Leitsatz (amtlich)

Ein Privatgelehrter, dem für die Fertigung einer Habilitationsschrift über ein bestimmtes Thema Beihilfen gezahlt werden, erhält diese nicht zur Förderung der Ausbildung im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1958.2. Sind die Beihilfen nicht zur Bestreitung von Personaloder Sachaufwendungen, die im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Arbeit anfallen, gewährt worden, so daß sie vom Empfänger auch zur Deckung der Lebenshaltungskosten verwendet werden konnten, so dienten sie nicht der unmittelbaren Förderung der Wissenschaft im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1958.

 

Normenkette

EStG 1958 § 3 Nr. 11

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 04.12.1972; Aktenzeichen 1 BvR 364/72)

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1959, ob Beihilfen an einen Habilitanden steuerfreie Einnahmen sind (§ 3 Nr. 11 EStG 1958).

Die Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann (Steuerpflichtiger), Dr. jur. und Dr. phil., betätigte sich als wissenschaftlicher Schriftsteller. Im Streitjahr erhielt er von zwei nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreiten Institutionen Zuschüsse in Höhe von 7 200 DM und 5 800 DM zur Förderung einer wissenschaftlichen Arbeit (Habilitationsschrift). Die im Zusammenhang mit dieser wissenschaftlichen Arbeit bezahlten Unkosten betrugen 3 191 DM. Im übrigen verwendete der Steuerpflichtige die empfangenen Zuschüsse zur Bestreitung des Lebensunterhalts.

Der Revisionsbeklagte (FA) lehnte es ab, die Zuschüsse als steuerfreie Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG zu behandeln, da keine unmittelbare Förderung einer Ausbildung oder der Wissenschaft vorliege.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Auch die Berufung hatte - abgesehen von einer geringfügigen, in der Revision nicht mehr streitigen Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids - keinen Erfolg. Das FG führte in seiner in den EFG 1964, 372 veröffentlichten Entscheidung aus, daß die Rechtsauffassung des FA zutreffe und es deshalb nicht darauf ankomme, ob, wie § 3 Nr. 11 EStG voraussetze, die Bezüge aus öffentlichen Mitteln flössen. Der Steuerpflichtige habe sich nicht mehr in der Ausbildung befunden. Er sei bereits als freiberuflicher Wissenschaftler tätig gewesen. Die beiden zuschußgewährenden Institutionen hätten mit den Beihilfen nicht die persönliche Ausbildung des Steuerpflichtigen, sondern die Bearbeitung bestimmter Forschungsfragen fördern wollen. Auch fehle es an einer unmittelbaren Förderung der Wissenschaft. Eine solche wäre zu bejahen, wenn die Gelder dazu bestimmt gewesen wären, für die Beschaffung sachlicher Hilfsmittel, wie Bücher, Apparate usw., verwendet zu werden (Hinweis auf Urteil des RFH IV 97/38 vom 19. Mai 1938, RStBl 1938, 811). Das Erfordernis der Unmittelbarkeit sei zuerst in § 6 Nr. 10 LStDB 1939 enthalten gewesen und dann erst, offenbar auf Grund des erwähnten RFH-Urteils, in das EStG übernommen worden.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde beantragen der Steuerpflichtige und seine Ehefrau die Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie Festsetzung der Einkommensteuer 1959 auf 0 DM. Sie rügen unrichtige Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG und tragen vor, diese Vorschrift dürfe man nicht dahin gehend verstehen, daß eine unmittelbare Förderung der Wissenschaft nur dann anzuerkennen sei, wenn die Beihilfen nicht zugleich dem Lebensunterhalt des Wissenschaftlers dienten. § 3 Nr. 11 EStG könne sich nicht nur auf solche Zuschüsse beziehen, deren Verwendung ohnedies zu abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten führe, was bei Beschaffung der erforderlichen Gegenstände, Bezahlung von Hilfskräften usw. der Fall sei. Die Verwaltungsanordnung in Abschn. 9 Abs. 2 LStR, in der diese Ansicht vertreten werde, schränke deshalb die Vorschrift des § 3 Nr. 11 EStG in unzulässiger Weise ein. Entscheidend sei, daß die gesamten Zuwendungen für wissenschaftliche Zwecke gezahlt worden seien, wie sich aus den dem FG vorgelegten Bestätigungen ergebe. Darin sei nicht die Rede davon, daß es sich um Unterhaltsleistungen handeln solle. Der Begriff "unmittelbar" in § 3 Nr. 11 EStG könne auch nicht verschieden ausgelegt werden, je nachdem, ob es sich um Beihilfen zur Ausbildung oder um solche zur Förderung der Wissenschaft handle. Bei den Beihilfen zur Ausbildung sei anerkannt, daß diese auch dann unter § 3 Nr. 11 EStG fielen, wenn sie für den Lebensunterhalt verwendet würden. Gleiches müsse für Wissenschaftler gelten, die im Rahmen der Forschung wissenschaftliche Arbeiten zu leisten hätten. Denn die Beihilfen dienten insofern ebenfalls unmittelbar der Förderung der Wissenschaft, als sie dem Wissenschaftler die Sorge um den Lebensunterhalt abnähmen. Eine unterschiedliche Auslegung des Begriffes "unmittelbar" sei mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Schließlich müsse berücksichtigt werden, daß § 3 Nr. 11 EStG eine Verwendung öffentlicher Mittel voraussetze, die öffentlicher Kontrolle unterliege. Der Hinweis des FG auf das RFH-Urteil IV 97/38 sei unzutreffend. Die Entscheidung habe sich auf einen anderen Sachverhalt bezogen (angestellter Privatdozent). Der Begriff der Unmittelbarkeit sei für die Entscheidung des RFH nicht tragend gewesen. Jedenfalls aber müsse geprüft werden, inwieweit die Beihilfen für die Bestreitung seiner Lebensführung gedacht gewesen seien. Die Vorentscheidung habe verkannt, daß auch ein Habilitand sich noch in der Ausbildung befinde, dies jedenfalls dann, wenn er keine nennenswerte Nebenbeschäftigung ausübe, sondern sich in vollem Umfang der Wissenschaft und Forschung im Rahmen seiner Habilitationsschrift widme. Schließlich handle es sich um Bezüge aus "öffentlichen Mitteln", denn die Gelder entstammten öffentlichen Haushalten und die Haushaltspläne der auszahlenden privaten Fonds, in denen die aus öffentlichen Mitteln stammenden Zuwendungsbeträge und deren Empfänger einzeln ausgewiesen seien, bedürften einerseits der Genehmigung durch das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und unterlägen andererseits der Überprüfung durch die entsprechenden Rechnungshöfe.

Der BMWF, der dem Verfahren gemäß § 122 FGO beigetreten ist, vertritt die Auffassung, daß dem Steuerpflichtigen für die in Rede stehenden Zuschüsse Steuerfreiheit nicht gewährt werden könne. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil VI R 25/67 vom 7. August 1967, BFH 90, 32, BStBl III 1967, 778) meint er, daß der Steuerpflichtige nicht mehr in Ausbildung befindlich sei. Es sei auch sachlich nicht gerechtfertigt, den Begriff Ausbildung unterschiedlich auszulegen, je nachdem unter welchem Gesichtspunkt der Begriff steuerliche Bedeutung erlange. Es dürfte kaum verständlich sein, wenn z. B. ein Habilitand, soweit es sich um die steuerliche Behandlung von fremden Bezügen handle, als noch in Ausbildung befindlich angesehen werde, die Ausbildung aber als abgeschlossen betrachtet werde, soweit es um die steuerliche Behandlung der eigenen Aufwendungen des Habilitanden gehe. Auch "Unmittelbarkeit" der Förderung der Wissenschaft im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG könne im vorliegenden Falle nicht angenommen werden, denn von der Rechtsprechung (RFH-Urteil IV 97/38, a. a. O.; Urteil des BFH IV R 33/67 vom 7. Dezember 1967, BFH 90, 433, BStBl II 1968, 149) und der Finanzverwaltung (Abschn. 6 Nr. 8 EStR 1958, Abschn. 9 Abs. 2 LStR 1957 und 1959; Abschn. 6 Nr. 8 und 15b Abs. 1 EStR 1969, Abschn. 9 Abs. 2 und 3 LStR 1970) sei bisher die Auffassung vertreten worden, daß unter § 3 Nr. 11 EStG nur solche Zuschüsse fallen könnten, die unmittelbar der Förderung der Wissenschaft dienten, z. B. als Beiträge für sachlichen Aufwand an Forschungsmitteln, Apparaten, Stoffen, Büchern, Reisekosten u. a. sowie für Bezahlung von Hilfskräften. Umfaßten die Zuschüsse dagegen auch Beihilfen, die für die persönliche Lebensführung des Empfängers bestimmt seien, so sei dieser Teil der Zuschüsse nach § 18 oder § 19 EStG steuerpflichtig. Zuschüsse zur Förderung der Erziehung oder Ausbildung würden dagegen auch dann als steuerfrei angesehen, wenn sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Empfängers bestimmt seien. § 3 Nr. 11 EStG (früher § 3 Nr. 10 EStG) habe seine jetzige Fassung durch das ESt- und KStÄndG vom 29. April 1950 (BGBl I 1950, 95) erhalten. In der Begründung des Regierungsentwurfs heiße es hierzu:

"In Ziff. 10 sind § 3 Ziffern 3 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1949 zusammengefaßt. Dabei wurde der Rechtszustand des Einkommensteuergesetzes 1939 wiederhergestellt, jedoch im Interesse der Klarheit die Fassung des § 6 Ziff. 10 der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen 1939 zu Grunde gelegt."

Die Fassung des § 6 Nr. 10 LStDB 1939 sei offensichtlich durch das RFH-Urteil IV 97/38 beeinflußt, das eine unmittelbare Förderung der Wissenschaft auch insoweit verneine, als die zugewendeten Mittel dazu bestimmt seien, die persönliche Lebensführung des Wissenschaftlers sicherzustellen. Diese Abgrenzung der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 11 EStG, die auch in der Literatur Zustimmung gefunden habe (Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, § 3 Anm. 10c; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 3 EStG Anm. 12 Abs. 7; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 3 Rdnr. 36), sei auch später vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen worden. Das ergebe sich mit Deutlichkeit aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 44 EStG in der seit 1964 endgültig vorliegenden Fassung. Nach dieser Bestimmung könnten Stipendien aus öffentlichen Mitteln, die der Förderung der wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung dienten, auch dann steuerfrei sein, wenn sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet würden. Eine derartige gesetzliche Regelung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn sich die Steuerfreiheit nach Auffassung des Gesetzgebers für Stipendien zur Förderung der wissenschaftlichen Fortbildung schon aus § 3 Nr. 11 EStG ergeben hätte, weil auch, soweit die Zuschüsse zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Empfängers gewährt würden, eine unmittelbare Förderung der Wissenschaft anzunehmen gewesen wäre. Schließlich handle es sich nicht um Bezüge aus "öffentlichen Mitteln", da die Gelder von privaten Fonds ausgezahlt würden (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts - VG - Berlin vom 7. November 1961, EFG 1962, 293).

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Es kann auf sich beruhen, ob die dem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Beträge aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1957 stammen: Denn diese Beträge sind schon aus anderen Gründen keine steuerfreien Einnahmen im Sinne der genannten Vorschrift. § 3 Nr. 11 EStG setzt voraus, daß Bezüge als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt wurden, die Ausbildung und/oder die Wissenschaft unmittelbar zu fördern. Keine dieser beiden Voraussetzungen liegt vor:

a) Der Steuerpflichtige befand sich im Streitjahr als Habilitand nicht mehr in Ausbildung. Für die Bestimmung des Begriffs der Ausbildung im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG müssen dieselben Grundsätze gelten, die die Rechtsprechung für die Abgrenzung der Begriffe "Ausbildung" und "Fortbildung" im Rahmen der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und Betriebsausgaben entwickelt hat. Gesichtspunkte, die es erforderlich machen könnten, den Begriff der Ausbildung im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG abweichend von diesen Grundsätzen auszulegen, sind nicht ersichtlich. Der Wortlaut des § 3 EStG im übrigen zeigt auch, daß sich der Gesetzgeber bei dieser Vorschrift die beiden Begriffe - Ausbildung einerseits und Fortbildung andererseits - ebenfalls zu eigen gemacht hat (vgl. § 3 Nr. 44 EStG). Bei dieser Sachlage kann nicht ohne zwingenden Grund davon ausgegangen werden, daß unter Ausbildung auch eine Tätigkeit zu verstehen ist, die in anderen Bereichen des Einkommensteuerrechts dem Begriff der Fortbildung zugerechnet wird.

Im BFH-Urteil VI 45/63 vom 28. Juni 1963 (BFH 77, 313, BStBl III 1963, 435) blieb die Frage offen, ob es sich bei einem Vollakademiker, der ein akademisches Lehramt auf seinem Fachgebiet anstrebt, um Berufsfortbildung handle. Im BFH-Urteil VI R 25/67 vom 7. August 1967 (BFH 90, 32, BStBl III 1967, 778) wurde ausgesprochen, daß Aufwendungen, die ein wissenschaftlicher Assistent an einer Hochschule für seine Habilitation machte, Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG seien, da es sich bei der Habilitation eines Assistenten nicht um einen Berufswechsel in Verbindung mit einer neuen Berufsausbildung, sondern um eine Berufsfortbildung handle. Dem entspricht die Lage, in der sich der Steuerpflichtige im Streitjahr befand. Die von ihm mit dem Ziel, ein Hochschullehramt zu erhalten, entwickelte Tätigkeit diente nicht der Vorbereitung eines neuen Berufs, sondern sie stellte nur einen weiteren Schritt auf dem bereits eingeschlagenen Berufsweg dar. Sie muß daher in gleicher Weise wie die Habilitation eines wissenschaftlichen Assistenten als Berufsfortbildung angesehen werden.

Aus den genannten Gründen kann dahinstehen, ob, wenn die wissenschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Ausbildung anzusehen wäre, von einer unmittelbaren Förderung dieser Ausbildung gesprochen werden könnte. Den Zweifeln, die insbesondere deshalb bestehen, weil die genannten Beträge möglicherweise in erster Linie zur Förderung eines bestimmten Arbeitsergebnisses gezahlt wurden, braucht der Senat demzufolge nicht nachzugehen.

b) Auch einer unmittelbaren Förderung der Wissenschaft diente die Zahlung der genannten Beträge nicht. Der RFH (Urteil IV 97/38, a. a. O.) und ihm folgend der BFH (Urteil IV R 33/67 vom 7. Dezember 1967, BFH 90, 433, BStBl II 1968, 149) haben eine Steuerfreiheit im Sinne des § 3 Nr. 10 oder 11 EStG nur in den Fällen bejaht, in denen die Zuwendungen als Beiträge für sachlichen Aufwand an Forschungsmitteln, Apparaten, Stoffen, Büchern, Reisekosten u. a. sowie für die Bezahlung von Hilfskräften gewährt wurden. Nicht dagegen wurde - mangels einer Unmittelbarkeit der Förderung - Steuerfreiheit angenommen, wenn die Zahlungen dem Empfänger zum Bestreiten seines Lebensunterhalts dienten. Diese Abgrenzung, an der der Senat festhält, nahm der RFH zwar insbesondere in Anlehnung an eine Verwaltungsanweisung vor, denn die dem Urteil IV 97/38 (a. a. O.) zugrunde liegende Gesetzesfassung enthielt das Tatbestandsmerkmal der "Unmittelbarkeit" der Förderung noch nicht. Das auf Grund dieser einschränkenden Gesetzesauslegung vom RFH gefundene Ergebnis konnte aber, bedingt durch die spätere Einführung des Wortes "unmittelbar" in den Gesetzeswortlaut selbst durch das EStG 1950, auch in der Rechtsprechung des BFH Bestand haben. Hätte der Gesetzgeber die vom RFH vorgenommene Interpretation für zu einschränkend gehalten, so wäre im Zuge der Änderung der Vorschrift der Text nicht zusätzlich noch durch das Wort "unmittelbar" ergänzt worden.

Nicht gefolgt werden kann der Überlegung der Revisionskläger, das Wort "unmittelbar" sei stets in gleicher Weise zu verstehen, unabhängig davon, ob die unmittelbare Förderung der Ausbildung oder die unmittelbare Förderung der Wissenschaft und Kunst in Frage stehe. Bei dieser Erwägung wird nicht hinreichend beachtet, daß die Ausbildung einer Person schon dadurch "unmittelbar" gefördert werden kann, daß durch Übernahme der Lebenshaltungskosten der Empfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs enthoben und somit zeitlich in die Lage versetzt wird, sich der Ausbildung zu widmen. Die Übernahme der Lebenshaltungskosten beeinflußt hier ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse die Ausbildung. Wissenschaft und Kunst hingegen können durch Übernahme von Lebenshaltungskosten für bestimmte Personen nur mittelbar gefördert werden, denn erst die zwischengeschalteten geistigen Schöpfungen der Zuwendungsempfänger können die erstrebte Bereicherung von Wissenschaft und Kunst darstellen.

Den Revisionsklägern kann auch nicht zugestimmt werden, wenn sie meinen, die von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung des Begriffs der Unmittelbarkeit führe zu einer einseitigen Bevorzugung der technich-naturwissenschaftlichen zu Lasten der geisteswissenschaftlichen Forschung. In beiden Bereichen werden nur Beihilfen zum Erwerb von gegenständlichen Hilfsmitteln und zur Entlohnung von Hilfskräften als unmittelbare Förderung angesehen. Wenn bei den Naturwissenschaften für diese Positionen größerer Aufwand erforderlich ist, dem möglicherweise auch durch höhere Beihilfen aus öffentlichen Mitteln Rechnung getragen wird, so bedeutet dies keine Bevorzugung dieser Wissenschaften, sondern nur eine Berücksichtigung der dort vorhandenen andersartigen Kostensituation. Keinesfalls erlaubt diese Verschiedenheit aber den Schluß, daß als Ausgleich für den geringeren Sachaufwand bei den Geisteswissenschaften der persönliche Aufwand der Wissenschaftler für deren Lebensführung durch steuerfreie Beihilfen mitfinanziert werden müsse.

Zu Unrecht wird mit der Revision auch eingewandt, die Steuerbefreiung verliere durch die oben genannte Auslegung ihren Sinngehalt, denn die von der Rechtsprechung genannten Aufwendungen für Forschungsmittel, Apparate etc. seien ohnehin als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen. Bei dieser Betrachtung wird verkannt, daß die Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG schon auf Grund der zweckgerichteten Bewilligung zur Steuerfreiheit führen ungeachtet dessen, ob der Empfänger diese Beträge bei Durchführung seiner wissenschaftlichen Arbeiten in vollem Umfang zur Deckung von Ausgaben benötigt, die ihrer Natur nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Die auf nichtsteuerrechtlichen Vorschriften beruhende Prüfungsmöglichkeit der Verwendung der Mittel rechtfertigt die vom Steuergesetzgeber in § 3 Nr. 11 EStG getroffene Entscheidung, diese Beihilfen - soweit eine hinreichende Zweckbindung vorliegt - ohne weiteren den Finanzbehörden gegenüber zu führenden Verwendungsnachweis steuerfrei zu belassen. Daß sich im Ergebnis eine Steuerfreiheit der Beihilfe auch dadurch ergeben könnte und meist auch ergeben würde, daß die mit diesen Mitteln getätigten Aufwendungen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar wären, kann sich deshalb auf die Auslegung des § 3 Nr. 11 EStG nicht auswirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425941

BStBl II 1972, 566

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