Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verlängerung der Dreimonatsfrist bei Dienstreisen durch vorübergehende Rückkehr in den Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Die Unterbrechung einer Dienstreise durch vorübergehende Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb führt nicht zu einer Verlängerung der Dreimonatsfrist des Abschn.25 Abs.3 LStR 1987.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1987 Abschn. 25 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Angestellter in einem Schwimmbad beschäftigt. In den Jahren 1988 und 1989 ließ er sich in einer anderen Stadt zum geprüften Schwimmmeister ausbilden. Der Lehrgang wurde als Einheit angeboten und in Rechnung gestellt; er umfaßte folgende Zeitabschnitte:

10. Oktober bis 3. November 1988 berufs- und arbeitspädagogischer

Teil mit Prüfung;

14. November bis 16. Dezember 1988 fachtheoretischer,

fachpraktischer, rechts- und

verwaltungskundlicher Teil;

9. Januar bis 28. Februar 1989 fachtheoretischer,

fachpraktischer, rechts- und

verwaltungskundlicher Teil

mit Prüfung;

19. Mai 1989 Verleihung des Meisterbriefes.

Zwischen den einzelnen Lehrgangsabschnitten war der Kläger jeweils an seiner regelmäßigen Arbeitsstätte tätig.

In der Einkommensteuererklärung 1989 machte der Kläger Aufwendungen für den Lehrgang (Verpflegungs-, Unterkunfts- und Fahrtkosten) nach Dienstreisegrundsätzen in Höhe von insgesamt 8 320 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah eine Dienstreise nur während der ersten drei Monate der Auswärtstätigkeit als gegeben an. Diese Frist habe im Streitfall am 8. Januar 1989 geendet. Für die Zeit danach seien die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung anzuwenden. Verpflegungsmehraufwendungen seien ohne Nachweis mit 16 DM täglich anzusetzen; die Unterkunftskosten seien mangels Nachweises zu schätzen. Die Fahrt zur Entgegennahme des Meisterbriefes wurde als neue Dienstreise behandelt. Nach Abzug eines bisher unberücksichtigten Zuschusses des Arbeitsamtes erkannte das FA 3 407 DM als Werbungskosten an.

Die Klage, zu deren Begründung der Kläger sich darauf berief, mit jedem Lehrgangsabschnitt habe eine neue Dienstreise begonnen, hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus:

Die Lehrgangszeiten bis zum 9. Februar 1989 stellten eine Dienstreise dar. Entgegen der Auffassung des Klägers habe die Dreimonatsfrist des Abschn.25 Abs.3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1987 nicht für jeden Lehrgangsabschnitt neu zu laufen begonnen. Andererseits führten die Unterbrechungen des Lehrgangs vom 4. bis 13. November 1988 und vom 17. Dezember 1988 bis zum 8. Januar 1989 dazu, daß sich die Dreimonatsfrist bis zum 9. Februar 1989 verlängere.

Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Abschn.25 Abs.3 Satz 1 LStR 1987. Denn die Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte sei nicht "diese Tätigkeit" am auswärtigen Beschäftigungsort. Aus Abschn.25 Abs.3 Nr.1 Satz 2 LStR 1987, wonach in anderen Fällen als Krankheit oder Urlaub die Dreimonatsfrist erst bei einer Unterbrechung von mindestens vier Wochen neu zu laufen beginne, folge nichts anderes. Die Vorschrift regele nur eine von drei möglichen Rechtsfolgen der Tätigkeitsunterbrechung, nämlich den Neubeginn der Dreimonatsfrist. Sie lasse die Möglichkeit unberührt, daß sich bei einer Unterbrechung von weniger als vier Wochen durch Rückkehr an die regelmäßige Arbeitsstätte die Dreimonatsfrist um den Zeitraum der Unterbrechung verlängere. Damit stehe in Einklang, daß eine Verlängerung des Dreimonatszeitraums lediglich bei einer Unterbrechung durch Urlaub oder Krankheit ausgeschlossen sei. Das Ergebnis entspreche auch dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da sonst Steuerpflichtige mit dreimonatiger Auswärtstätigkeit unterschiedliche Werbungskostenpauschalen erhielten, je nachdem ob sie die auswärtige Tätigkeit in einem Zuge oder mit Unterbrechungen durchführten.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es führt aus, bei der --vom Bundesfinanzhof (BFH) gebilligten-- Dreimonatsfrist handele es sich um eine Typisierung zum Zwecke der Gleichbehandlung und Verwaltungsvereinfachung. Die LStR träfen nur insofern eine Unterscheidung, als in bestimmten Fällen eine neue Dreimonatsfrist beginne, aber generell eine Verlängerung nicht in Betracht komme.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG der Klage stattgegeben habe, und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe der Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger mit seiner Teilnahme an dem beruflichen Lehrgang eine Dienstreise durchgeführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 180/88, BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863; Abschn.25 Abs.2 Satz 1 LStR 1987) und daß die einzelnen Ausbildungsabschnitte nicht jeweils eigene Dienstreisen bildeten. Es liegt noch dieselbe und nicht bereits eine neue Dienstreise vor, wenn der Arbeitnehmer nach einer Unterbrechung die Auswärtstätigkeit mit gleichem Inhalt, am gleichen Ort und im zeitlichen Zusammenhang mit der bisherigen Tätigkeit ausübt. Diese Merkmale sind im Streitfall gegeben, da der Lehrgang am selben Ort stattfand und es sich um eine einheitliche Fortbildungsmaßnahme handelte; hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs bestehen keine Bedenken, die typisierende Regelung der LStR heranzuziehen, wonach erst bei einer zwischenzeitlichen Tätigkeit am Betriebssitz von mindestens vier Wochen eine neue Dienstreise anfängt.

b) Die durch eine Dienstreise veranlaßten Aufwendungen des Arbeitnehmers stellen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar, wobei die Finanzverwaltung Mehraufwendungen für Verpflegung mit pauschalen Beträgen ohne Einzelnachweis zum Abzug zuläßt (Abschn.25 Abs.6 und Abs.9 Nr.2 LStR 1987). Der Ansatz von Werbungskosten nach Dienstreisegrundsätzen ist allerdings auf die ersten drei Monate der vorübergehenden Auswärtstätigkeit beschränkt, da typisierend angenommen wird, daß nach Ablauf dieser Zeit die auswärtige Tätigkeitsstätte zur regelmäßigen Arbeitsstätte geworden ist (Abschn.25 Abs.3 Sätze 1 und 2 LStR 1987). Dies ist von der Rechtsprechung bestätigt worden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863, sowie Urteil vom 10. Oktober 1994 VI R 2/92, BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137). Für den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen hat der Gesetzgeber die Dreimonatsfrist in § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.5 Satz 5 EStG in der ab 1996 geltenden Fassung übernommen.

2. Bezüglich der Dienstreise des Klägers hat das FG zu Unrecht entschieden, daß die Dreimonatsfrist sich um die Unterbrechungen des Lehrgangs verlängert habe und deshalb die Aufwendungen noch bis zum 9. Februar 1989 nach Dienstreisegrundsätzen zu berechnen seien.

a) Für Unterbrechungen einer längerfristigen Auswärtstätigkeit am selben Ort sieht die Verwaltungsanweisung des Abschn.25 Abs.3 Satz 3 Nr.1 LStR 1987 vor, daß Urlaub oder Krankheit des Arbeitnehmers auf den Ablauf der Dreimonatsfrist keinen Einfluß haben (a.a.O., Satz 1), während in anderen Fällen der Tätigkeitsunterbrechung, z.B. bei vorübergehender Rückkehr in den Betrieb --wie sie im Streitfall gegeben ist--, die Dreimonatsfrist neu zu laufen beginnt, wenn die Unterbrechung mindestens vier Wochen beträgt (a.a.O., Satz 2). Der BFH hat die Richtlinienregelung als zutreffend erachtet, wonach die Unterbrechung einer auswärtigen Tätigkeit am selben Ort durch Urlaub weder dazu führt, daß sich der Dreimonatszeitraum um die Dauer des Urlaubs verlängert, noch dazu, daß die Dreimonatsfrist an diesem Ort nach Beendigung des Urlaubs neu zu laufen beginnt (Urteil in BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863). Auch die Regelung, daß bei einer sonstigen (nicht durch Urlaub oder Krankheit veranlaßten) Unterbrechung der Auswärtstätigkeit die Dreimonatsfrist neu zu laufen beginnt, wenn die Unterbrechung mindestens vier Wochen dauert, hat der BFH bestätigt (Urteil vom 4. Mai 1990 VI R 83/86, BFH/NV 1991, 40).

b) Den vorgenannten Bestimmungen der LStR ist entgegen der Auffassung des FG nicht durch Auslegung zu entnehmen, daß im Falle einer sonstigen Unterbrechung der Auswärtstätigkeit von weniger als vier Wochen Dauer der Dreimonatszeitraum sich entsprechend verlängert. Der Wortlaut des Abschn.25 Abs.3 Satz 1 LStR 1987 läßt die von dem FA vertretene Deutung zu, daß bei einer längerfristigen Tätigkeit am selben Ort "die ersten drei Monate dieser Tätigkeit" grundsätzlich vom kalendermäßigen Beginn der Auswärtstätigkeit an gerechnet werden und Unterbrechungen der Auswärtstätigkeit nur in den besonders aufgeführten Fällen zu einer Verlängerung bzw. einem Neubeginn des Dreimonatszeitraums führen. Aus Abschn.25 Abs.3 Satz 3 Nr.1 Satz 2 LStR 1987 ist für die hier streitige Frage nichts herzuleiten, da diese Regelung im Umkehrschluß lediglich besagt, daß im Falle einer nicht krankheits- oder urlaubsbedingten Unterbrechung der Auswärtstätigkeit am selben Ort von weniger als vier Wochen der Dreimonatszeitraum für eine Dienstreise nicht neu zu laufen beginnt. Dementsprechend hat der BFH den erneuten Beginn der Dreimonatsfrist in einem Fall abgelehnt, in dem ein Finanzanwärter von einem auswärtigen Lehrgang an der Fachhochschule wegen der dortigen Ferien vorübergehend wieder den Dienst an seinem Ausbildungsfinanzamt aufgenommen hatte (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 40). Dagegen ist die Ansicht des FG, eine Verlängerung dieses Zeitraums sei nur bei Urlaub oder Krankheit ausgeschlossen und in anderen Fällen möglich, mit der typisierenden Regelung der LStR nicht zu vereinbaren.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben, soweit das FG der Klage --im Hinblick auf eine Verlängerung des für die Dienstreise des Klägers maßgeblichen Dreimonatszeitraums-- stattgegeben hat. Die Klage ist insgesamt abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66120

BFH/NV 1997, 16

BStBl II 1997, 95

BFHE 181, 161

BFHE 1997, 161

BB 1996, 2398 (Leitsatz)

BB 1996, 2662

DB 1996, 2472-2473 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 1767-1768 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1997, 378-379 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 90-91 (Leitsatz)

StE 1996, 730-731 (Kurzwiedergabe)

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