Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Fähigkeit eines volljährigen behinderten Kindes, welches das 27. Lebensjahr vollendet hat, sich selbst zu unterhalten. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind, welches das 27. Lebensjahr vollendet hat, behinderungsbedingt außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist auf den Kalendermonat abzustellen.

2. Sonderzuwendungen, Gratifikationen usw., die in größeren als monatlichen Zeitabständen gewährt werden, sowie einmalige Einnahmen sind von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; soweit im Einzelfall keine andere Regelung angezeigt ist, sind sie auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

3. Jährlich anfallende Einnahmen ―wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld usw.― sind auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden elf Monate aufzuteilen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3; EStG 1990 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3; EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 17.11.2000; Aktenzeichen 8 K 6652/98 Kg; EFG 2003, 472)

 

Tatbestand

I. Die Revisionskläger sind Rechtsnachfolger des im Jahre 2002 verstorbenen A. Dieser bezog Kindergeld für seinen 1970 geborenen Sohn M. M ist zu 70 v.H. behindert; die Behinderung resultiert aus einem Verkehrsunfall, der zu cerebralen Bewegungsstörungen und zu einem hirnorganischen Psychosyndrom führte. Vom 1. August 1994 bis zum 9. Juni 1997 absolvierte M eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Die Ausbildungsvergütung betrug ab 1. Januar 1996 monatlich 1 167,11 DM und erhöhte sich ab 1. August 1996 auf monatlich 1 243,83 DM; daneben erhielt M 1996 als Sonderzuwendung Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 1 656,94 DM. Nach Beendigung der Ausbildung erhielt M Arbeitslosenbezüge in Höhe von 660 DM.

Mit Bescheid vom 23. März 1998 hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 auf, da der Jahresgrenzbetrag überschritten sei und die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht gegeben seien, und forderte das von Januar 1996 bis einschließlich November 1997 überzahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 4 820 DM zurück. Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage machte A u.a. geltend, die Rückforderung des gezahlten Kindergeldes gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) sei rechtswidrig.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 472 veröffentlichten Urteil vom 17. November 2000 als unbegründet ab. Es entschied, die für die Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes erheblichen Verhältnisse hätten sich mit Beginn der Ausbildung des M geändert. Da die Einkünfte und Bezüge des M höher seien als der Jahresgrenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, habe der Beklagte die Kindergeldfestsetzung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufheben und das überzahlte Kindergeld zurückfordern müssen.

Mit der Revision rügen die Revisionskläger die fehlerhafte Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 EStG. Das FG habe den Lebensbedarf des M mit dem Grundbedarf eines jeden Kindes von 12 000 DM für die Jahre 1996 und 1997 angenommen. Dabei habe es den individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf des M außer Acht gelassen. Wenn man angesichts der Behinderung von 70 v.H. als behinderungsbedingten Mehrbedarf den Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe vom 1 740 DM ansetze, werde der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten. Im Übrigen komme es bei volljährigen behinderten Kindern nicht darauf an, ob diese das 27. Lebensjahr vollendet hätten, denn § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sei eine selbständige Tatbestandsvoraussetzung für volljährige behinderte Kinder.

Die Revisionskläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum von Januar 1996 bis November 1997 in Höhe von 4 820 DM in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er macht geltend, 1996 seien die Einkünfte des M so hoch gewesen, dass auch unter Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehraufwandes der Jahresgrenzbetrag überschritten werde. Für 1997 bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, da M zwar behindert, nicht aber aufgrund seiner Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Denn die Arbeitslosigkeit des M sei nicht auf dessen Behinderung, sondern auf die ungünstige Arbeitsmarktlage zurückzuführen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Insoweit handelt es sich um einen eigenständigen Kindergeldtatbestand (vgl. Greite, Kommentar in Finanz-Rundschau 2002, 687, zum Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. Dezember 2001 VI B 178/01, BFHE 197, 472, BStBl II 2002, 486), für den, ―entgegen der Auffassung des FG― die Einschränkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, nach der das Überschreiten des Jahresgrenzbetrages den Kindergeldanspruch ausschließt, anders als für die Kindergeldtatbestände gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG, keine Geltung hat.

a) Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Durch die Verweisung in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG hat der Gesetzgeber aber klargestellt, dass der steuerrechtliche Begriff des Außerstandeseins zum Selbstunterhalt seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 auch im Kindergeldrecht anzuwenden und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Bundeskindergeldgesetz in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung (BKGG a.F.), das für das Kindergeld und für den Kinderfreibetrag eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung zugrunde gelegt hat (vgl. BSG-Urteil vom 3. Dezember 1996 10 RKg 12/95, SozR 3-5870 § 11a BKGG Nr. 10), kann daher nicht zurückgegriffen werden. Denn das Kindergeld dient seit dem 1. Januar 1996 ―ebenso wie der Kinderfreibetrag― in erster Linie der steuerrechtlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Dies ist der Fall, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind über keine anderen Einkünfte und Bezüge verfügt (BFH-Urteile vom 12. November 1996 III R 53/95, BFH/NV 1997, 343, und vom 14. Juni 1996 III R 13/94, BFHE 181, 128, BStBl II 1997, 173).

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG stellt nicht allein darauf ab, dass ein Kind körperlich, geistig oder seelisch behindert ist; vielmehr muss es wegen seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ist das Kind trotz seiner Behinderung (z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge) in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu. Nur diese Auslegung entspricht dem gesetzgeberischen Willen, bei hinreichender Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes kein Kindergeld bzw. keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72).

c) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein behindertes Kind dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, und vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist folglich anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits, zu prüfen. Erst wenn sich daraus eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes ergibt, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerrechtliche Leistungsfähigkeit mindert (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 67, BStBl II 1990, 653, 658). Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld und keinen Kinderfreibetrag zu gewähren.

Wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 dargelegt hat, setzt sich der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kindes typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Für die Jahre 1996 und 1997 ist der Grundbedarf mit 12 000 DM zu bemessen (BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, und in BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75; zur allgemeinen Bemessung dieses am Existenzminimum orientierten Betrages nach dem im Sozialhilferecht jeweils anerkannten Mindestbedarf vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182, 191, zu C.II.). Hinzu kommt ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand, den gesunde Kinder nicht haben. Erbringt der Steuerpflichtige insoweit keinen Einzelnachweis, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen (vgl. Senatsurteile vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88; VIII R 51/01, BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91).

d) Wie der Senat mit Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02 (BFHE 204, 120) entschieden hat, ist die in diesem Zusammenhang anzustellende Berechnung nach dem Monatsprinzip vorzunehmen. Zum einen wird die für behinderte Kinder maßgebliche Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG von der Jahresgrenzbetragsregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ―anders als die Nr. 1 und 2 des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG― nicht erfasst, und auch die Gesetzesmaterialien zu § 32 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber solches beabsichtigt hätte (vgl. BTDrucks 13/1558, S. 139, 155, zu § 32 Abs. 4 EStG 1996). Zum anderen ist das Kindergeld in §§ 66 Abs. 1, 71 EStG als ein Monatsbetrag bezeichnet und wird nach § 66 Abs. 2 EStG vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Außerdem wird ein Kind nach § 32 Abs. 3 EStG in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt. Entfällt für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 32 Abs. 4 EStG), die Berücksichtigungsfähigkeit im Laufe eines Monats, so wird es für den jeweils angebrochenen Monat voll berücksichtigt (BFH-Urteil vom 1. März 2000 VI R 162/98, BFHE 191, 55, BStBl II 2000, 459). Der erkennende Senat hat daraus den Schluss gezogen, der Gesetzgeber habe ―soweit er nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet hat (vgl. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG)― das für die Einkommensteuer grundsätzlich maßgebliche Jahressteuerprinzip für den Kinderfreibetrag und das Kindergeld durchbrochen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593), so dass auf das Monatsprinzip abzustellen ist.

e) Das ändert aber nichts daran, dass eine Jahresberechnung bei gleichbleibenden monatlichen Einnahmen und einem monatlich gleichbleibenden behinderungsbedingten Mehraufwand während des gesamten Kalenderjahres zu dem selben Ergebnis führt wie eine Monatsberechnung.

Anders beurteilt sich die Lage indes, wenn das volljährige behinderte Kind Sonderzahlungen erhält, die ―wie z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld usw.― nicht in jedem Monat, sondern unregelmäßig anfallen. Der Senat hat zwar mit dem Urteil in BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91 entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind, welches das 27. Lebensjahr vollendet hat, außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG), dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen ist. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass bei unregelmäßig anfallenden Einnahmen, wie z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, der am Ende des Monats des Zuflusses nach Abzug des Gesamtbedarfs einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs noch nicht verbrauchte Betrag zu Beginn des Folgemonats in Vermögen umgewandelt wird und damit bei der Prüfung der Fähigkeit zum Selbstunterhalt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Denn ein Einnahmeüberhang aus dem Vormonat steht auch im Folgemonat noch zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Zudem geht auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bei der Einkommensermittlung nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) davon aus, dass Mittel, die ein Hilfesuchender in der Bedarfszeit erhält, in der Bedarfszeit als Einkommen zufließen, wobei abweichend vom tatsächlichen Zufluss rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt werden kann (sog. normativer Zufluss, vgl. BVerwG-Urteil vom 18. Februar 1999 5 C 35.97, BVerwGE 108, 296). Danach sind z.B. Sonderzuwendungen, Gratifikationen usw. die in größeren als monatlichen Zeitabständen gewährt werden, sowie einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; soweit im Einzelfall keine andere Regelung angezeigt ist, sind sie auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen (vgl. BVerwG in BVerwGE 108, 296; Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 1999, § 76 Rdnr. 5, m.w.N.; in diesem Sinne auch Zeitler in Mergler/Zink, Bundessozialhilfegesetz, 4. Aufl., § 76 Rn. 25). Auch das BSG ist in seinem Urteil vom 9. August 2001 B 11 AL 15/01 R (BSGE 88, 258) vom sog. normativen Zuflussprinzip ausgegangen und hat für während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe jährlich wiederkehrend gezahlte Zinsen entschieden, dass diese als Einkünfte anteilig bis zur nächsten Zinsausschüttung auf die Arbeitslosenhilfe anzurechnen sind.

Überträgt man die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG, sind nicht monatlich, sondern jährlich anfallende Einnahmen ―wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld usw.― nicht ausschließlich dem Monat des Zuflusses zuzuordnen, sondern auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden elf Monate aufzuteilen. Demgemäß ist ein 1995 gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch für 1996 zu berücksichtigen und sind die 1996 geleisteten Sonderzahlungen bei der Prüfung der Fähigkeit des M zum Selbstunterhalt im Jahr 1997 einzubeziehen.

2. Das FG ist bei seiner Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

Sollte das FG dabei zu dem Ergebnis kommen, dass die M zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht ausreichten, seinen gesamten existenziellen Lebensbedarf zu decken, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur bestehen kann, wenn M sich aufgrund seiner Behinderung nicht selbst unterhalten konnte, d.h. die Behinderung des M für dessen Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ursächlich war. Nach den bisherigen vom FG getroffenen Feststellungen kann diese Frage nicht abschließend beurteilt werden, denn das FG hat keine konkreten und nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, welches Ausmaß die Behinderung des M im Einzelnen hat und ob deren Auswirkungen so gravierend sind, dass M gerade deshalb außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1243096

BFH/NV 2004, 1717

BStBl II 2007, 248

BFHE 2005, 244

BFHE 207, 244

BB 2004, 2397

DB 2004, 2350

DStRE 2004, 1335

DStZ 2004, 773

HFR 2005, 41

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