Im Sozialversicherungsrecht gilt grundsätzlich das sog. "Entstehungsprinzip". Dies bedeutet, dass zur Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge nicht auf das tatsächlich gezahlte, also geflossene Arbeitsentgelt abgestellt wird. Vielmehr wird auf das zu beanspruchende, also entstandene bzw. "erarbeitete" Entgelt abgestellt. Damit gilt eine andere Systematik als im Steuerrecht, weil dort ausschließlich das "Zuflussprinzip" maßgeblich ist. Allerdings gilt das Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung nicht ausnahmslos. Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt[1] gilt das Zuflussprinzip.

3.1 Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung bei laufendem Arbeitsentgelt

Das Entstehungsprinzip beruht auf der Rechtsprechung des BSG.[1] Dieses hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wie die maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung zur Sozialversicherung definiert wird. Grundsätzlich richtet sich der Beitrag nach dem Entgelt, das als Einnahme aus der Beschäftigung definiert ist, gleichgültig ob

  • ein Rechtsanspruch darauf besteht oder
  • unter welcher Bezeichnung und in welcher Form es geleistet wird.[2]

Die Beitragsforderung kann auch von einem höheren als dem tatsächlich zugeflossenen Entgelt erfolgen, wenn der Arbeitnehmer im Entstehungszeitraum zusätzliche Entgeltbezüge beanspruchen konnte. Dies gilt z. B. für den Fall, dass der Arbeitgeber nicht den gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mindestlohn zahlt. Auch wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf gesetzlicher oder tarifvertraglicher Ausschlussfristen keine Möglichkeit mehr hat, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, bleibt es bei der Beitragsforderung aus dem nicht oder zu gering gezahlten Arbeitsentgelt. Allein maßgebend ist das Entstehen eines arbeitsvertraglichen Entgeltanspruchs. Unerheblich ist, ob (und von wem) dieser Anspruch im Ergebnis erfüllt wird und ob er realisiert werden kann oder nicht.

Dabei stützt sich das BSG in seiner Rechtsprechung auf das Sozialgesetzbuch IV.

 
Wichtig

Entstehen des Beitragsanspruchs

Ein Beitragsanspruch entsteht, sobald die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen.[3]

Sind die Beiträge bereits in diesem Sinne entstanden, so steht der Beitragsanspruch nicht mehr zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien. Dies würde dem Grundprinzip des Sozialversicherungsrechts widersprechen, nach dem Sozialversicherungsbeiträge nicht nur dem Versicherungsschutz des einzelnen Arbeitnehmers, sondern auch der Versichertengemeinschaft zur Deckung ihres Finanzbedarfs dienen.

3.2 Zuflussprinzip in der Sozialversicherung bei Einmalzahlungen

Der Grundsatz des Entstehungsprinzips ist in Hinsicht auf Einmalzahlungen durchbrochen worden. Danach gilt für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nicht mehr das Entstehungsprinzip, sondern das Zuflussprinzip. D. h. die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt erst, wenn dieses tatsächlich ausgezahlt ist. Dieser bewussten Abkehr des Gesetzgebers vom Entstehungsprinzip bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt tragen auch die Sozialversicherungsträger Rechnung. Nach ihrer Ansicht können Beiträge aus Einmalzahlungen auch dann nicht gefordert werden, wenn – ungeachtet einer arbeitsrechtlichen Zulässigkeit und der arbeitsrechtlichen Grundlage, auf dem der Entgeltanspruch beruht – der Arbeitnehmer im Voraus schriftlich auf die Einmalzahlung verzichtet hat.

 
Wichtig

Entstehungsprinzip bei laufendem Arbeitsentgelt

Für laufendes Arbeitsentgelt gelten unverändert das Entstehungsprinzip und die nachstehend erläuterten Kriterien für eine Zusätzlichkeit.

3.3 Lohnverzicht in der Sozialversicherung

Bisher wurde im Beitragsrecht der Sozialversicherung davon ausgegangen, dass ein Entgeltverzicht bzw. eine Entgeltumwandlung zur Beitragsfreiheit der daraus resultierenden Arbeitgeberleistung nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung führt, wenn der Verzicht ernsthaft gewollt und nicht nur vorübergehend sowie auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet und arbeitsrechtlich zulässig ist.

Dem bisherigen Verständnis der Sozialversicherungsträger zum beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis steht die aktuelle Rechtsprechung[1] entgegen.

Danach werden Arbeitgeberleistungen nicht zusätzlich gewährt, wenn sie ein teilweises Surrogat für den vorherigen Entgeltverzicht bilden. Davon ist auszugehen, wenn

  • sie kausal mit der Beschäftigung verknüpft sind, indem sie fester Bestandteil der Entgeltvereinbarung und somit des aus der Beschäftigung resultierenden Entgeltanspruchs werden.
  • die Vor- und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und ergänztes Leistungsspektrum auf der anderen Seite im Zusammenhang stehen und eine einheitliche Vereinbarung bilden, die insgesamt im Rahmen des gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist.
  • aus objektiver Sicht der Vertragsparteien die neue Vergütung nur dann vollständig erfasst ist, wenn sämtliche Entgeltbestandteile zusammengenommen betrachtet werden.

Dies gilt insbesondere dann, wenn

  • ein unwiderruflicher Anspruch auf die den Entgeltverzicht kompensierenden "neuen" Le...

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