§ 164 SGB IX regelt besondere Pflichten des Arbeitgebers im Rahmen seiner gesteigerten Treue- und Fürsorgepflichten gegenüber schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen. Der Vorschrift kommt daher eine zentrale Bedeutung bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen zu. Entscheidet sich der Arbeitgeber z. B. gegen einen schwerbehinderten Bewerber, hat der Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX unverzüglich alle Beteiligten unter Angabe von Gründen über seine Entscheidung zu unterrichten. Die Unterrichtungspflicht besteht gegenüber dem betroffenen Bewerber, der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- bzw. Personalrat.[1] In der Literatur und der Instanzrechtsprechung ist die Frage, ob die Unterrichtungspflicht nach § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur Arbeitgeber trifft, die die Beschäftigungsquote nach § 154 SGB IX nicht erfüllen, umstritten. Der 9. Senat des BAG hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2011 die Förderpflichten des § 81 SGB IX a. F. grundsätzlich als an alle Arbeitgeber gerichtet verstanden, also nicht nur an diejenigen, die die Beschäftigungsquote nicht erfüllt haben. Davon hat er aber ausdrücklich das Erörterungsverfahren, wie durch § 81 Abs. 1 Sätze 7–9 SGB IX a. F. vorgeschrieben, ausgenommen.[2] Dieser Auffassung hat sich der 8. Senat in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2013 angeschlossen.[3] Das BAG hat in seiner Entscheidung seine Auffassung damit begründet, dass für sie der Wortlaut der Norm sowie systematische Erwägungen sprächen. Auch wenn der Gesetzgeber – so das BAG – dies nicht durch die Stellung in einem gesonderten Absatz klargestellt hat, stehen die Regelungen in § 81 Abs. 1 Sätze 7–9 SGB IX a. F. in einem inneren Zusammenhang. Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine der in § 93 SGB IX a. F.[4] genannten Vertretungen mit der beabsichtigten Entscheidung nicht einverstanden, so ist diese gemäß § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX a. F.[5] zunächst unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. Der Gesetzgeber sieht demnach dann, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nicht erfüllt, eine weitergehende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats etc. vor. Auf den Abschluss dieses besonderen Erörterungsverfahrens bezieht sich § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX a. F.[6] Dies wird daran deutlich, dass dort von der "getroffenen Entscheidung" gesprochen wird, während in § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX a. F.[7] von der "beabsichtigten Entscheidung" die Rede ist. Systematisch wäre es auch unstimmig, auf der einen Seite generell nur eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat anzunehmen[8], auf der anderen Seite aber stets eine Pflicht zur Darlegung der Gründe der getroffenen Entscheidung ihnen gegenüber zu postulieren, obwohl die Entscheidung zuvor mit ihnen nicht erörtert werden musste[9] und die Schwerbehindertenvertretung oder der Betriebsrat auch nicht notwendig gegen die beabsichtigte Entscheidung gestimmt haben müssen.

In der Literatur wird dennoch weiterhin darauf verwiesen, dass die Frage auch in Anbetracht der aktuelleren Rechtsprechung des BAG weiterhin offen ist, ob die Begründungspflicht gegenüber dem abgelehnten schwerbehinderten Bewerber bestehen kann, wenn keine Schwerbehindertenvertretung und auch keine andere in § 176 SGB IX genannte Vertretung beim Arbeitgeber gebildet wurde. Insofern wird Arbeitgebern empfohlen, bei denen weder eine Schwerbehindertenvertretung noch eine sonstige in § 176 SGB IX genannte Vertretung besteht und die die Beschäftigungspflicht nicht erfüllen, Absagen an schwerbehinderte Bewerber vorsorglich umfassend zu begründen.[10]

Die in § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX normierte Unterrichtungspflicht dient dazu, den abgelehnten Bewerbern zu ermöglichen, die Ablehnungsgründe gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Unterrichtung kann mündlich erfolgen. Eine Schriftform ist nicht vorgeschrieben[11], aber zu empfehlen. Gleichwohl kann die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG auch durch eine telefonische Absage in Lauf gesetzt werden.[12]

Hat der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Bewerber entgegen § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX keine Gründe für die Ablehnung der Bewerbung mitgeteilt, so wird dessen Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermutet.[13] Die unterbliebene Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung am Vorstellungsgespräch ist jedoch kein Indiz für eine Benachteiligung, wenn der Arbeitgeber sie hierzu rechtzeitig geladen hatte.[14] Der Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht aus § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX stellt nach § 238 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zudem eine Ordnungswidrigkeit dar.

 
Hinweis

Gleichstellung

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung im Bewerbungsverfahren zu beteiligen, wenn der Arbeitnehmer die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zwar beantragt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, über den Gleichstellungsantrag jedoch noch nicht entsch...

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