Leitsatz (amtlich)

1. Der Pauschbetrag von 0,36 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG) gilt zwei Fahrten (eine Hinfahrt und eine Rückfahrt) täglich ab. Legt ein Arbeitnehmer nur eine Fahrt zurück, so kann er nur 0,18 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten abziehen.

2. Fährt ein Ehemann seine Ehefrau, die am selben Ort, aber nur halbtags arbeitet, mittags mit dem eigenen Kraftfahrzeug zur Wohnung und kehrt anschließend mit dem Wagen wieder zu seiner Arbeitsstätte zurück, so ist nur der Teil der Fahrt durch den Beruf der Ehefrau veranlaßt, bei dem sie selbst mitfährt.

 

Normenkette

EStG 1975 § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann sind beide berufstätig. Sie fahren morgens gemeinsam mit ihrem Pkw zu ihren nahe beieinander liegenden Arbeitsstätten. Da die Klägerin nur halbtags arbeitet, bringt der Ehemann sie mittags mit dem Pkw nach Hause und fährt anschließend wieder zu seiner Arbeitsstätte zurück.

Im Lohnsteuerermäßigungsantrag 1975 machten sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von jeweils 2 152 DM geltend. Sie hatten die Kosten gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag ermittelt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte zunächst nur die Fahrtkosten des Ehemannes in der beantragten Höhe und trug einen entsprechenden Freibetrag auf dessen Lohnsteuerkarte ein. In der Einspruchsentscheidung erkannte es bei der Klägerin für die mittägliche Heimfahrt Fahrtkosten mit einem Pauschsatz von 0,18 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag an.

Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 279 (EFG 1976, 279) veröffentlicht ist, wies die Klage, mit der die Klägerin den Abzug der Fahrtkosten mit einem Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungskilometer begehrte, ab. Es führte aus:

Benutze ein Arbeitnehmer das eigene Kraftfahrzeug entweder nur für die Hinfahrt zur Arbeitsstätte oder nur zur Rückfahrt von der Arbeitsstätte, so sei nach Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur der halbe Pauschbetrag in Höhe von 0,18 DM anzusetzen. Da der Ehemann für die morgendlichen gemeinsamen Fahrten den Pauschbetrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG beansprucht habe, könne die Klägerin für diese Fahrten keine Aufwendungen mehr geltend machen. Die für die Rückfahrten des Ehemannes in der Mittagspause entstehenden Aufwendungen gehörten zu dessen nichtabsetzbaren Kosten der privaten Lebensführung. Nur für die Mittagsheimfahrten seien ihr eigene Werbungskosten entstanden. Daher habe das FA bei der Klägerin zu Recht nur den halben Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Sie führt aus, nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei die Gewährung des Pauschbetrages von 0,36 DM je Entfernungskilometer lediglich davon abhängig, daß das eigene Kraftfahrzeug zur Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück tatsächlich benutzt werde. Einen Pauschbetrag von 0,18 DM kenne das Gesetz nicht. Auch seien die Kosten der Rückfahrt des Ehemannes am Mittag durch das Arbeitsverhältnis der Ehegatten bedingt, da der Ehemann mittags nicht zur Einnahme des Mittagessens in die Wohnung gefahren sei, sondern allein deshalb, weil keine andere Möglichkeit bestanden habe, sie von ihrer Arbeitsstätte in die Wohnung zu bringen. Die Fahrtkosten könnten nur dann ihrer Natur nach zu den Lebenshaltungskosten zu rechnen sein, wenn sie verpflichtet gewesen wäre, die Rückfahrt in ihre Wohnung zu Mittag mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen. Daher stehe ihr der Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG in voller Höhe zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Werbungskosten. Benutzt der Arbeitnehmer für diese Fahrten das eigene Kraftfahrzeug, so kann er die entstandenen Fahrtkosten jedoch nur in Höhe eines gesetzlich bestimmten Kilometerpauschbetrages als Werbungskosten absetzen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Für jeden Tag, an dem der Arbeitnehmer mit dem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeit fährt, wird nur ein Betrag von 0,36 DM je Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, anerkannt.

Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG besagt zwar nicht ausdrücklich, daß die Gewährung des Pauschbetrages von 0,36 DM davon abhängt, daß der Arbeitnehmer täglich sowohl von der Wohnung zur Arbeitsstätte als auch von dort wieder nach Hause zurück mit dem eigenen Kraftfahrzeug fährt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift kann dem Arbeitnehmer der volle Pauschbetrag von 0,36 DM aber nicht zuerkannt werden, wenn er sein Kraftfahrzeug täglich nur für die Hin- oder Rückfahrt benutzt. Denn eine Hin- und eine Rückfahrt sind bei der Bemessung des Pauschbetrages offensichtlich vorausgesetzt worden.

§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG regelt typisierend und vereinfachend die Höhe der absetzbaren Aufwendungen für Fahrten zwsichen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Pauschbeträge sollten ursprünglich nur den FÄ die Ermittlung der im Einzelfall tatsächlich erwachsenen Kosten ersparen. Mit der Änderung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1966 vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) durch Herabsetzung der Pauschbeträge kam ein weiterer Zweck hinzu: Durch die Kürzung der Pauschbeträge, für die nach den Gesetzesmaterialien in erster Linie allgemeine verkehrspolitische Erwägungen maßgebend waren (vgl. Bundestags-Drucksachen V/1068, S. 23, IV/2661, S. 87 f.), sollte der durch die Pauschbeträge eintretende Anreiz, für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein eigenes Kraftfahrzeug zu benutzen, eingeschränkt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1974 VI R 189/72, BFHE 114, 482, BStBl II 1975, 354).

Bei der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG ging der Gesetzgeber vom Normalfall aus, daß dem Arbeitnehmer täglich Aufwendungen für zwei beruflich veranlaßte Fahrten, für die Hinfahrt zur Arbeitsstätte und für die Rückfahrt von der Arbeitsstätte, entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1971 VI R 12/70, BFHE 104, 238). Diese beiden Fahrten gilt der Pauschbetrag von 0,36 DM ab. Nur zur Vereinfachung der Ermittlung werden die Pauschbeträge nicht auf die tatsächlich auf der Hin- und Rückfahrt gefahrenen Kilometer angewendet, sondern auf die Entfernung der kürzesten benutzbaren Straßenverbindung von der Wohnung zur Arbeitsstätte (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1967 VI R 308/66, BFHE 89, 189, BStBl III 1967, 571). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen aber im Ergebnis nur 0,18 DM je gefahrenen Kilometer als Werbungskosten berücksichtigt werden. Der Zweck des Gesetzes, eine gleichmäßige - gleichmäßig eingeschränkte - Berücksichtigung der Kraftfahrzeugkosten von Arbeitnehmern bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erzielen, wird nur dann erreicht, wenn alle wirtschaftlich vergleichbaren Fälle gleichbehandelt werden (BFH-Urteil VI R 189/72). Daher kann der Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, der nach der Vorstellung des Gesetzgebers zwei Fahrten täglich abgelten soll, nicht gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer nur eine Fahrt täglich unternimmt. Könnte der nur eine einfache Fahrt ausführende Arbeitnehmer den Betrag von 0,36 DM je gefahrenen Kilometer, der über dem die tatsächlichen Kosten abgeltenden Pauschbetrag für Dienstreisen liegt, absetzen, so würde - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - der verkehrspolitische Zweck des Gesetzes, die Steuerpflichtigen zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel durch Beschränkung des Fahrtkostenabzuges auf einen unter der Kostendeckung liegenden Betrag zu veranlassen, für diese Sonderfälle ohne zwingenden Grund in sein Gegenteil verkehrt.

Zu Recht hat das FG daher der Klägerin nur einen Pauschbetrag in Höhe von 0,18 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag zugebilligt. Denn die Klägerin kann täglich nur für eine Fahrt, nämlich die mittägliche Heimfahrt, Werbungskosten abziehen. Die gemeinsame Fahrt mit dem Ehemann am Morgen kann nicht bei den Werbungskosten der Klägerin berücksichtigt werden, da der Ehemann für diese Fahrt den Pauschbetrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG beansprucht hat. Ehegatten können zwar - unabhängig davon, in wessen Eigentum das Kraftfahrzeug steht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1973 VI R 211/70, BFHE 111, 299, BStBl II 1974, 318) - jeweils die Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG absetzen. Das gilt jedoch nur, wenn die Eheleute das Kraftfahrzeug getrennt benutzen. Fahren sie damit gemeinsam zu ihren Arbeitsstätten, so können die Pauschbeträge insgesamt nur einmal gewährt werden, da auch nur einmal Kosten anfallen (Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" Anm. 5 c; Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 28. November 1974 III 113/71, EFG 1975, 418).

Die Aufwendungen, die dem Ehemann durch die Rückfahrt am Mittag zu seiner Arbeitsstätte erwachsen, hat das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats nicht als Werbungskosten der Klägerin, sondern als nichtabsetzbare Kosten der Lebensführung behandelt. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist in Fällen, in denen der Arbeitnehmer von einem Angehörigen von der Wohnung zur Arbeitsstätte oder von dort nach Hause gebracht wird, grundsätzlich nur für die Fahrt gegeben, bei der der Arbeitnehmer selbst mitfährt (BFH-Urteil VI R 211/70). Die Aufwendungen für die Rückfahrt sind bedingt durch die von den Ehegatten gewählte besondere Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, die dem Privatbereich zuzuordnen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72866

BStBl II 1978, 661

BFHE 1979, 561

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