Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsschaden wegen unterlassener Aufklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist verpflichtet, den Arbeitnehmer bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses über die bestehenden Zusatzversorgungsmöglichkeiten und die Mittel und Wege zu ihrer Ausschöpfung zu belehren (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl zuletzt Urteil vom 23. Mai 1989 - 3 AZR 257/88 = AP Nr 28 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen mit weiteren Nachweisen).

2. Dieser Hinweis- und Aufklärungspflicht wird der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in der Regel dadurch genügen, daß er die Vorschriften der Versorgungsregelung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer zur Kenntnis bringt, insbesondere ihm ein entsprechendes Satzungsexemplar aushändigt (BAG Urteil vom 15. Oktober 1985 - 3 AZR 612/83 = AP Nr 12 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu II 2 b der Gründe).

3. Im Einzelfall kann der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auch verpflichtet sein, den Arbeitnehmer nach Ablauf einer zweijährigen Betriebszugehörigkeit darauf aufmerksam zu machen, daß er nunmehr innerhalb einer Frist von einem Monat den Antrag auf Annahme in die Pensionskasse stellen müsse. Von einem Arbeitnehmer kann nicht erwartet werden, daß er sich zwei Jahre im voraus den Beginn der Antragsfrist notiert oder sich merkt. Dem Arbeitgeber kann die Überwachung einer solchen Frist jedenfalls dann zugemutet werden, wenn er für andere Arbeitnehmer, die Pflichtmitglieder bei der Pensionskasse werden, ohnehin die Frist überwachen muß und wenn der Arbeitnehmer sich bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bereit erklärt hat, der Pensionskasse beizutreten.

 

Orientierungssatz

Die Verwirkung eines Anspruchs tritt dann ein, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit zuwartet (Zeitmoment) und daneben besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer der Verpflichtete nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment), und wenn die Erfüllung der Forderung dem Schuldner nicht mehr zuzumuten ist (Zumutbarkeitsmoment).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 242, 249, 254, 280; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 06.12.1990; Aktenzeichen 7 Sa 37/90)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.02.1990; Aktenzeichen 12 Ca 241/89)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen Verletzung einer Verpflichtung zum Hinweis auf die Möglichkeit, eine zusätzliche Altersversorgung durch eine Pensionskasse zu erreichen.

Der am 1. Mai 1928 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger und lebt seit 1962 in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2. April 1973 ist er bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der H Aktiengesellschaft anzuwenden.

Bei der Beklagten gibt es eine Pensionskasse, die "Pensionskasse der H Aktiengesellschaft - VVaG -". § 3 der Satzung der Pensionskasse bestimmt folgendes:

"Pflichtmitgliedschaft und Mitgliedschaft auf An-

trag

I. 1. Betriebsangehörige von beteiligten Unter-

nehmen werden nach einer Betriebszugehörigkeit

von 24 Monaten Mitglied der Kasse, sofern

a) sie das 21., aber noch nicht das 45. Lebens-

jahr vollendet haben,

b) ihre regelmäßige Arbeitszeit mindestens der

halben tariflichen Arbeitszeit entspricht,

c) ihnen eine Zusage auf Leistungen der betrieb-

lichen Altersversorgung noch nicht von einem be-

teiligten Unternehmen erteilt wurde,

d) ihr Arbeitsverhältnis bei einem beteiligten

Unternehmen nach dessen Beitritt zur Kasse begon-

nen hat.

2. Die Mitgliedschaft beginnt am ersten Tage des

Folgemonats nach Erfüllung der Voraussetzungen,

auch wenn frühere Dienstzeiten von den beteilig-

ten Unternehmen angerechnet werden. Eine Rück-

wirkung ist in jedem Falle ausgeschlossen.

3. Die beteiligten Unternehmen melden die Be-

triebsangehörigen, bei denen die in Ziffer 1 ge-

nannten Bedingungen für die Pflichtmitgliedschaft

erfüllt sind, rechtzeitig bei der Kasse an.

II. 1. Betriebsangehörige beteiligter Unterneh-

men, die das 45. Lebensjahr überschritten haben,

im übrigen jedoch die vorstehend genannten Vor-

aussetzungen erfüllen, können die Mitgliedschaft

auf Antrag erwerben. Der Antrag kann nur im

1. Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen ge-

stellt werden.

2. Ein beteiligtes Unternehmen kann bei seinem

Beitritt bestimmen, daß auch diejenigen Betriebs-

angehörigen, deren Mitgliedschaft nur nach Abs. 1

Ziffer 1 d) ausgeschlossen ist, mit deren Zu-

stimmung Mitglieder der Kasse werden.

III. Der Vorstand entscheidet über die Aufnahme

in die Kasse. Hierzu kann er alle für die An-

tragsprüfung erforderlichen Unterlagen anfordern.

Gegen die Entscheidung ist der Einspruch gemäß

§ 28 möglich.

IV. Die Mitgliedschaft wird den aufgenommenen

Betriebsangehörigen mit Angabe der Versicherungs-

nummer von der Kasse schriftlich bestätigt."

Am 22. März 1973 unterzeichnete der Kläger folgende Erklärung:

"Mir wurde heute die Satzung der Pensionskasse

der H Aktiengesellschaft

- VVaG - in der Fassung vom 1.1.1966 ausge-

händigt. Von den darin enthaltenen Bestimmungen

habe ich Kenntnis genommen.

Mir ist bekannt, daß gem. § 3 dieser Satzung

jeder Arbeitnehmer Mitglied der Pensionskasse

werden muß, wenn bei ihm die Voraussetzungen für

die Aufnahme erfüllt sind.

Die jeweils gültige Satzung erkenne ich als für

mich bindend an.

..."

Ebenfalls am 22. März 1973 erklärte der Kläger im Personalfragebogen unter Nr. 19, er sei bereit, der Pensionskasse beizutreten.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 16. März 1976 nach Ablauf der für ihn im Jahre 1975 abgelaufenen einmonatigen Antragsfrist die nachträgliche Aufnahme in die Pensionskasse. Die Pensionskasse lehnte die nachträgliche Aufnahme des Klägers mit Schreiben vom 19. März 1976 ab.

In den folgenden dreizehn Jahren unternahm der Kläger in dieser Angelegenheit nichts mehr. Nach einer Vorkorrespondenz im Frühjahr 1989, die erfolglos blieb, erhob er am 22. Juni 1989 Klage auf Feststellung, daß die Beklagte schadenersatzpflichtig sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihre Hinweispflichten verletzt. Dazu hat er behauptet, die Beklagte habe ihm die Satzung der Pensionskasse nicht ausgehändigt. Er sei niemals darauf hingewiesen worden, daß er selbst die Aufnahme in die Pensionskasse innerhalb einer bestimmten Frist beantragen müsse.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,

den Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn er

seit dem 1. Mai 1975 nach Maßgabe der Satzung der

Pensionskasse der H AG - VVaG -

als Mitglied versichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe die Satzung erhalten und dies durch seine Unterschrift bestätigt. Er sei bei seiner Einstellung auch darauf hingewiesen worden, daß er nicht kraft Satzung, sondern freiwillig Mitglied der Pensionskasse werden könne. Insbesondere sei er belehrt worden, daß er nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit innerhalb einer Monatsfrist einen Antrag zur Aufnahme in die Pensionskasse stellen müsse. Dem Kläger stehe daher kein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Hinweispflichten zu. Jedenfalls sei der Anspruch wegen Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist verfallen. Auch sei die Geltendmachung des Anspruchs verwirkt. Schließlich sei zumindest ein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten Schadenersatz verlangen wegen unzureichender Aufklärung über die Möglichkeit, einen Antrag zum Beitritt zur Pensionskasse des Arbeitgebers zu stellen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers zu Recht stattgegeben.

1. Der Kläger kann aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen positiver Vertragsverletzung (§§ 280, 286, 249 BGB) von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er seit dem 1. Mai 1975 nach Maßgabe der Satzung der Pensionskasse H AG - VVaG - als Mitglied versichert gewesen wäre. Der Senat hat zur Klarstellung den inhaltlich damit übereinstimmenden, jedoch mißverständlichen Feststellungsausspruch des Landesarbeitsgerichts entsprechend neu gefaßt.

2. Die Beklagte hat ihre Vertragspflichten gegenüber dem Kläger schuldhaft verletzt.

a) Die Beklagte ist als Unternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg, das öffentlich-rechtliche Aufgaben als Verkehrsbetrieb wahrnimmt, als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu behandeln. Als solcher ist die Beklagte verpflichtet, ihre Arbeitnehmer bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses über die bestehenden Zusatzversorgungsmöglichkeiten und die Mittel und Wege zu ihrer Ausschöpfung zu belehren (BAGE 14, 193 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst; seither ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil vom 23. Mai 1989 - 3 AZR 257/88 - AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, mit weiteren Nachweisen). Diese Belehrungspflicht hat ihren Grund darin, daß der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im allgemeinen über die bestehenden Versorgungssysteme nicht hinreichend unterrichtet ist, der Arbeitgeber aber über die notwendigen Kenntnisse verfügt.

b) Dieser Hinweis- und Aufklärungspflicht wird der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in der Regel dadurch genügen, daß er die Vorschriften der Versorgungsregelung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer zur Kenntnis bringt, insbesondere ihm ein entsprechendes Satzungsexemplar aushändigt (BAG Urteil vom 15. Oktober 1985 - 3 AZR 612/83 - AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu II 2 b der Gründe).

Das Landesarbeitsgericht hat die Frage, ob dem Kläger von der Beklagten die Satzung der Pensionskasse ausgehändigt wurde, offen gelassen. Dies ist nicht zu beanstanden, denn im Streitfalle hat die Beklagte ihrer Hinweis- und Aufklärungspflicht auch dann nicht genügt, wenn sie zu Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Kläger eine Satzung ausgehändigt und ihn auf sein Recht, die Aufnahme in die Pensionskasse zu beantragen, hingewiesen hat.

c) Der Anspruch auf Schadenersatz ist nämlich deshalb begründet, weil die Beklagte es unterlassen hat, den Kläger nach Ablauf der zweijährigen Betriebszugehörigkeit darauf aufmerksam zu machen, daß er nunmehr innerhalb einer Frist von einem Monat den Antrag auf Aufnahme in die Pensionskasse stellen müsse.

Da der Kläger bereits am 1. Mai 1973 das 45. Lebensjahr vollendet hatte, wurde er nicht nach § 3 I Nr. 1 der Satzung der Pensionskasse nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit automatisch Mitglied der Pensionskasse, sondern mußte nach § 3 II Nr. 1 einen Antrag stellen, um diese Mitgliedschaft zu erwerben. Diesen Antrag konnte der Kläger nur im Monat nach Ablauf der ersten 24 Monate seiner Betriebszugehörigkeit stellen. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß diese Satzungsregelung die Gefahr in sich birgt, daß der Arbeitnehmer die nur einmonatige Frist zur Antragstellung versäumt.

Aus Fürsorgegründen ist der Arbeitgeber daher verpflichtet, zu Beginn der Antragsfrist den Arbeitnehmer auf die Frist aufmerksam zu machen, dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Satzung erhalten hatte und er zu Beginn des Arbeitsverhältnisses auf die spätere Antragsfrist hingewiesen wurde. Auch im Falle einer Belehrung und Aushändigung der Satzung kann von einem Arbeitnehmer nicht erwartet werden, daß er sich zwei Jahre im voraus den Beginn der Antragsfrist notiert oder sich merkt.

Der Beklagten war es aber zuzumuten, die Frist zu überwachen und den Kläger rechtzeitig an die Frist zu erinnern, zumal sie für die Arbeitnehmer, die Pflichtmitglieder bei der Pensionskasse werden (§ 3 I der Satzung), ohnehin die Frist überwachen und diese Arbeitnehmer von sich aus anmelden mußte (§ 3 I Nr. 3 der Satzung).

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger zudem bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses im Personalfragebogen erklärt, daß er bereit sei, der Pensionskasse beizutreten. Ob die Beklagte bereits aufgrund dieser Erklärung verpflichtet war, den Kläger bei der Pensionskasse anzumelden, kann offen bleiben. Jedenfalls mußte sie den Kläger im Jahre 1975 rechtzeitig befragen, ob er nunmehr in die Pensionskasse aufgenommen werden wolle. Dies hat die Beklagte schuldhaft unterlassen.

3. Das Verhalten der Beklagten war für den Schaden des Klägers ursächlich. Wäre der Kläger rechtzeitig auf den Beginn der Antragsfrist hingewiesen worden, hätte er den Antrag gestellt und wäre in die Pensionskasse aufgenommen worden.

Es ist davon auszugehen, daß kein Arbeitnehmer sich rentenschädigend verhält. Es kann daher zugunsten eines Arbeitnehmers nach den Grundsätzen der Beweislastumkehr als erwiesen angesehen werden, daß er bei sachgemäßer Belehrung sein Eigeninteresse in vernünftiger Weise gewahrt hätte (BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 - 3 AZR 168/82 - AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, unter 2 der Gründe, m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hätte der Kläger zwar 50 % der Kassenbeiträge selbst aufwenden müssen. Einen vernünftigen Arbeitnehmer hätte diese Beitragsbeteiligung nicht abgehalten, seine Altersversorgung zu verbessern. Im Falle des Klägers kommt hinzu, daß er seine Bereitschaft, der Pensionskasse beizutreten, bereits im Personalfragebogen erklärt hatte.

4. An der Entstehung und am Umfang des Schadens trifft den Kläger kein den Umfang der Schadenersatzverpflichtung einschränkendes Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 und 2 BGB).

a) Nach § 254 Abs. 1 BGB hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend vom Kläger oder von der Beklagten verursacht worden ist. Auch insoweit kann offen bleiben, ob dem Kläger die Satzung der Pensionskasse zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt wurde. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte der Kläger aus der Satzung zwar das Verfahren zur Aufnahme in die Pensionskasse und die Antragsfrist entnehmen können. Sein mitwirkendes Verschulden könnte aber im Hinblick auf das erheblich höhere Verschulden der Beklagten außer Betracht bleiben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Kläger seine grundsätzliche Bereitschaft, der Pensionskasse beizutreten, erklärt hatte. Bei dieser Sachlage konnte er darauf vertrauen, daß sein Arbeitgeber für die rechtzeitige technische Abwicklung des Aufnahmeverfahrens sorgen werde.

b) Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist dem Geschädigten als Mitverschulden zuzurechnen, wenn er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.

Der Kläger hat nach Ablauf der Antragsfrist die nachträgliche Aufnahme in die Pensionskasse beantragt. Damit hat er versucht, den Schaden abzuwenden. Daß er auf das ablehnende Schreiben der Pensionskasse vom 19. März 1976 nichts mehr unternommen hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden.

5. Der Schadenersatzanspruch ist nicht infolge des Ablaufes einer tariflichen Verfallfrist erloschen.

Nach § 21 des Manteltarifvertrags der H AG erlöschen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Es ist bereits fraglich, ob die Ausschlußfrist den Versorgungsverschaffungsanspruch und den ihn ersetzenden Schadenersatzanspruch erfaßt. Zumindest nach ihrem Zweck ist eine einschränkende Auslegung geboten. Tarifliche Verfallfristen sollen eine kurzfristige Abwicklung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sicherstellen. Sie sollen aber nicht Ansprüche beschneiden, die erst entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird und der Ruhestand beginnt (BAG Urteil vom 13. Dezember 1988 - 3 AZR 252/87 - AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 3 der Gründe). Im übrigen entsteht der Schaden hier erst bei Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Der Schadenersatzanspruch wird auch dann erst fällig. Deshalb hat die tarifliche Ausschlußfrist - wollte man § 21 MTV überhaupt anwenden - noch nicht zu laufen begonnen.

6. Schließlich kann die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg auf Verwirkung des Schadenersatzanspruchs berufen.

Die Verwirkung eines Anspruchs tritt dann ein, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit zuwartet (Zeitmoment) und daneben besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer der Verpflichtete nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment), und wenn die Erfüllung der Forderung dem Schuldner nicht mehr zuzumuten ist (Zumutbarkeitsmoment).

Es ist bereits fraglich, ob der Kläger mit der Geltendmachung der Schadenersatzforderung längere Zeit zugewartet hat. Vor seinem Ruhestand war weder der Schaden entstanden noch die Schadenersatzforderung fällig geworden. Jedenfalls hat der Kläger sich nicht so verhalten, daß die Beklagte annehmen durfte, er werde seinen Schadenersatzanspruch nicht geltend machen. Vor dem Ruhestand des Klägers konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, daß der Kläger keinen Ersatz des Versorgungsschadens wegen Verletzung von Hinweispflichten verlangen werde.

7. Da nach § 3 I Nr. 2 der Satzung der Pensionskasse die Mitgliedschaft am ersten Tag des Folgemonats nach Erfüllung der Voraussetzungen beginnt, ist der Kläger so zu stellen, als wäre er seit dem 1. Mai 1975 Mitglied der Pensionskasse geworden. Als Vorteilsausgleich muß der Kläger sich die ersparten Beitragsbeteiligungen anrechnen lassen.

Dr. Heither Dr. Wittek Kremhelmer

Dr. Schmidt Eckhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 438596

BB 1992, 2081

BB 1992, 2081-2082 (LT1-3)

DB 1992, 1938-1939 (LT1-3)

EWiR 1992, 855 (S)

JR 1992, 528

JR 1992, 528 (S)

NZA 1992, 973

NZA 1992, 973-974 (LT1-3)

RdA 1992, 283

ZAP, EN-Nr 833/92 (S)

ZTR 1992, 431-432 (LT1-3)

AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse (LT1-3), Nr 32

EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht, Nr 57 (LT1-3)

EzBAT § 8 BAT Fürsorgepflicht, Nr 29 (LT1-3)

PersV 1993, 410-411 (L)

VersR 1992, 1423 (L)

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