Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung des Betriebsrats nach Unternehmensaufspaltung. Ordentliche Kündigung. Kündigungsgrund

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird ein Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übertragen und von diesem als selbständiger Betrieb fortgeführt so endet damit die Zuständigkeit des Betriebsrats des abgebenden Betriebes für den abgetrennten Betriebsteil und die in ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Es besteht insoweit auch kein Restmandat des Betriebsrats des abgebenden Betriebes zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben gegenüber dem neuen Inhaber des früheren Betriebsteils für eine Übergangszeit bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats durch die Belegschaft des abgetrennten Betriebsteils.

 

Orientierungssatz

Eine beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht erfordert in der Person des Arbeitnehmers eine Nachhaltigkeit im Willen. Der Arbeitnehmer muß die ihm übertragene Arbeit bewußt und nachhaltig nicht leisten wollen. Beharrlichkeit setzt allerdings nicht notwendigerweise wiederholte Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers voraus. Auch die einmalige Vertragsverletzung kann das Merkmal der Beharrlichkeit erfüllen, wenn daraus der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers erkennbar wird, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachzukommen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 1, 50, 47; BGB § 613a; BetrVG §§ 22, 102; KSchG § 1 Abs. 2; ZPO § 559 Abs. 2; BetrVG § 13 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.01.1988; Aktenzeichen 2 Sa 77/87)

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 30.06.1987; Aktenzeichen 1 Ca 85/87)

 

Tatbestand

Der Kläger war vom 14. April 1986 bis 31. Dezember 1986 bei der Firma Egon D in A beschäftigt und in der Ausrüsterei als Hilfsarbeiter tätig. Am 1. Januar 1987 wurden er und die anderen in der Ausrüsterei beschäftigten Arbeitnehmer von der Ende 1986 gegründeten Beklagten übernommen, die die Ausrüstung der Firma Egon D nunmehr unter eigener Rechtspersönlichkeit in den seitherigen Räumen betreibt. Die Beklagte, die unter anderer Leitung als die Firma Egon D steht, unterhält Geschäftsbeziehungen nicht nur zur Firma Egon D, sondern auch zu anderen Firmen.

Bis zum Zeitpunkt der Unternehmensaufspaltung (1. Januar 1987) bestand für die Firma Egon D ein mehrköpfiger Betriebsrat. Sämtliche Betriebsratsmitglieder wurden nach der Unternehmensaufspaltung von der Firma Egon D, in der seit diesem Zeitpunkt nur noch Konfektionsarbeiten durchgeführt werden, weiterbeschäftigt. Bei der Beklagten wurde am 22. April 1987 ein Betriebsobmann gewählt.

Mit Schreiben vom 4. März 1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zum 20. März 1987. Gegen eine weitere (vorsorgliche) ordentliche Kündigung der Beklagten vom 1. April 1987 zum 17. April 1987 erhob der Kläger keine Klage.

Mit der am 11. März 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, die mit Schreiben vom 4. März 1987 erklärte ordentliche Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Im übrigen sei die Kündigung auch wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

Der Kläger hat dazu im wesentlichen folgendes vorgetragen: Die Beklagte habe in der Vergangenheit von den in der Ausrüstung/Färberei beschäftigten Arbeitnehmern verlangt, daß sie regelmäßig länger als zehn Stunden, d. h. durchschnittlich elf bis zwölf Stunden, täglich arbeiteten. Soweit sich ein Arbeitnehmer dagegen zur Wehr gesetzt habe, sei ihm bedeutet worden, er könne, wenn es ihm nicht passe, gehen. Aus diesem Grunde habe er sich an die Gewerkschaft Textil-Bekleidung, der er angehöre, gewandt und um Rat nachgesucht. Aufgrund der erteilten Rechtsauskünfte sei er am 2. März 1987 um 15.00 Uhr nach Hause gegangen, da Arbeitsbeginn wie üblich 6.00 Uhr gewesen sei. Daraufhin habe ihm die Beklagte mit Schreiben vom 2. März 1987 mitgeteilt, er habe am 2. März 1987 gegen 15.00 Uhr unerlaubt seinen Arbeitsplatz verlassen und werde im Wiederholungsfall seinen Arbeitsplatz verlieren. Am 3. März 1987 habe er wiederum um 15.00 Uhr seine Arbeit beendet, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 1987 zum 20. März 1987 gekündigt habe. Diese Kündigung sei jedoch nach Einschaltung der Gewerkschaft Textil-Bekleidung von der Beklagten zurückgenommen worden. Am 4. März 1987 gegen 14.30 Uhr sei von ihm verlangt worden, in der Textildruckerei auszuhelfen, obwohl er von der Arbeit in der Färberei völlig durchnäßt gewesen sei. Entgegen dem Vortrag der Beklagten habe er keineswegs nur kurzfristig in der Textildruckerei aushelfen, sondern erneut über zehn Stunden hinaus beschäftigt werden sollen, was er abgelehnt habe. Eine unberechtigte Arbeitsverweigerung liege deshalb nicht vor.

Darüber hinaus ergebe sich die Unwirksamkeit der Kündigung auch aus der fehlenden Anhörung des Betriebsrats. Zwar habe bei der Beklagten bis zum 22. April 1987 kein Betriebsrat bestanden, doch folge daraus noch nicht, daß er - der Kläger - damit ohne betriebsverfassungsrechtlichen Schutz gewesen sei. Nach dem Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes und dem allgemeinen Prinzip des Arbeitnehmerschutzes sei eine uneingeschränkte und lückenlose Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretung geboten. Dies ergebe sich nicht nur aus § 613 a BGB, sondern auch im Betriebsverfassungsgesetz sei dieser Rechtsgedanke verankert. So sei in § 22 BetrVG für zahlreiche Fälle einer außerplanmäßigen Neuwahl des Betriebsrats bestimmt, daß der alte Betriebsrat bis zum Abschluß der Neuwahl die Geschäfte weiterführe. Da die Unternehmensteilung nicht ausdrücklich genannt werde, sei die Vorschrift des § 22 BetrVG entsprechend anzuwenden. Darüber hinaus sei anerkannt, daß ein Restmandat des Betriebsrats bei der Betriebsstillegung bestehe, bei deren Abwicklung gerade betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertretungsmöglichkeiten vorhanden sein müßten. Dies müsse auch für den vorliegenden Fall einer Unternehmensteilung gelten. Dementsprechend hätte die Beklagte nach den Grundsätzen des Restmandats vor Ausspruch der Kündigung den bei der Firma Egon D bestehenden Betriebsrat anhören müssen. Dies sei nicht geschehen, so daß die Kündigung auch aus diesem Grunde unwirksam sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

zwischen den Parteien nicht durch die Kün-

digung vom 4. März 1987 aufgelöst worden

ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, es treffe zwar zu, daß der Kläger in der Vergangenheit wie alle anderen Arbeitnehmer auch regelmäßig mehr als acht Stunden täglich gearbeitet habe, doch seien seinerseits keine Einwände dagegen erhoben worden. Vielmehr habe der Kläger im Februar 1987 plötzlich eigenmächtig seine Arbeitszeit verkürzt und den Betrieb vorzeitig verlassen. Im März 1987 habe der Kläger erneut eigenmächtig seine Arbeitszeit verkürzt, ohne jemanden im Betrieb davon zu verständigen. Hierauf angesprochen habe der Kläger erklärt, er werde, wenn er nicht mehr Geld bekomme, nicht mehr länger arbeiten. Aufgrund der Kündigung vom 3. März 1987 habe der Kläger um 9.30 Uhr den Betrieb verlassen und sich an die Gewerkschaft gewandt. Ein daraufhin geführtes Telefongespräch mit der Gewerkschaft Textil-Bekleidung habe noch am gleichen Tag zur Rücknahme der Kündigung geführt. Am 4. März 1987 sei der Kläger um 13.00 Uhr gebeten worden, kurzfristig in der Druckerei auszuhelfen. Der Kläger habe sich jedoch grundsätzlich geweigert, überhaupt in der Druckerei zu arbeiten, obwohl die Arbeitszeit, auch unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst verkürzten Arbeitszeit, noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das Thema Arbeitszeit habe überhaupt keine Rolle gespielt, sondern der Kläger habe nur nicht in der Druckerei arbeiten wollen. Daraufhin habe der Abteilungsleiter der Druckerei dem Geschäftsführer der Beklagten den Sachverhalt mitgeteilt. Dieser habe den Kläger aufgefordert, in der Druckerei kurzfristig auszuhelfen; dem sei der Kläger ebenfalls nicht nachgekommen. Auch auf weitere Aufforderungen des Geschäftsführers, verbunden mit dem Hinweis, daß der Kläger, wenn er sich weiter weigere, mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse, habe der Kläger nicht reagiert. Vielmehr habe er eine Arbeitsaufnahme davon abhängig gemacht, daß er Springergeld erhalte. Dies sei dem Kläger jedoch unter Hinweis auf eine fehlende Anspruchsgrundlage verweigert worden. Das Gespräch habe schließlich damit geendet, daß dem Kläger mündlich gekündigt worden sei. Anschließend habe sich der Kläger in die Färberei begeben und dort bis 15.00 Uhr gearbeitet. Nach Arbeitsende sei dem Kläger das Kündigungsschreiben ausgehändigt worden.

Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats unwirksam, da im Zeitpunkt der Kündigung bei ihr kein Betriebsrat bestanden habe. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, den bei der Firma Egon D bestehenden Betriebsrat anzuhören. Entgegen der Ansicht des Klägers könne die Vorschrift des § 22 BetrVG auf Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht entsprechend angewandt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung sei wegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung und somit aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Die vom Kläger geltend gemachte Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht nicht überprüft.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sowohl die fehlende soziale Rechtfertigung als auch die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltend gemacht hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Es bedarf noch tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob die von der Beklagten erklärte ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist.

I. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Kündigung sei nicht wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, hält das angefochtene Urteil im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.

1. Zur Begründung seiner Ansicht hat das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt: Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sei der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Dies setze voraus, daß im Betrieb ein bereits handlungsfähiger Betriebsrat existiere. Eine Anhörungspflicht bestehe erst dann, wenn die Amtszeit des Betriebsrats begonnen und er sich konstituiert habe. Ein Betriebsrat habe aber im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr bestanden, sondern ein Betriebsobmann sei erst am 22. April 1987 gewählt worden. Den bei der Firma Egon D bestehenden Betriebsrat habe die Beklagte nicht anhören müssen. Zwar könne die rein funktionelle Aufteilung eines einheitlichen Betriebs in verschiedene Unternehmen die Beteiligungsrechte eines Betriebsrats nicht verkürzen; ein derartiger Fall liege hier aber nicht vor. Ein einheitlicher Betrieb mehrerer Unternehmen sei dann anzunehmen, wenn mehrere Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit fortgesetzt verfolgten. Die Einheit der Organisation sei zu bejahen, wenn ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden sei, der die Gesamtheit der für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel lenke. Dies setze voraus, daß die beteiligten Unternehmen sich zur gemeinsamen Führung eines Betriebs rechtlich verbunden hätten. Dabei müsse die einheitliche Leitung nicht ausdrücklich in vertraglichen Abmachungen der beteiligten Unternehmen geregelt sein. Eine entsprechende rechtliche Vereinbarung könne sich vielmehr auch aus tatsächlichen Umständen ergeben. Unstreitig fehle es schon an einem einheitlichen Leitungsapparat. Insbesondere ergebe sich ein solcher nicht aus den Umständen des vorliegenden Falles. Die Leitung beider Firmen liege in unterschiedlichen Händen. Der Kläger habe auch nicht dargetan, daß die Leitung der Firma Egon D und die Leitung der Beklagten die Gesamtheit der in beiden Unternehmen für die Erreichung ihrer arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel gemeinsam lenkten. Aus dem Umstand, daß die Beklagte ihr Unternehmen seit dem 1. Januar 1987 am selben Ort und in denselben Räumen weiter betreibe, in der die Firma Egon D vor der Unternehmensaufspaltung ihre Abteilung "Ausrüstung" gehabt habe, und daß dies in räumlicher Nähe zur Firma Egon D geschehe, spreche nicht zwingend für eine einheitliche Leitung beider Unternehmen. Eher spreche gegen eine einheitliche Leitung, daß die Beklagte zu einem erheblichen Teil Geschäfte mit Drittfirmen tätige und damit zu einer eigenen Geschäftspolitik genötigt sei, die unter Umständen den Interessen der Firma Egon D zuwiderlaufen könne. Insoweit bestehende Absprachen seien nicht dargetan. Allerdings habe die Beklagte keine eigene Personalverwaltung, sondern die insoweit anfallenden Arbeiten führe die Personalverwaltung der Firma Egon D gegen Erstattung der Kosten für die Beklagte aus. Indes ergebe sich hieraus nicht zwingend das Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparats. Insbesondere sei aus dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich, daß die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten von einem einheitlichen Leitungsapparat beider Unternehmen vorgenommen würden. Sei damit nicht von einem einheitlichen Betrieb der beiden Unternehmen auszugehen, sondern handele es sich um zwei Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, sei der bei der Firma Egon D bestehende Betriebsrat nicht berufen, die Beteiligungsrechte eines Betriebsrats auch im Betrieb der Beklagten wahrzunehmen. Da die Beklagte einen eigenen und nach § 1 BetrVG betriebsratsfähigen Betrieb habe, könnten die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur von einem solchen wahrgenommen werden, der in diesem Betrieb gewählt worden sei. Nichts anderes ergebe sich aus § 613 a BGB, da nur ein Betriebsteil übergegangen sei. Nachdem die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen seien, sei ausgeschlossen, daß der Betriebsrat der Firma Egon D die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte wahrnehme, die einem bei der Beklagten gewählten Betriebsrat zustünden. Der Betriebsrat sei, wie sich aus § 1 BetrVG ergebe, ausschließlich auf den einzelnen Betrieb bezogen, in dem er gewählt sei. Dementsprechend sei auch ein Restmandat des bei der Firma Egon D bestehenden Betriebsrats für die Belegschaft der Beklagten zu verneinen.

2. Diese Würdigung ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Kündigung der Beklagten vom 4. März 1987 dann nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam wäre, wenn die Firma Egon D und die Beklagte nach der Unternehmensaufspaltung (1. Januar 1987) einen einheitlichen Betrieb geführt hätten. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.

aa) Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Würdigung zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Zuständigkeit des Betriebsrats auf den jeweiligen Betrieb erstreckt, von dessen Belegschaft er gewählt worden ist. Die dem Betriebsrat zugewiesenen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben sind betriebsbezogen. Hierbei handelt es sich um ein grundlegendes Prinzip der Betriebsverfassung (vgl. § 1 BetrVG). Die Wahrnehmung von betriebsübergreifenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben steht bei Unternehmensidentität dem Gesamtbetriebsrat zu (vgl. §§ 47 ff. BetrVG). Eine unternehmensübergreifende betriebsverfassungsrechtliche Kompetenz kommt allein dem Konzernbetriebsrat zu (§§ 54 ff. BetrVG).

Für die Frage, ob ein Betriebsrat das ihm durch seine Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben beibehält, ist bei einer Unternehmensaufspaltung darauf abzustellen, ob die Identität des Betriebes fortbesteht. Auf dieses Merkmal hat auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem (zur Veröffentlichung bestimmten) Beschluß vom 28. September 1988 (1 ABR 37/87, unter B I 2 a der Gründe) abgestellt, indem er ausgeführt hat, ein Betriebsinhaberwechsel (§ 613 a BGB) lasse die Rechtsstellung des für den Betrieb gewählten Betriebsrats jedenfalls so lange unberührt, als die Identität des Betriebes unter dem neuen Betriebsinhaber fortbestehe. Diesem Standpunkt schließt sich der erkennende Senat an.

Im Streitfall kommt es daher maßgeblich darauf an, ob auch nach der zum 1. Januar 1987 vollzogenen Unternehmensaufspaltung die Identität des Betriebes fortbestanden hat. Dies wäre dann der Fall, wenn die Firma Egon D und die Beklagte zum Zeitpunkt einer nach § 102 BetrVG durchzuführenden Anhörung des Betriebsrats (4. März 1987) den bis zum 31. Dezember 1986 von der Firma Egon D allein geführten Betrieb als gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG fortgeführt hätten. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit Recht verneint.

bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt den zur Veröffentlichung bestimmten Senatsbeschluß vom 14. September 1988 (7 ABR 10/87, unter B 1 der Gründe) können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG bilden. Dies setzt voraus, daß sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebs rechtlich verbunden haben. Dabei muß die einheitliche Leitung nicht in einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt sein. Vielmehr genügt es, daß eine solche Vereinbarung stillschweigend geschlossen worden ist und sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten läßt (vgl. BAGE 45, 259, 267 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, zu I 2 a aa der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Denn ohne eine entsprechende rechtliche Vereinbarung ist nicht gewährleistet, daß der Betriebsrat in Fragen der sozialen und personellen Mitbestimmung einen zu einheitlicher Willensbildung für beide Unternehmen fähigen Ansprechpartner hat (siehe auch BAGE 52, 325, 334 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, zu B II 3 e der Gründe). Ergeben die Umstände des Einzelfalls, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, so führt dies regelmäßig zu dem Schluß, daß eine konkludente Führungsvereinbarung vorliegt (BAG Beschluß vom 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, unter III 3 a der Gründe).

cc) Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung ausgegangen und hat mit Recht das Vorliegen eines einheitlichen Betriebs unter Hinweis auf das Fehlen einer einheitlichen Leitung in sozialen und personellen Angelegenheiten verneint. Dabei hat es berücksichtigt, daß die einheitliche Leitung eines Betriebs durch mehrere Unternehmen nicht in einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung geregelt sein muß, sondern vielmehr genügt, daß eine solche Vereinbarung stillschweigend geschlossen worden ist und sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten läßt. Das Bestehen einer ausdrücklichen Vereinbarung hat der Kläger nicht behauptet und hierzu auch nichts vorgetragen. Darüber hinaus ergibt sich aus den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen nichts, was auf eine einheitliche Leitung schließen lassen könnte. Denn allein aufgrund des Umstands, daß die Beklagte als Unternehmen die vor der Unternehmensaufspaltung bestehende Abteilung "Ausrüstung" in denselben Räumen weiter betreibt, ergibt sich nichts für die Annahme einer einheitlichen Leitung. Selbst die räumliche Nähe sowie die geschäftliche Verbundenheit mit der Firma Egon D sind keine zwingenden Indizien für das Vorliegen einer konkludenten Führungsvereinbarung, da die Beklagte auch zu einem erheblichen Teil Geschäfte mit Drittfirmen tätigt und eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit nicht als Führung eines gemeinsamen Betriebs angesehen werden kann. Für die Annahme einer einheitlichen Leitung läßt sich auch nichts daraus herleiten, daß die Beklagte nicht über eine eigene Personalverwaltung verfügt, sondern die insoweit anfallenden Arbeiten von der Personalabteilung der Firma Egon D gegen Erstattung der Kosten erledigt werden. Es liegen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten von einem einheitlichen Leitungsapparat beider Unternehmen wahrgenommen werden. Daß die Beklagte nach der Unternehmensaufspaltung (1. Januar 1987) mit den von ihr fortgeführten Ausrüstungsarbeiten (insbesondere Färben und Drucken) einen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, der vor der Unternehmensaufspaltung einer der von der Firma Egon D verfolgten arbeitstechnischen Zwecke gewesen ist, läßt ebenfalls nicht auf das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes schließen. Nach der Unternehmensaufspaltung verfolgen die Firma Egon D und die Beklagte unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke, und zwar einerseits die Herstellung von Konfektionsware, andererseits die Durchführung von Ausrüstungsarbeiten.

Das Landesarbeitsgericht hat daher mit Recht angenommen, daß nach der Unternehmensaufspaltung zwei Betriebe mit unterschiedlichen Unternehmensträgern entstanden sind, so daß es im Streitfall an dem für das Fortbestehen des Betriebsratsmandats zwingenden Merkmal der Identität des Betriebs fehlt.

b) Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Revision, daß trotz Vorliegens zweier betriebsratsfähiger Betriebe der vor der Unternehmensaufspaltung für den damaligen Betrieb der Firma Egon D gewählte Betriebsrat aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 22 BetrVG oder aufgrund eines "Restmandats" bis zur Neuwahl einer Betriebsvertretung in dem von der Beklagten seit dem 1. Januar 1987 geführten Betrieb für die dort beschäftigten Arbeitnehmer zuständig bleibe. Diese Auffassung verkennt, daß das Betriebsratsmandat an die Identität des Betriebes gebunden ist und nicht auf einen anderen Betrieb ausgedehnt werden kann.

aa) Nach § 22 BetrVG führt der Betriebsrat in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG die Geschäfte weiter, bis der neue Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, daß die Belegschaft auch dann durch den Betriebsrat vertreten bleibt und der Betriebsrat die ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrnehmen kann, wenn dessen Amt aufgrund einer erheblichen Veränderung der Belegschaftsstärke, des Absinkens der Zahl der Betriebsratsmitglieder unter die gesetzliche Zahl oder eines durch Mehrheitsbeschluß erklärten Rücktritts des Betriebsrats vorzeitig geendet hat.

Einer analogen Anwendung des § 22 BetrVG auf Fälle der vorliegenden Art steht nicht schon entgegen, daß es sich bei dieser Vorschrift um eine Ausnahmebestimmung handelt, denn in den Grenzen des Grundgedankens der Ausnahmevorschrift ist eine Analogie statthaft (Senatsurteil vom 18. August 1982 - 7 AZR 437/80 - BAGE 40, 42, 47 = AP Nr. 24 zu § 102 BetrVG 1972, unter I 3 b bb der Gründe). In dem zuletzt genannten Urteil hat der Senat eine analoge Anwendung des § 22 BetrVG für den Fall angenommen, daß ein Betriebsrat für die Dauer der Äußerungsfristen des § 102 Abs. 2 BetrVG beschlußunfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG ist, weil in dieser Zeit mehr als die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Amtsausübung verhindert ist und nicht durch Ersatzmitglieder vertreten werden kann. Sowohl die vom Senat im Urteil vom 18. August 1982 (aaO) entschiedene Fallkonstellation als auch die gesetzlichen Fallgruppen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG setzen zwingend den Fortbestand der Identität des Betriebes voraus. Betriebsübergreifende betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben werden dem Betriebsrat in § 22 BetrVG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG auch nicht für eine vorübergehende Zeit eingeräumt. Die Betriebsbezogenheit des Betriebsratsamtes ist ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlich geregelten Fallgruppen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG, so daß es im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 22 BetrVG nicht gerechtfertigt ist, die zuletzt genannte Bestimmung in den Fällen der vorliegenden Art entsprechend anzuwenden.

Anders als in den gesetzlich geregelten Fallgruppen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG geht es vorliegend nicht um ein "einstweiliges" Verbleiben des Betriebsrats in seinem Amt zur Wahrnehmung der Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretung im Betrieb, sondern darum, ob ein vor der Unternehmensaufspaltung für einen damals bestandenen Betrieb gewählter Betriebsrat nach der Unternehmensaufspaltung vorübergehend betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben in einem anderen betriebsratsfähigen Betrieb eines anderen Unternehmensträgers hinsichtlich eines solchen Arbeitnehmers wahrnehmen darf, der zur Belegschaft des mit der Unternehmensaufspaltung neu entstandenen Betriebes gehört. Auf einen derartigen Sachverhalt kann § 22 BetrVG nicht entsprechend angewendet werden (a.A. Blank/Blanke/Klebe/Kümpel/Wendeling-Schröder/Wolter, Arbeitnehmerschutz bei Betriebsaufspaltung und Unternehmensteilung, 2. Aufl., S. 160; Metzke, AuR 1986, 78). Der in dieser Vorschrift enthaltene Grundgedanke der Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretung besagt, daß der Betriebsrat in den gesetzlich geregelten Fallgruppen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG in den Grenzen der Einheit des Betriebs für einen vorübergehenden Zeitraum (bis zur Wahl eines neuen Betriebsrates) die ihm zustehenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrnehmen soll. Es geht hier also immer nur um eine zeitliche, nicht aber um eine gegenständliche Ausdehnung des Mandats des Betriebsrats. Eine Ausdehnung betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretung dergestalt, daß der Betriebsrat Arbeitnehmer eines anderen Betriebs vertritt und die ihm kraft Amtes obliegenden Aufgaben und Rechte gegenüber einem anderen Arbeitgeber wahrnimmt, kommt allein schon deshalb nicht in Betracht, weil die betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertretung durch den Betriebsrat die Identität des Betriebs voraussetzt, für den der Betriebsrat gewählt ist.

bb) Aus demselben Grunde können auch die vom Bundesarbeitsgericht bei Betriebsstillegungen aufgestellten Grundsätze auf Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht angewendet werden (vgl. hierzu BAGE 16, 177 = AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG 1953; BAGE 29, 114 = AP Nr. 11 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972; BAGE 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; BAG Beschluß vom 14. November 1978 - 6 ABR 85/75 - AP Nr. 6 zu § 59 KO; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1979 - 1 ABR 112/77 - AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG 1972). Danach hat der Betriebsrat eines stillgelegten Betriebs auch nach der Stillegung noch ein Restmandat zur Wahrnehmung der sich im Zusammenhang mit der Betriebsstillegung ergebenden Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte. Ein Restmandat besteht aber nur insoweit, wie tatsächlich noch ein Betriebsrat als Vereinigung der Betriebsratsmitglieder mit dem Willen, ein Restmandat wahrzunehmen, existiert und im Zusammenhang mit der Betriebsstillegung noch Verhandlungsgegenstände offen sind (vgl. BAGE 35, 160 = AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972). So ist z.B. noch ein Restmandat anerkannt worden, wenn trotz tatsächlicher Stillegung des Betriebs noch nicht alle Arbeitsverhältnisse rechtlich beendet sind und einzelne Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden (BAGE 41, 72, 83 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, zu B I 3 der Gründe, mit weiteren Nachweisen).

Die Anerkennung eines Restmandats des Betriebsrats in den Fällen der Betriebsstillegung dient ebenso wie die Vorschrift des § 22 BetrVG der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit sowie der Kontinuität der auf Betriebsebene gewählten betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretung. Auch bei einer Betriebsstillegung besteht ein Restmandat des Betriebsrats nur in den Grenzen der in Auflösung begriffenen organisatorischen Einheit "Betrieb". Eine betriebs- oder gar unternehmensübergreifende Zuerkennung eines Restmandats des Betriebsrats widerspricht einem zwingenden betriebsverfassungsrechtlichen Prinzip, nach dem das Mandat des Betriebsrats an die Identität des Betriebes geknüpft ist (vgl. hierzu den Beschluß des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 28. September 1988, aaO, unter B I 2 a der Gründe).

Im Streitfall stand daher dem in der Firma Egon D vor der Unternehmensaufspaltung gewählten Betriebsrat kein "Restmandat" für die Wahrnehmung von betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben in dem von der Beklagten seit dem 1. Januar 1987 gegründeten betriebsratsfähigen Betrieb zu. Das Landesarbeitsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Kündigung der Beklagten vom 4. März 1987 nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist.

II. Soweit das Landesarbeitsgericht dagegen angenommen hat, die Kündigung der Beklagten vom 4. März 1987 sei aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, hält das angefochtene Urteil einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird die revisionsgerichtliche Nachprüfung der sozialen Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigung nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Revisionsbegründung des Klägers sich nur mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu der Frage, ob die Kündigung bereits wegen Nichtanhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam ist, befaßt und diese bekämpft, zu den die soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG bejahenden Ausführungen des angefochtenen Urteils jedoch keine Stellung nimmt. Nach § 559 Abs. 2 ZPO ist das Revisionsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Verstöße gegen materielles Recht sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, gleichviel, ob der Revisionskläger sie gerügt hat oder nicht. Ob ein Antrag des Revisionsklägers, die revisionsgerichtliche Nachprüfung auf bestimmte rechtliche Gesichtspunkte zu beschränken, zulässig wäre (so Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 559 Rz 15) kann hier dahinstehen; denn einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.

2. Das Landesarbeitsgericht nimmt eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Klägers an. Dabei geht es zutreffend davon aus, daß die beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen kann. In der Regel ist der Arbeitgeber sogar zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt (vgl. BAG Urteil vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - AP Nr. 6 zu § 8 a MuSchG 1968, unter B I 1 der Gründe). Eine beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht erfordert in der Person des Arbeitnehmers eine Nachhaltigkeit im Willen. Der Arbeitnehmer muß die ihm übertragene Arbeit bewußt und nachhaltig nicht leisten wollen. Beharrlichkeit setzt allerdings nicht notwendigerweise wiederholte Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers voraus. Auch die einmalige Vertragsverletzung kann das Merkmal der Beharrlichkeit erfüllen, wenn daraus der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers erkennbar wird, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachzukommen (BAG Urteil vom 31. Januar 1985, aaO, mit weiteren Nachweisen).

3. Nach den von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte die Arbeit verweigert. Die Aufforderung an den Kläger, in der Druckerei auszuhelfen, sei kurz nach der Mittagspause gegen 13.00 Uhr erfolgt, ohne daß vom Kläger verlangt worden sei, über zehn Stunden hinaus zu arbeiten. Der Arbeitsvertrag habe der Tätigkeit in der Druckerei nicht entgegengestanden; dem Kläger sei die Arbeit in der Druckerei auch zumutbar gewesen.

Diese tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, um das Vorliegen einer schuldhaften Verletzung der Arbeitspflicht zu begründen. Zwar steht danach für das Revisionsgericht bindend fest, daß der Kläger lediglich zur Weiterarbeit in der Druckerei, nicht jedoch zu einer über zehn Stunden hinausgehenden Tätigkeit aufgefordert worden ist; doch folgt daraus nicht zwingend, der Kläger habe die ihm übertragene Arbeit bewußt und nachhaltig nicht leisten wollen. Dies setzt vielmehr voraus, daß der Kläger die an ihn gerichtete Aufforderung auch so verstanden hat. Daran bestehen aber schon deshalb Zweifel, weil der Kläger in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, er habe sich wie schon am Tag zuvor gegen eine bei der Beklagten übliche, über zehn Stunden hinausgehende Arbeitszeit gewehrt, da ihm klar gewesen sei, daß er die ihm übertragenen Arbeiten nicht bis 15.00 Uhr werde erledigen und auch nicht mit einer Entbindung von diesen Tätigkeiten ab 15.00 Uhr werde rechnen können. Diesen Vortrag hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt und dementsprechend insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Hierauf kommt es aber entscheidend an, weil der Kläger einen Sachverhalt vorgetragen hat, der der Annahme einer beharrlichen Arbeitsverweigerung entgegensteht. Eine solche liegt nämlich nicht vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums der Ansicht ist, er brauche die ihm zugewiesene Arbeit nicht oder nicht in der gewünschten Form zu verrichten. Schuldlos ist der Irrtum aber nur, wenn der Arbeitnehmer trotz sorgfältiger Würdigung und Prüfung der Rechtslage überzeugt sein durfte, die Arbeit verweigern zu dürfen. Dabei reicht eine bloße Rechtsüberzeugung nicht aus. Vielmehr muß diese Rechtsansicht auf einer bestimmten Gesetzeslage bzw. der bisherigen Rechtsprechung oder bei einer zweifelhaften Rechtsfrage auf einer Rechtsauskunft einer geeigneten neutralen Stelle beruhen. Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum spricht vorliegend, daß der Kläger aufgrund der Vorkommnisse am 3. März 1987 bei der zuständigen Gewerkschaft Rechtsrat eingeholt hat und die an diesem Tage von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nach einer fernmündlichen Unterredung zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft zurückgenommen worden ist.

Zu der Frage, ob der Kläger schuldhaft die Arbeitspflicht verletzt hat, wird das Landesarbeitsgericht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen müssen. Sollte sich im erneuten Berufungsverfahren herausstellen, daß dem Kläger nur ein objektiver Verstoß gegen die Arbeitspflicht nachzuweisen ist, so kann dies die ordentliche Kündigung der Beklagten nur dann sozial rechtfertigen, wenn entweder die Folgen für die Beklagte erheblich waren (z.B. Verursachung eines beträchtlichen Schadens) oder wenn aufgrund objektiver Umstände mit wiederholten Arbeitspflichtverletzungen des Klägers zu rechnen war (vgl. BAG Urteil vom 4. November 1957 - 2 AZR 57/56 - AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; BAGE 11, 225 = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 232).

4. Das Landesarbeitsgericht wird auch zu beachten haben, daß es in den Fällen der vorliegenden Art einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung bedarf.

Weder das angefochtene Urteil noch die arbeitsgerichtliche Entscheidung, auf die das Landesarbeitsgericht gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug nimmt, enthalten eine einzelfallbezogene Interessenabwägung.

Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Becker

Lappe Dr. Knapp

 

Fundstellen

Haufe-Index 441068

BAGE 60, 191-205 (LT1)

DB 1989, 1194-1195 (LT1)

BetrVG, (1) (LT1)

ASP 1989, 165 (K)

Gewerkschafter 1989, Nr 7, 39-39 (T)

NZA 1989, 433-436 (LT1)

RdA 1989, 195

AP § 613a BGB (LT1), Nr 77

AR-Blattei, Betriebsinhaberwechsel Entsch 81 (LT1)

AR-Blattei, ES 500 Nr 81 (LT1)

ArbuR 1989, 354-356 (LT1)

EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 72 (LT1)

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