Compliance-Regelungen verhindern Gesetzesverstöße nur dann, wenn sie für alle Arbeitnehmer verbindlich sind. Nur bindende Compliance-Regeln können arbeitsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen rechtfertigen.

Um verbindliche Regelungen zu schaffen, stehen dem Arbeitgeber bei der Einführung von Compliance-Regeln im Wesentlichen 3 verschiedene Instrumentarien des Individual- und Kollektivarbeitsrechts zur Verfügung.

Er kann sich erstens seines Direktionsrechts nach § 106 GewO bedienen und den Arbeitnehmern konkrete Weisungen erteilen. Zweitens kann der Arbeitgeber Compliance-Regeln in die Arbeitsverträge aufnehmen und drittens besteht die Möglichkeit, mit dem Betriebsrat – sofern vorhanden – Betriebsvereinbarungen zu schließen.[1] Die arbeitsrechtliche Implementierung durch Tarifverträge ist bis jetzt noch nicht praxisrelevant.[2] Die Entscheidung zwischen den verschiedenen Instrumenten muss der Arbeitgeber einzelfallbezogen treffen. Jedes Instrument hat Vor- und Nachteile. Individuelle Vertragsgestaltungen z. B. erlauben eine differenziertere Handhabung, sind aber nicht ohne Weiteres abänderbar. Betriebsvereinbarungen vereinfachen die Einführung und Abänderbarkeit, sind jedoch kaum individualisierbar. Ferner unterliegt jedes Instrument unterschiedlichen Wirksamkeitsanforderungen. Arbeitsvertragliche Regelungen z. B. müssen sich regelmäßig am strengen Maßstab der gesetzlichen Regelungen zur AGB-Kontrolle[3] messen lassen.[4] Betriebsvereinbarungen hingegen unterliegen weniger strengen Schranken, haben jedoch eine wirksame Einigung der Betriebsparteien zur Voraussetzung.[5]

Zur nachhaltigen Implementierung einer Compliance-Organisation sind regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter unerlässlich. Bei der Einführung empfiehlt es sich, die Mitarbeiter in persönlichen Schulungen zu unterweisen und nicht lediglich durch E-Learning-Programme oder Mails. Die Mitarbeiter haben die Gelegenheit, Nachfragen zu stellen, so ist erfahrungsgemäß die Akzeptanz der Regelungen höher. Laufende Nachschulungen sind sinnvoll, um den Wissensstand der Mitarbeiter zu erhalten und zu vertiefen.[6] Im AGG gibt es sogar spezielle Schulungsvorgaben: Der Arbeitgeber ist nach § 12 Abs. 1 AGG verpflichtet, vorbeugend Diskriminierungen zu verhindern. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG gilt die Durchführung einer (geeigneten und effektiven) Schulung als Erfüllung dieser Pflicht.

[1] Vgl. § 77 BetrVG,

vgl. Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, 2009, S. 11; Mengel/Hagemeister, BB 2007, S. 1386, 1387 ff.

[2] Borgmann, NZA 2003, S. 352, 353 f.
[4] Vgl. ErfK-Preis, 21. Aufl. 2021, § 611 BGB, Rz. 3; Schreiber, NZA-RR 2010, S. 617, 623.
[5] §§ 75 ff. BetrVG,

vgl. HWK-Gaul, 9. Aufl. 2020, § 77 BetrVG, Rz. 10.

[6] Vgl. nur Klahold/Lochen in Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016, S. 1205 f; Moosmayer, Compliance, 3. Aufl. 2015, D Rz. 175 ff.

1.1.1 Ausübung des Direktionsrechts

Das erste wichtige Instrument zur Implementierung von Compliance-Regeln ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Das Direktionsrecht erstreckt sich außerdem gemäß § 106 Satz 2 GewO auf die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Letztlich ermöglicht das Direktionsrecht dem Arbeitgeber, die Arbeitspflichten der Arbeitnehmer näher zu konkretisieren.[1] Das Direktionsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das sich nicht in der einmaligen Ausübung konkretisiert und erschöpft, sondern immer wieder ausgeübt werden kann. Es konkretisiert oder ändert die Arbeitspflicht, ohne dass es einer Zustimmung der Arbeitnehmer bedarf. Unerheblich ist, in welcher Form es ausgeübt wird. In Betracht kommen neben der konkreten mündlichen Anweisung gegenüber einem Arbeitnehmer auch ein Aushang am Schwarzen Brett, die Einstellung in das Intranet oder aber eine E-Mail an alle Arbeitnehmer.[2]

Da das Direktionsrecht bereits bestehende arbeitsvertragliche Pflichten lediglich konkretisiert und gerade nicht den Pflichtenkreis der Arbeitnehmer erweitern kann, vermittelt es nur einen geringen Gestaltungsspielraum für den Arbeitgeber. Der Gestaltungsspielraum ist darüber hinaus durch die gesetzlichen Begrenzungen des Direktionsrechts eingeschränkt. Es kann nur ausgeübt werden, wenn der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, der Tarifvertrag oder gesetzliche Bestimmungen nicht eine andere Regelung treffen. Der Arbeitgeber hat zusätzlich nach § 106 GewO, § 315 BGB die Grenzen des billigen Ermessens bei der Ausübung des Direktionsrechts zu beachten. Dabei müssen die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.[3] Im Rahmen dieser Abwägung spricht zugunsten des Arbeitgebers regelmäßig seine Verpflichtung zur Einführung von Compliance-Regelungen.[4] Aufseiten des...

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