Ist eine Abmahnung wegen der Schwere des Verstoßes entbehrlich oder hat der Arbeitnehmer trotz vorhergegangener Abmahnungen wiederholt gegen Compliance-Regeln verstoßen, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich verhaltensbedingt oder außerordentlich (fristlos) kündigen.

Ob die jeweilige Pflichtverletzung des Arbeitnehmers eine Kündigung rechtfertigt, muss für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Voraussetzung ist,

  1. dass die Pflichtverletzung einen Kündigungsgrund darstellt, und
  2. dass die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.[1]

Typische Pflichtverletzungen bei der Verletzung von Compliance-Regeln sind die bereits aufgeführten Straftaten, aber auch die Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten, wie die Annahme von Schmiergeldern oder auch die sonstige Annahme von persönlichen Vorteilen, bei denen die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer nicht mehr (allein) die Interessen des Arbeitgebers verfolgt.[2]

Der Ausspruch von Kündigungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen Compliance-Regeln ist nicht immer unproblematisch. Erstens werden Verstöße gegen Compliance-Regeln typischerweise nicht von einzelnen Arbeitnehmern begangen. In der Regel sind zahlreiche Arbeitnehmer auf diversen Verantwortungsebenen an den Verstößen beteiligt. Kann dem Arbeitgeber sogar ein Organisationsverschulden nachgewiesen werden, kann das dazu führen, dass eine Kündigung gegenüber einem "nur beteiligten" Arbeitnehmer unwirksam ist.[3] Zweitens können die engen Voraussetzungen, unter denen insbesondere außerordentliche Kündigungen nur wirksam sind, mit dem Interesse des Arbeitgebers an einer umfassenden Aufklärung des Gesamtsachverhalts, der den Verstößen gegen die Compliance-Regel zugrunde liegt, kollidieren.

Außerordentliche Kündigungen können nach § 626 Abs. 1 BGB nur innerhalb von 2 Wochen ab Kenntniserlangung von den zur Kündigung berechtigenden Tatsachen ausgesprochen werden. Unternehmensinterne Untersuchungen zur Feststellung von Verstößen gegen Compliance-Regeln sind allerdings oftmals sehr umfangreich und zeitintensiv; sie können sich über Monate oder Jahre erstrecken. Die Anforderung an den Arbeitgeber, den Sachverhalt zu den Verstößen gegen Compliance-Regelungen umfassend und abschließend aufzuklären, kollidiert in der Praxis daher ggf. mit der Einhaltung der Frist nach § 626 Abs. 1 BGB.[4] Allerdings läuft die 2-Wochenfrist auch erst ab umfassender Kenntnis der Kündigungsgründe, sodass auch ein Abwarten auf die Ermittlungen möglich ist; dies bedarf aber einer guten Fristenüberwachung.

Kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer den Verstoß gegen die Compliance-Regelungen nicht nachweisen, so kommt auch der Ausspruch einer sog. "Verdachtskündigung" in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht hat, dass der Arbeitnehmer eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat und der Arbeitgeber geltend macht, der Verdacht habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.[5] Die "Verdachtskündigung" spielt gerade bei Kündigungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen Compliance-Regelungen eine wichtige Rolle, da Straftaten und Pflichtverletzungen in diesem Bereich oftmals aufgrund ihrer Komplexität und der Beteiligung von mehreren Arbeitnehmern nicht eindeutig beweisbar sind.[6]

[2] Vgl. BAG, Urteil v. 15.11.1995, NZA 1996, S. 419, 422; BAG, Urteil v. 21.6.2001, EzA Nr. 7 zu § 626 BGB Unkündbarkeit; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.1.2009, 9 Sa 572/08, juris.
[3] Vgl. dazu ArbG München, Urteil v. 2.10.2008, NZA-RR 2009, S. 134 für den Fall, dass ein Arbeitnehmer an seit Jahren im Unternehmen bekannten Schmiergeldzahlungen mitwirkte.
[4] Vgl. dazu Heinemeyer/Thomas, BB 2012, S. 1218 ff.; Müller/Bonanni, AnwBl 2010, S. 651, 654.
[5] Vgl. BAG, Urteil v. 26.9.2002, AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung.
[6] Vgl. Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, 2009, S. 144.

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