Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung Erhaltungsaufwand -- Herstellungskosten; Abschnittsbesteuerung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei Aufwendungen für eine schon vorhandene Heizungsanlage und die Erneuerung von Fenstern liegen keine Herstellungskosten, sondern Erhaltungsaufwand vor.

2. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen bei jeder Veranlagung erneut zu prüfen und zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben.

 

Normenkette

EStDV § 82a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) machten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus ihrem Mietwohnhaus erhöhte Absetzungen nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für in den Jahren 1978 und 1981 angefallene Aufwendungen für die Heizungsanlage und für eine Fenstererneuerung geltend. Das seinerzeit zuständige Finanzamt folgte dem für diese Jahre und zunächst für die Folgejahre.

Für das Streitjahr (1985) berücksichtigte das Finanzamt die erhöhten Absetzungen nicht mehr als Werbungskosten mit der Begründung, es handele sich nicht um Herstellungskosten, sondern um sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, die in den Jahren 1978 und 1981 angefallenen Aufwendungen seien zwar nicht als Herstellungs kosten, sondern als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen, da sie bereits vorhandene Einrichtungen des Ge bäudes betroffen hätten. Der Beklagte und Revisionskläger (das während des Klageverfahrens zuständig gewordene Finanzamt -- FA --) müsse aber nach Treu und Glauben die in den Vorjahren zu Unrecht gewährten erhöhten Absetzungen auch im Streitjahr abziehen.

Mit der Revision rügt das FA, das FG habe die strittigen erhöhten Absetzungen zu Unrecht nach Treu und Glauben noch im Streitjahr abgezogen. Soweit im Streitfall Billigkeitsmaßnahmen angezeigt seien, setze dies eine Abweisung der Klage voraus. Sie könnten zudem nur Erhaltungsaufwendungen betreffen, die sich 1978 und 1981 noch nicht ausgewirkt haben.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die vom FA angekündigten Billigkeitsmaßnahmen genügten nicht. Die Aufwendungen für die Fenster seien im übrigen gemäß § 82 a Abs. 3 EStDV auf zehn Jahre verteilbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Den Klägerinnen stehen die für das Streitjahr geltend gemachten erhöhten Absetzungen nicht zu.

1. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, können die erhöhten Absetzungen nicht auf § 82 a EStDV gestützt werden.

a) § 82 a Abs. 1 EStDV begünstigt nur Herstellungskosten.

Die Aufwendungen für die Heizungsanlage und die Fenster sind keine Herstellungskosten im Sinne dieser Vorschrift, sondern Erhaltungsaufwand. Durch die Baumaßnahmen wurde das Gebäude nicht wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder -- von der üblichen Modernisierung abgesehen -- über seinen bisherigen Zustand hinaus verbessert (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672; BFH-Urteil vom 24. Juli 1979 VIII R 162/78, BFHE 128, 385, BStBl II 1980, 7, betreffend die Kosten der Umstellung einer Heizung von Kohleöfen auf Zentralheizung; Senatsurteile vom 12. März 1985 IX R 50/82, BFHE 143, 273, BStBl II 1985, 398, und vom 13. August 1985 IX R 21/84, BFHE 144, 426, BStBl II 1986, 9). Nach der -- maßgebenden -- Funktion der eingefügten Bestandteile wurde nichts Neues, Zusätzliches geschaffen (vgl. Senatsurteile vom 29. August 1989 IX R 176/84, BFHE 159, 303, BStBl II 1990, 430, unter I.2., und vom 21. August 1990 IX R 83/85, BFH/NV 1991, 95, unter 2.).

b) Die Aufwendungen für die Fenster können auch nicht nach § 82 a Abs. 3 EStDV 1981 auf zehn Jahre verteilt als Werbungskosten abgezogen werden. Diese Vorschrift gilt zwar für Erhaltungsaufwand, betrifft aber nur Einfamilienhäuser oder Wohnungen in anderen Gebäuden, deren Nutzungswert nach § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerinnen keine Wohnung des Hauses selbst nutzten.

2. Die Absetzungen sind auch nicht unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben und Vertrauensschutz zu gewähren. Dem steht der Grundsatz der sog. Abschnittsbesteuerung entgegen.

a) Nach diesem Grundsatz hat das FA die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen bei jeder Veranlagung erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut und im Vertrauen darauf disponiert hat (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, unter 5. a; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834, unter 3.; je m. w. N.). Diese Rechtsgrundsätze sind auch dann anwendbar, wenn das FA über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (BFH-Urteil in BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289).

b) Eine von diesen Grundsätzen abweichende Beurteilung kann dann erforderlich sein, wenn der Vorsteher des FA oder der zuständige Sachgebietsleiter dem Steuerpflichtigen eine bestimmte rechtliche Behandlung zugesagt hat, oder wenn das FA durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteil in BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, unter 5. b, m. w. N.).

Eine solche Zusage hat das FA den Klägerinnen nach ihrem eigenen Vorbringen nicht gegeben. Daß das FA über Jahre hinweg bei der Feststellung der Einkünfte die Absetzungen als Werbungskosten berücksichtigt hat, begründet auch keinen Vertrauenstatbestand, der zu einer Fortführung der zu Unrecht gewährten Absetzungen verpflichtet.

Das BFH-Urteil vom 26. Januar 1962 VI 67/61 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962, 354) führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar hat der BFH in dieser Entscheidung bei einem dem vorliegenden Streitfall vergleichbaren Sachverhalt Vertrauensschutz aufgrund von Treu und Glauben bejaht. Diese Entscheidung ist aber durch die später eingeführte Korrekturmöglichkeit des § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) überholt, die auf dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung beruht (vgl. im einzelnen BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 IV R 65/91, BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76). Ob die Feststellungsbescheide für 1978 und 1981 nach dieser Vorschrift zu ändern sind oder ob Billigkeitsmaßnahmen geboten sind, kann nicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens entschieden werden. Das FA wird dies selbständig zu prüfen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65095

BFH/NV 1995, 869

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