Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gilt seit dem Inkrafttreten des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch am 1. Juli 1977 für die Erhebung der Einnahmen das so genannte Entstehungsprinzip. Dies bedeutet, dass Beiträge dann fällig werden, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Das Bundessozialgericht hat dieses Entstehungsprinzip in seinen Urteilen vom 25. September 1981 - 12 RK 58/80 - (USK 81268) und vom 26. Oktober 1982 - 12 RK 8/81 - (USK 82206) bekräftigt. Beiträge sind daher auch für geschuldetes, bei Fälligkeit aber noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu zahlen. Damit unterscheidet sich das Beitragsrecht der Sozialversicherung seit 1977 grundlegend vom Steuerrecht. Im Steuerrecht gilt unverändert das so genannte Zuflussprinzip; maßgebend ist also hier, ob und gegebenenfalls wann eine Einnahme zugeflossen ist.

Aufgrund des Entstehungsprinzips ergibt sich das für die Sozialversicherung maßgebliche Arbeitsentgelt aus dem für den Arbeitnehmer geltenden Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag. Das Arbeitsvertragsrecht hat mithin entscheidende Bedeutung für das Beitragsrecht der Sozialversicherung, wobei das Auseinanderfallen von Steuerrecht und Beitragsrecht der Sozialversicherung in Fällen entstandener, aber nicht gezahlter Arbeitsentgeltansprüche in letzter Zeit vermehrt zu Problemen in der betrieblichen Praxis führt. Die Besprechungsteilnehmer geben deshalb zu häufig auftretenden Problemfällen die nachfolgenden Hinweise.

1 Tarifvertrag

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags unmittelbar und zwingend lediglich zwischen den Arbeitgebern und Gewerkschaftsangehörigen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Danach unterliegt regelmäßig nur der in der betreffenden Gewerkschaft organisierte Arbeitnehmer der Bindung eines Tarifvertrags. Dies bedeutet, dass die Tarifbestimmungen den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestalten, ohne dass es auf die Kenntnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber über den Arbeitsentgeltanspruch ankommt. Erst recht bedarf es keiner Anerkennung, Unterwerfung oder Übernahme des Tarifvertrags durch die Parteien eines Einzelarbeitsvertrags. Die Regelungen des Tarifvertrags gelten selbst dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich gegenteilige oder auch andere Bedingungen vereinbart haben. Auch neu geschlossene tarifwidrige Arbeitsverträge sind hinsichtlich des tarifwidrigen Teils unwirksam. Ebenfalls sind Vertragsabsprachen, die den durch Tarifvertrag gestalteten Arbeitsvertrag auf Zeit einschränken oder suspendieren wollen, unwirksam.

Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten (§ 4 Abs. 3 TVG).

1.1 Allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge

Eine besondere Stellung nehmen für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge ein. Nach § 5 Abs. 1 TVG kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss, der sich aus jeweils drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammensetzt, einen Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemein verbindlich erklären. Mit einer derartigen Erklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG).

Ein Arbeitsentgeltanspruch mindestens in Höhe des in einem allgemein verbindlichen Tarifvertrag festgesetzten Lohns bzw. Gehalts kann demnach von den Parteien eines Arbeitsvertrags, die der Geltung dieses Tarifvertrags unterliegen, nicht rechtswirksam unterschritten werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gibt zu Beginn eines jeden Quartals im Bundesarbeitsblatt ein Verzeichnis der für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge heraus. Das Verzeichnis der für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge kann im Internet unter http://www.bma.de/de/arbeit/arbeitsrecht/tarifverzeichnis.htm eingesehen werden. Es stellt allerdings lediglich eine Momentaufnahme dar. In einem besonderen Teil wird zwar auf die Tarifverträge hingewiesen, deren Allgemeinverbindlichkeit im abgelaufenen Quartal endete; darüber hinaus gibt es aber keine Historie.

1.2 Wirkung von Öffnungsklauseln

Der Tarifvertrag kann bestimmen, dass bestimmte Regelungen nicht für alle Tarifparteien gelten bzw. nicht für allgemein verbindlich erklärt werden (Öffnungsklausel). Aufgrund einer Öffnungsklausel nicht gezahltes Arbeitsentgelt wird - wie im Steuerrecht - auch in der Sozialversicherung nicht berücksichtigt.

2 Einzelarbeitsvertrag

Unterliegt der Arbeitnehmer nicht der Bindungswirkung eines Tarifvertrags, ist für die Sozialversicherung der Einzelarbeitsvertrag maßgebend. Nach § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG) müssen sich die wesentlichen Vertragsbedingungen aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag ergeben, oder sie sind anderweitig schriftlich niederzulegen. Die Niederschrift ist zu unterschreiben und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer nur zur Aushilfe vo...

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