Die Zurückverweisung des Rechtsstreites wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist aufgrund des Beschleunigungsgrundsatzes grundsätzlich unzulässig.[1]

Dieser grundsätzliche Ausschluss der Zurückverweisung findet selbst bei schwersten Verfahrensmängeln und Verfassungsverstößen Anwendung.

 
Praxis-Beispiel
  • Verstoß gegen Art. 101, Art. 12 GG;
  • Verletzung des rechtlichen Gehörs[2];
  • Fehlen der Entscheidungsgründe bei unterlassener oder verspäteter Urteilsabsetzung[3];
  • fehlende oder unzureichende Berücksichtigung von Parteivorbringen und Absehen von der Durchführung einer Beweisaufnahme.[4]

Zu diesem Grundsatz bestehen allerdings Ausnahmen. Eine Zurückverweisung kommt in Betracht, wenn das Arbeitsgericht einen Verfahrensverstoß begangen hat, der in der Berufungsinstanz nicht mehr korrigiert werden kann.[5] Ein solcher liegt z. B. vor, wenn das Arbeitsgericht über den Antrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage oder Entfristungsklage, §§ 4, 5 KSchG, § 17 TzBfG nicht entschieden hat. Dann muss das Berufungsgericht den gesamten Rechtsstreit in die erste Instanz zurückverweisen, auch wenn der Antrag auf nachträgliche Zulassung erst in der zweiten Instanz gestellt wird.[6]

Eine Zurückverweisung kommt auch in Betracht, wenn der Hinweis des Arbeitsgerichtes nach § 6 KSchG unterblieben ist.[7]

Daneben ist eine Zurückverweisung nur unter den Voraussetzungen des § 538 ZPO zulässig, der über § 64 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren anzuwenden ist. Das Berufungsgericht ist verpflichtet, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, § 538 Abs. 1 ZPO. Es darf die Sache nur unter den in § 538 Abs. 2 Nrn. 2–4, 6 und 7 ZPO genannten Voraussetzungen an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn das Arbeitsgericht in der Sache nicht oder nicht aufgrund einer streitigen Verhandlung entschieden hat. § 538 ZPO wird durch § 68 ArbGG nicht ausgeschlossen. Allerdings verdrängt § 68 ArbGG, der eine Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels weiter gehend ausschließt, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Ohne Bedeutung für das arbeitsgerichtliche Verfahren ist auch § 538 Abs. 2 Nr. 5 ZPO, da nach § 46 Abs. 2 ArbGG die Bestimmungen über den Urkunden- und Wechselprozess vor den Arbeitsgerichten keine Anwendung finden.

[4] A. A. LAG Köln, Urteil v. 4.12.1985, 7 Sa 882/85.
[7] BAG, Urteil v. 30.11.1961, 2 AZR 295/61.

19.1 Eingeschränkte Ermessensentscheidung

Das LAG hat aufgrund der Verpflichtung in § 538 Abs. 1 ZPO nur ein eingeschränktes Ermessen bei der Entscheidung über eine Zurückverweisung. Nach dem Wortlaut des § 538 Abs. 2 ZPO "darf" eine Sache an das Arbeitsgericht nur in den dort genannten Fällen zurückgewiesen werden. Daneben ist – abgesehen von einer unzulässigen Entscheidung durch Teilurteil[1] – ein Antrag von einer der Parteien erforderlich. Nur bei Vorliegen eines solchen Antrages kann das LAG entscheiden, ob es von der Zurückverweisungsmöglichkeit trotz der dadurch eintretenden Verzögerung Gebrauch macht oder ungeachtet der bisherigen Verfahrensmängel selbst entscheidet. Der Gesetzgeber hat den dadurch eintretenden Verlust einer Instanz und die sich daraus für die Parteien möglicherweise ergebenden Nachteile bewusst in Kauf genommen.

19.2 Fehlende Sachentscheidung

Eine Zurückverweisung kommt im Einzelnen in Betracht, wenn der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nach § 341 ZPO als unzulässig verworfen worden ist.[1]

In entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hat das LAG zurückzuverweisen, wenn das Arbeitsgericht die Fortsetzung des Rechtsstreites ablehnt, weil es fehlerhaft eine übereinstimmende Erledigung der Hauptsache annimmt[2] oder einen Prozessvergleich als wirksam ansieht.

Die Zurückverweisung ist ebenfalls zulässig, wenn das Arbeitsgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat.[3] Das ist z. B. der Fall, wenn es zu Unrecht mangels Feststellungsinteresse die Klage als unzulässig abgewiesen hat.

Das LAG kann jedoch von einer Zurückverweisung Abstand nehmen und die Klage anstatt als unzulässig als unbegründet abweisen.[4]

Die Zurückverweisung scheidet jedoch aus, wenn das Arbeitsgericht lediglich über die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil entschieden hat.[5] Wird das Zwischenurteil bestätigt, muss das Arbeitsgericht in der Hauptsache entscheiden. Ist die Klage unzulässig, ist der Rechtsstreit durch das Zwischenurteil beendet.

19.3 Grundurteil

Gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO darf das Berufungsgericht die Sache an das Gericht der ersten Instanz zurückverweisen, wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruches durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruches vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es s...

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