewerbern besetzt werden können, hat nach § 178 Abs. 2 Satz 4 SGB IX die SBV auch das Recht, in Bewerbungsunterlagen Einsicht zu nehmen und an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen. Diese Regelung[3] ist 2004 eingefügt worden, um der SBV bessere Möglichkeiten zur Überwachung zu geben, ob schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber benachteiligt werden. Es wird vorausgesetzt, dass zumindest eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen vorliegt. Die Schwerbehindertenvertretung soll so in den Stand gesetzt werden, zur beabsichtigten Personalauswahl eine begründete Stellungnahme abgeben zu können. Dazu muss sie in der Lage sein, die Eignung der schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerber mit der Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern ohne Behinderungen vergleichen zu können. Das setzt nach der Gesetzesbegründung die Einsicht in die Bewerbungsunterlagen der schwerbehinderten und der Bewerberinnen und Bewerber ohne Behinderungen und die Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen voraus.

Streitfall Leiharbeitnehmer

Umstritten war lange, ob der Arbeitgeber dann, wenn er die Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzen will, von der Pflicht aus § 164 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX befreit ist.

Nach der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung muss auch der Entleiher im Rahmen der Stellenbesetzung § 164 Abs. 1 SGB IX prüfen, ob der Arbeitsplatz, der mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll, nicht mit einem arbeitssuchenden Schwerbehinderten besetzt werden kann. Damit wird die unternehmerische Freiheit, zwischen Stamm- und Leiharbeit zu wählen, durch die Rechtsprechung erheblich eingeschränkt. Das ArbG Frankfurt[4] hat bspw. den Widerspruch eines Betriebsrats gegen die Besetzung einer Stelle in einem Alten- und Pflegeheim mit einem Leiharbeitnehmer für zulässig erklärt. Die Heimleitung hatte beschlossen, die Stelle einer Pflegekraft für demenzkranke Heimbewohner aus Kostengründen künftig nur noch mit Kräften einer Leiharbeitsfirma zu besetzen. Der Betriebsrat verwies jedoch auf 2 schwerbehinderte Mitarbeiter des Heims, die infolge ihrer Behinderungen ansonsten von...

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