Die Rechtsfolgen bei Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements auf eine etwa ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung sind streitig. Zur rechtlichen Beurteilung der Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung hat das BAG ein 3-stufiges Prüfungsschema entwickelt. Danach ist zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands erforderlich. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden. In der dritten Stufe ist im Rahmen einer Interessenabwägung dann zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.[1]

Die krankheitsbedingte Kündigung ist – wie jede Kündigung – zukunftsbezogen und stellt keine Sanktion für Fehlverhalten in der Vergangenheit dar. Maßgeblich ist die Prognose hinsichtlich der künftigen Arbeitsfähigkeit. Die Durchführung des BEM ist nach der Rechtsprechung des BAG keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX ist aber auch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das BEM ist nicht selbst ein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, z. B. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen freizumachenden – Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Dabei wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht allein dadurch verletzt, dass kein BEM durchgeführt wurde. Es muss hinzukommen, dass überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten.[2]

Für die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess hat das BAG aus § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. abgeleitet, dass der Arbeitgeber, wenn er kein BEM durchgeführt hat, sich durch seine dem Gesetz widersprechende Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen darf. Im Umkehrschluss folgt daraus – auch für die praktisch wortgleiche (Neu-)Regelung des § 167 Abs. 2 SGB IX, dass ein unterlassenes BEM einer Kündigung dann nicht entgegensteht, wenn sie auch durch das BEM nicht hätte verhindert werden können. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des BEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.[3] Ist es dagegen denkbar, dass ein BEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber nach den vom für Kündigungsstreitigkeiten zuständigen 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen regelmäßig vorhalten lassen, er habe "vorschnell" gekündigt.[4]

Im Kündigungsschutzprozess wegen einer ausgesprochenen personenbedingten/krankheitsbedingten Kündigung nehmen die Gerichte deshalb eine dreistufige Prüfung vor:

  • Zunächst ist zu fragen, ob ein BEM stattgefunden hat. Ist dies der Fall, so ist für die Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit das – positive oder auch negative – Ergebnis des BEM maßgeblich zu berücksichtigen. Hat das BEM zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die empfohlene Maßnahme – soweit dies in seiner alleinigen Macht steht – vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung als milderes Mittel umzusetzen.
  • Hat dagegen kein BEM stattgefunden, ist – zweitens – zu prüfen, ob es ein positives Ergebnis hätte erbringen können. Ist dies nicht der Fall, so kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen des BEM kein Nachteil entstehen.[5] Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufzeigen. Er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können.[6]

Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. Stimmt d...

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