Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte, Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das Bundesversicherungsamt - BVA - die von der Vertreterversammlung der klagenden Ersatzkasse beschlossene Beitragserhöhung genehmigen mußte.

Die Vertreterversammlung der Klägerin beschloß am 29. November 1980 durch Änderung ihrer Versicherungsbedingungen, mit Wirkung ab 1. Januar 1981 den allgemeinen Beitragssatz von 11% auf 11,7% und den ermäßigten Beitragssatz von 10,4% auf 11% zu erhöhen. Die beklagte Bundesrepublik, vertreten durch das BVA, lehnte es mit Bescheid vom 9. Dezember 1980 ab, diese Änderung zu genehmigen. Die wirtschaftliche Lage der Kasse verlange die Beitragserhöhung nicht. Sie habe eine Betriebsmittelreserve von 1 1/2 einer durchschnittlichen Monatsausgabe für erforderlich gehalten, obwohl § 364 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 509 RVO dafür nur die Hälfte einer Monatsausgabe zulasse; die jeweils laufenden Monatseinnahmen seien Teil der Betriebsmittel.

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat den Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 1980 aufgehoben und "festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet war", die beantragte Genehmigung zu erteilen. Nach dem klaren Wortlaut des § 364 Abs. 2 RVO (i.V.m. § 509 RVO) sei die Klägerin befugt, eine und eine halbe Monatsausgabe als Betriebsmittel neben den laufenden Einnahmen bereitzuhalten (Urteil vom 6. Juli 1981).

Die Beklagte hat mit schriftlicher Zustimmung der Klägerin die vom SG nachträglich zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 364 Abs. 2 RVO i.V.m. § 509 RVO sowie des § 81 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4).

Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Juli 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.

Das BVA hat es zu Recht abgelehnt, die Beitragserhöhung zu genehmigen.

Die Beitragserhöhung ist genehmigungsbedürftig. Eine Beitragserhöhung ist bei Ersatzkassen durch Änderung der Versicherungsbedingungen zu beschließen; solche Änderungen werden als Teil des "Geschäftsplans" erst mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde wirksam (vgl. Art. 2 § 2 der 12. Aufbauverordnung mit den einschlägigen Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes - VAG -). Aufsichtsbehörde ist das BVA (§ 90 Abs. 1 SGB 4).

Die Beitragserhöhung ist nicht genehmigungsfähig, weil durch den ihr zugrundeliegenden Haushaltsplan § 364 Abs. 2 RVO (i.V.m. § 509 RVO) verletzt worden ist (§§ 5, 8 und 13 VAG, das auch insoweit über Art. 2 § 2 der 12. Aufbauverordnung anwendbar ist). Da der Haushaltsplan als solcher nicht genehmigungsbedürftig ist (§ 70 Abs. 2 und 5 SGB 4), kann die Rechtsverletzung noch im Verfahren über die Genehmigung der Beitragserhöhung geltend gemacht werden. Die hierfür allein maßgebliche Klageart ist die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Insoweit kann die Verpflichtung - nicht lediglich die Feststellung der Verpflichtung, wie dies das SG angenommen hat, - zur Genehmigung ausgesprochen werden.

Der Haushaltsplan darf grundsätzlich nur die Hälfte und nicht das 1 1/2-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe für Krankenversicherungsleistungen und Verwaltungskosten bereithalten. Das folgt aus §§ 363 ff. RVO (i.V.m. § 509 RVO) und § 81 SGB 4.

Nach § 364 Abs. 2 Satz 1 RVO sollen die Betriebsmittel im Durchschnitt des Haushaltsjahres monatlich das 1 1/2-fache des nach dem Haushaltsplan der Krankenkasse auf einen Monat entfallenden Betrages der in Abs. 1 Nr. 1 genannten Aufwendungen nicht übersteigen. Die hier erwähnten Aufwendungen sind die Mittel für die gesetzlich oder durch die Satzung vorgesehenen Aufgaben, für besondere und allgemeine Krankheitsverhütung sowie für die Verwaltungskosten.

Dem SG ist zuzugeben, daß der Wortlaut des § 364 Abs. 2 RVO zunächst zu der Meinung Anlaß geben kann, die Kasse dürfe ständig neben den laufenden monatlichen Einnahmen eine Summe bereithalten, die einer und einer halben Monatseinnahme entspricht. Dies wird aber schon durch den Begriff der Betriebsmittel nach § 81 SGB 4 widerlegt. Danach haben die Versicherungsträger nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige "kurzfristig verfügbare Mittel zur Bestreitung ihrer laufenden Ausgaben sowie zum Ausgleich von Einnahme- und Ausgabeschwankungen (Betriebsmittel) bereitzuhalten". Das hier verwendete Wort "bereithalten" deutet zwar zunächst darauf hin, daß nicht die laufenden Einnahmen gemeint sind, die ja sofort wieder ausgegeben werden. Aus der Begriffsbestimmung als solcher folgt aber, daß zu den Betriebsmitteln auch die Mittel zum Bestreiten der laufenden Aufwendungen gehören. Die Mittel, die nötig sind, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten, sind bei den Krankenkassen die laufenden Einnahmen, im wesentlichen die Beiträge.

Daß zu den Betriebsmitteln i.S. des § 364 Abs. 2 RVO die laufenden Einnahmen gehören, ist auch aus § 363 RVO zu entnehmen, der bestimmt, was zu den Mitteln der Krankenkassen gehört: "Die Betriebsmittel, die Rücklage, und das Verwaltungsvermögen". Die Betriebsmittel umfassen also die laufenden Einnahmen und die "Betriebsmittelreserve". Wenn in § 364 RVO von Betriebsmitteln die Rede ist, sind diese, Mittel insgesamt gemeint. Sie schließen die Mittel zur Bestreitung der laufenden Ausgaben sowie die Mittel zum Ausgleich von Einnahme- und Ausgabeschwankungen ein. Daher ist es einleuchtend, wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs zu der Neufassung des § 364 Abs. 2 RVO durch das Gesetz über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung vom 15. Dezember 1979 (BGBl. I, 2241) gesagt wird: "Die durchschnittlichen monatlichen Einnahmen und die Betriebsmittelreserve sollen insgesamt nicht mehr als das 1 1/2-fache der nach dem Haushaltsplan monatlich anfallenden Ausgaben betragen" (BT-Drucks. 8/3126, S. 11).

Die laufenden Einnahmen sind keine "durchlaufenden Gelder" nach § 364 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RVO, die nicht zu den Betriebsmitteln gehören. Sie sind vielmehr als Betriebsmittel zu verbuchen. Es gilt mit anderen Worten (Steffens DOK 1980, 109) das Bruttoprinzip und nicht das Saldierungsprinzip: Zu Beginn eines Monats, zu einem Zeitpunkt, zu dem im Idealfall die Einnahmen des Vormonats vollständig ausgegeben sind und für den beginnenden Monat noch keine Einnahmen eingegangen sind, darf nach der Sollvorschrift des § 364 Abs. 2 RVO nur eine halbe Monatseinnahme, die im Idealfall einer halben Monatsausgabe entspricht, vorhanden sein.

Die Betriebsmittel dürfen nach § 364 Abs. 2 RVO größer sein als die vorauszuschätzenden Aufwendungen, weil sie auch für nicht vorauszuschätzende Aufwendungen reichen sollen. Die Höhe der Betriebsmittel richtet sich daher nach den mit größerer Sicherheit vorauszuschätzenden Einnahmen. Die Betriebsmittel sollen einschließlich dieser vorauszuschätzenden Einnahmen, die ihrerseits an den vorauszuschätzenden Aufwendungen gemessen werden (vgl. § 514 Abs. 3a RVO und § 24 VAG i.V.m. Art. 2 § 2 der 12. Aufbauverordnung) im Durchschnitt des Haushaltsjahres das 1 1/2-fache einer Monatseinnahme nicht übersteigen. Die Betriebsmittelreserve darf daher höchstens das 1/2-fache einer Monatseinnahme betragen. Da die Klägerin bisher vorgetragen hat, nur durch die angestrebte Aufstockung der Betriebsmittelreserve auf das 1 1/2-fache einer Monatseinnahme zur Beitragserhöhung veranlaßt gewesen zu sein, hat die Beklagte die Genehmigung zu Recht versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518343

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