Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Durchführungspflicht im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Deutsche Tarifvertragsparteien können für ausschließlich im Ausland zu erfüllende Arbeitsverträge Tarifverträge abschließen. Diese Tarifverträge treten nur hinter zwingendes ausländisches Recht zurück.

2. Die aus dem schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrages folgende Einwirkungs- und Durchführungspflicht kann im Wege der Feststellungsklage gegen eine Tarifvertragspartei verfolgt werden (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats - zuletzt BAG Urteil vom 3.2.1988, 4 AZR 513/87 = BAGE 57, 268 = AP Nr 20 zu § 1 TVG Tarifverträge - Druckindustrie).

3. Hat ein Arbeitgeber einen Haustarifvertrag abgeschlossen, so ist er verpflichtet, auf ein rechtlich selbständiges Tochterunternehmen einzuwirken, den Haustarifvertrag anzuwenden, wenn das Tochterunternehmen nur aus Gründen des internationalen Rechts verselbständigt wurde, aber tatsächlich von der Haustarifvertragspartei ideell, wirtschaftlich und verwaltungsmäßig abhängt. Dies gilt insbesondere, wenn die Arbeitsverhältnisse der beschäftigten Arbeitnehmer nur deswegen auf das Tochterunternehmen übertragen wurden, um die Arbeitsbedingung abzusenken.

4. Die Einwirkungspflicht findet ihre Grenzen an zwingendem ausländischen Recht.

 

Orientierungssatz

Auslegung des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten von 19.11.1973 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 1.1.1977 und 1.12.1982.

 

Normenkette

TVG § 1; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 10.07.1990; Aktenzeichen 3 Sa 436/88)

ArbG München (Entscheidung vom 13.01.1988; Aktenzeichen 8 Ca 4472/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anwendung des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten vom 19. November 1973 mit späterer Änderung.

Der Beklagte ist ein eingetragener Verein mit der satzungsgemäßen Aufgabe, die deutsche Sprache und die deutsche Kultur im Ausland zu fördern und zu verbreiten. Er unterhält zu diesem Zweck Zweigstellen in über sechzig Ländern der Erde, die aus Gründen des Rechts des jeweiligen Gastlandes teilweise rechtlich selbständig organisiert sind. Sämtliche Zweigstellen werden von dem Beklagten finanziert. Der Beklagte erhält zur Durchführung seiner Aufgaben Zuwendungen aus Haushaltsmitteln der Bundesrepublik Deutschland.

Im Jahre 1966 dehnte der Beklagte seine satzungsgemäße Tätigkeit auf die Vereinigten Mexikanischen Staaten (Mexiko) aus. Zwingende Vorschriften des mexikanischen Rechts verwehrten es dem Beklagten, in Mexiko Zweigstellen in eigenem Namen zu betreiben.

Der Beklagte gründete daher mit notarieller Urkunde vom 1. April 1966 einen eingetragenen, rechtsfähigen und rechtlich selbständigen Verein nach mexikanischem Zivilrecht unter dem Namen "Instituto Goethe Asociacion Civil" (IGAC), dessen Vorstand aus Personen mit mexikanischer Staatsangehörigkeit besteht. Der IGAC betreibt in Mexiko zwei Institute (Mexico City und Guadalajara). An diesen Instituten sind u. a. deutsche nicht entsandte Lehrkräfte und mexikanische Lehrkräfte beschäftigt.

Die mexikanischen Lehrkräfte haben seit jeher Arbeitsverträge mit dem IGAC nach mexikanischem Recht.

Die deutschen Lehrkräfte hatten ursprünglich Arbeitsverträge mit der Beklagten nach deutschem Recht. Die Parteien schlossen im Jahre 1973 den TV Goethe-Institut, der in der Folgezeit auf die Arbeitsverhältnisse der deutschen Lehrkräfte Anwendung fand.

In diesem Tarifvertrag i. d. F. vom 1. Dezember 1982 heißt es u. a.:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für Deutsche i. S. des

Art. 116 des Grundgesetzes, die bei den im Aus-

land gelegenen Zweigstellen des Goethe-Instituts

zur Pflege deutscher Sprache und Kultur im Aus-

land e. V., München, - im folgenden Goethe-In-

stitut genannt -, an Ort und Stelle als Ange-

stellte des Goethe-Instituts eingestellt und be-

schäftigt werden und die aus Mitteln des Bundes

vergütet werden.

§ 2

Geltung des Tarifrechts der deutschen nicht ent-

sandten Angestellten bei Auslandsvertretungen der

Bundesrepublik Deutschland

(1) Für die in § 1 genannten Angestellten gel-

ten die für die unter den Tarifvertrag zur

Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den

Auslandsvertretungen der Bundesrepublik

Deutschland beschäftigten deutschen nicht

entsandten Angestellten (TV Ang Ausland)

vom 28. September 1973 fallenden Angestell-

ten jeweils geltenden Tarifvorschriften als

vereinbart, soweit nachstehend nicht etwas

Abweichendes bestimmt ist.

...

(2) Zwingendes Ortsrecht bleibt unberührt.

Protokollnotiz zu § 2 Abs. 2:

Zwingendes Ortsrecht sind solche Rechtsvor-

schriften, die unter Berücksichtigung des

internationalen Privatrechts weder durch

diesen Tarifvertrag noch einzelarbeitsver-

traglich wirksam ausgeschlossen oder er-

setzt werden."

Der Beklagte gewährte den deutschen Lehrkräften eine Vergütung, die derjenigen nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) entsprach. Die mexikanischen Lehrkräfte erhielten von der IGAC eine Vergütung nach dem Grundsatz der Ortsüblichkeit. Sie ist seit dem Jahre 1983 weit hinter der BAT-Vergütung zurückgeblieben. Sie erreicht aber noch die der Bezüge eines Professors an der Universität Mexico City.

Auf Klage der mexikanischen Sprachlehrer gegen den IGAC haben mexikanische Arbeitsgerichte erkannt, daß die Ungleichbehandlung der mexikanischen Sprachlehrer gegenüber den deutschen Sprachlehrern gegen zwingende Vorschriften des mexikanischen Arbeitsrechts verstößt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des mexikanischen Rechts verlange, die Sprachlehrer ungeachtet ihrer Nationalität wegen ihrer Vergütung gleichzustellen, da sie am selben Institut und mit derselben Tätigkeit beschäftigt seien. Der formale Abschluß der Arbeitsverträge der mexikanischen Sprachlehrer mit dem IGAC und der deutschen Sprachlehrer mit dem Beklagten sei kein zulässiges Differenzierungsmerkmal.

Der Beklagte sah sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die vom mexikanischen Recht verlangte Gleichbehandlung dadurch zu verwirklichen, daß auf die Arbeitsverhältnisse der mexikanischen Sprachlehrer der TV Goethe-Institut Anwendung findet und die Vergütung nach BAT erfolgt. Das Präsidium des Beklagten beschloß daher die Schließung der Sprachkurse in Mexiko und die Kündigung der deutschen Sprachlehrer. Die von den gekündigten Lehrern erhobenen Kündigungsschutzklagen endeten durch einen außergerichtlichen Vergleich. Die Sprachlehrer vereinbarten mit der Beklagten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1986. Sie erhielten Abfindungen in Höhe von insgesamt 708.770,53 DM. Zugleich schlossen sie Arbeitsverträge mit dem IGAC nach mexikanischem Recht mit Wirkung vom 1. Januar 1987. Sie erhalten nunmehr eine Vergütung nach dem Grundsatz der Ortsüblichkeit, deren Höhe etwa 50 % der BAT-Vergütung beträgt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr organisierten deutschen Sprachlehrer sei weiterhin der TV Goethe-Institut anzuwenden. Die Goethe-Institute in Mexiko seien "Zweigstellen" i. S. des § 1 TV Goethe-Institut , da der Tarifvertrag auch rechtlich selbständige Zweigstellen erfasse. Der IGAC sei daher tarifgebunden.

Die Anstellung der deutschen Sprachlehrer bei dem IGAC sei nur formal, da der Beklagte der eigentliche Arbeitgeber der deutschen Sprachlehrer sei. Der Abschluß der Auflösungsverträge und die Herbeiführung neuer Arbeitsverträge mit dem IGAC nach mexikanischem Recht sei allein zur Umgehung des Tarifvertrages erfolgt und stelle daher eine Verletzung der tarifvertraglichen Durchführungspflicht dar.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte mit dem

Abschluß von Arbeitsverträgen nach mexika-ni-

schem Recht mit den an den Goethe-Instituten

Mexico City und Guadalajara beschäftigten

deutschen nicht entsandten Sprachlehrern zum

1. Januar 1987 gegen seine Durchführungs-

pflicht aus dem Tarifvertrag zur Regelung der

Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen

des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten

nicht entsandten Angestellten vom 19. November

1973 i. d. F. vom 1. Dezember 1982, abge-

schlos-sen zwischen dem Beklagten und der Kla-

gepartei, verstoßen hat.

2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte aus dem

im Klageantrag zu 1. genannten Tarifvertrag

verpflichtet ist, die an den Goethe-Instituten

Mexico City und Guadalajara über das IGAC be-

schäftigten deutschen nicht entsandten Sprach-

lehrer nach Maßgabe dieses Tarifvertrages zu

behandeln.

3. Dem Beklagten wird aufgegeben, auf das Ar-

beitsverhältnis zwischen den an den genannten

Goethe-Instituten über das IGAC beschäftigten

deutschen nicht entsandten Sprachlehrern und

etwa entsandten Sprachlehrern den zwischen ihm

und der Klägerin am 19. November 1973 abge-

schlossenen Tarifvertrag i. d. F. vom 1. De-

zember 1982 anzuwenden.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte ver-

pflichtet ist, auf die IGAC dahin einzuwirken,

daß auf das Arbeitsverhältnis der bei dem IGAC

beschäftigten nicht entsandten deutschen

Sprachlehrer der Tarifvertrag zur Regelung der

Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen

des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten

nicht entsandten deutschen Angestellten vom

19. November 1973 i. d. F. vom 1. Dezember

1982 angewendet wird.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Anwendung des TV Goethe-Institut stehe zwingendes mexikanisches Ortsrecht entgegen.

Der IGAC sei eine rechtlich selbständige juristische Person des mexikanischen Rechts und als solche ausländischen Normen nicht unterworfen. Es fehle daher an der Tarifbindung des IGAC. Dieser sei auch Arbeitgeber der deutschen Sprachlehrer, da er nach zwingendem mexikanischen Arbeitsrecht sämtliche Arbeitgeberfunktionen zu erfüllen habe und einer ausländischen Institution wie dem Beklagten nicht untergeordnet sein könne.

Bei einer Anwendung des TV Goethe-Institut auf die an den Goethe-Instituten in Mexiko beschäftigten deutschen Sprachlehrer sei der Beklagte nach dem zwingenden mexikanischen Arbeitsrecht gezwungen, auch die nichtdeutschen Sprachlehrer nach dem BAT zu behandeln und zu vergüten. Dieses sei ihr aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar und verstoße außerdem gegen den mit ihrem Zuwendungsgeber Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Rahmenvertrag, der für die Vergütung der nichtdeutschen Ortskräfte den Grundsatz der Ortsüblichkeit vorschreibe. Die Folge der Anwendbarkeit des TV Goethe-Institut sei daher letztlich die Schließung der Goethe-Institute in Mexiko.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klageziel mit Ausnahme des Klageantrages zu 3. weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht verlangen, daß diese den Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten anwendet. Die Klägerin kann allein verlangen, daß der Beklagte auf den IGAC einwirkt, den Tarifvertrag anzuwenden.

I. Der Klageantrag, mit dem die Klägerin Feststellung begehrt, daß der Beklagte gegen seine Durchführungspflicht aus dem Tarifvertrag verstoßen hat, ist unzulässig. Nach § 256 ZP0 kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein Rechtsverhältnis ist dann gegeben, wenn zwischen mehreren Personen oder zwischen Personen und Sachen rechtliche Beziehungen bestehen (BAGE 63, 232, 237 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Berufssport; BAG Urteil vom 27. Juni 1989 - 1 AZR 404/88 - AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu III der Gründe). Die Klägerin hat aber nicht Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt, sondern die Feststellung, daß ein bestimmtes Verhalten oder Unterlassen rechtswidrig sei. Dies ist kein Rechtsverhältnis (BAG Urteil vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu IV 1 der Gründe; BAG Urteil vom 27. Juni 1989, aa0, zu III der Gründe).

II. Die Feststellungsklage, mit der die Klägerin die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet ist, auf die Arbeitsverhältnisse der bei dem IGAC beschäftigten Lehrkräfte den Tarifvertrag anzuwenden, ist unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klage zulässig ist. Mit der Verbandsklage wird die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung des Tarifvertrages begehrt. Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Durchführungspflicht im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden kann (BAGE 39, 138 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; BAGE 57, 268, 274 = AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; ebenso Hagemeiner/Kempen/Zachert/ Zilius, TVG, 2. Aufl., § 9 Rz 1; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 9 Rz 6).

2. Der Beklagte hat aber keine Durchführungspflicht wegen des Tarifvertrages bei den Arbeitnehmern des IGAC.

a) Aus dem Tarifvertrag folgt die schuldrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, für die Durchführung des Tarifvertrages zu sorgen. Das gilt erst recht für den Arbeitgeber, der selbst Partei eines Haustarifvertrages ist. Die Durchführungspflicht ist eine Konkretisierung der vertraglichen Verpflichtung, Verträge auch einzuhalten. Die Durchführungspflicht setzt aber voraus, daß die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer überhaupt vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfaßt werden.

b) Nach seinem örtlichen und persönlichen Geltungsbereich gilt der Tarifvertrag für Deutsche im Sinne des Art. 116 GG, die bei den im Ausland gelegenen Zweigstellen der Beklagten zur Pflege deutscher Sprache und Kultur im Ausland an Ort und Stelle als Angestellte des Beklagten eingestellt und beschäftigt werden.

Es unterliegt keinen Rechtsbedenken, daß der Tarifvertrag ausschließlich Regelungen für Arbeitsverhältnisse im Ausland beschäftigter deutscher Angestellter zum Gegenstand hat. Dies ist zulässig (Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 360 ff.; Däubler/Hege, TVG, 2. Aufl., Rz 670 ff.; Birk, Festschrift für Beitzke, S. 831, 853 ff.; Walz, Multinationale Unternehmen und internationaler Tarifvertrag, S. 147 f.; MünchKomm-Martiny , 2. Aufl., Art. 30 EGBGB Rz 84; Friedrich, RdA 1980, 109; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 4. Aufl., Rz 752; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 4 Rz 63 ff.; unklar Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 30 einerseits, Rz 32 andererseits). Tarifverträge werden dem Privatrecht zugeordnet; dann gilt aber auch für sie der Grundsatz, daß die Tarifvertragsparteien das Rechtsstatut bestimmen können.

Der Tarifvertrag setzt aber voraus, daß die Arbeitnehmer "an Ort und Stelle als Angestellte" des Beklagten eingestellt und beschäftigt werden. Dies ist nicht der Fall. Die in Mexiko beschäftigten Lehrkräfte stehen nicht in Diensten des Beklagten.

3. Die Lehrkräfte in Mexiko stehen in den Diensten des IGAC.

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Arbeitsverhältnisse der in Mexiko beschäftigten Lehrkräfte mit dem 31. Dezember 1986 gegen Zahlung von Abfindungen gelöst worden sind. Die Lehrkräfte haben darauf mit dem nach mexikanischem Recht als selbständige juristische Person im Jahre 1966 gegründeten IGAC Arbeitsverträge nach mexikanischem Recht geschlossen.

Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung war wirksam. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dies nur ein Scheingeschäft sein sollte (§ 117 Abs. 1 BGB).

Ebensowenig sind Rechtsbedenken gegen die Begründung von Arbeitsverhältnissen der Lehrkräfte nach mexikanischem Recht zu einer mexikanischen juristischen Person zu erheben.

b) Auch die tatsächliche Durchführung der Verträge der Lehrkräfte in Mexiko läßt keine Schlußfolgerung dahin zu, daß der Beklagte unmittelbarer oder mittelbarer Arbeitgeber der Lehrkräfte ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die rechtliche Einordnung eines Rechtsverhältnisses nicht die Bezeichnung, sondern der wirkliche Geschäftsinhalt maßgebend (BAGE 30, 163, 172 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 4 der Gründe; BAGE 41, 247, 258 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe). Es sind keine Feststellungen getroffen, daß die Durchführung der Arbeitsverträge den Schluß zuläßt, der Beklagte sei allein oder neben dem IGAC Vertragspartner der Lehrkräfte. Die Lehrkräfte haben dem IGAC ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Dem IGAC steht das vertragliche Weisungsrecht zu. Der IGAC hat die Lehrkräfte angestellt und besoldet sie.

Der Beklagte ist auch nicht mittelbarer Arbeitgeber der Lehrkräfte in Mexiko. Von einem mittelbaren Arbeitsverhältnis wird dann gesprochen, wenn sich ein Arbeitnehmer gegenüber einem Mittelsmann, der selbst Arbeitnehmer eines Dritten ist, zur Leistung von Arbeit verpflichtet, wobei die Arbeit tatsächlich mit Wissen des Dritten unmittelbar für diesen geleistet wird (BAGE 6, 232 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis; BAGE 40, 145, 149 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Hausmeister, zu II 2 der Gründe). Ein mittelbares Arbeitsverhältnis ist schon deswegen nicht gegeben, weil der IGAC nicht Arbeitnehmer der Beklagten ist. Im übrigen macht die bloß wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens das herrschende Unternehmen noch nicht zum mittelbaren Arbeitgeber.

4. Der Auffassung der Revision kann nicht gefolgt werden, daß der Beklagte sich die Arbeitsverhältnisse der bei dem IGAC beschäftigten Lehrkräfte zurechnen lassen müsse. Die in Mexiko beschäftigten Lehrkräfte haben Arbeitsverträge zum IGAC, einer juristischen Person mexikanischen Rechts, begründet. Das Prinzip getrennter juristischer Personen kann nicht aufgehoben werden.

III. Die Klägerin kann aber verlangen, daß der Beklagte auf den IGAC einwirkt, den Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen beschäftigten deutschen Arbeitnehmer anzuwenden.

1. Der IGAC selbst ist nicht an den Tarifvertrag gebunden.

a) Nach § 3 Abs. 1 TVG sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Der IGAC hat den TV Goethe-Institut nicht abgeschlossen. Er ist auch nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei. Daß er rechtlich und wirtschaftlich von dem Beklagten abhängig ist, macht ihn nicht zu dessen Mitglied, sondern - allenfalls vergleichbar - zu einem abhängigen Unternehmen. Es ist aber anerkannt, daß abhängige, rechtlich selbständige Unternehmen nicht tarifgebunden werden, wenn die Muttergesellschaft tarifgebunden ist (Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aa0, § 3 Rz 8; Wiedemann/Stumpf, aa0, § 3 Rz 42).

b) Auch eine Tarifbindung nach § 5 TVG scheidet aus, weil der Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden ist.

2. Der Beklagte ist aber gehalten, auf den IGAC einzuwirken, den Tarifvertrag Goethe-Institut anzuwenden.

a) Aus § 1 des Tarifvertrages ergibt sich, daß für die Ortskräfte der bei dem Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich der Tarifvertrag Goethe-Institut gelten soll. Nach dem Wortlaut werden von § 1 des Tarifvertrages nur Arbeitnehmer des Beklagten, nicht aber solche rechtlich selbständiger Zweigstellen erfaßt. Gleichwohl ist es gerechtfertigt, daß der Beklagte darauf einwirkt, daß auch die rechtlich selbständigen Zweigstellen auf die Arbeitsverträge der tarifgebundenen Arbeitnehmer den TV Goethe-Institut anwenden. Rechtlich selbständige Tochterunternehmen eines tarifgebundenen Arbeitgebers müssen die Tarifverträge anwenden, wenn die rechtliche Verselbständigung nur aus Gründen des internationalen Rechts erfolgt ist und das Tochterunternehmen tatsächlich wie eine unselbständige Unternehmensabteilung beherrscht wird. Die Gründung einer eigenen juristischen Person ist nicht zur Verwirklichung eigener Unternehmensziele erfolgt, sondern um dem Ortsrecht Rechnung zu tragen. Die tatsächliche Beherrschung des Tochterunternehmens verhindert eine eigene Unternehmensplanung.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der IGAC aber zumindest faktisch beherrscht. Daß nach mexikanischem Recht eine rechtliche Beherrschung ausgeschlossen ist, ist dagegen unerheblich. Der IGAC ist kraft Satzungsrechtes in die ideelle Zielsetzung des Beklagten eingebunden. Er hat die deutsche Sprache und Kultur in Mexiko zu verbreiten. Nach den Lehrplanungen des Beklagten richtet sich die Durchführung dieses Ziels. Der Beklagte schafft die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Durchführung der ideellen Zielsetzung. Er erstattet dem IGAC die Aufwendungen für das Lehrpersonal. Er beschließt Aufrechterhaltung und Schließung des Lehrbetriebes. Er kann Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse des Lehrpersonals erzwingen.

b) Die Einwirkungspflicht des Beklagten folgt aber auch aus der tarifvertraglichen Dauerrechtsbeziehung zwischen den Parteien. Die Parteien schließen Tarifverträge zur Regelung der Rechtsverhältnisse der bei dem Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Aus den schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien folgt einmal die Einwirkungspflicht, daß die Tarifverträge auch durchgeführt werden. Die Einwirkungspflicht beinhaltet aber auch zum anderen zugleich die Verpflichtung, alles zu unterlassen, durch das die tarifvertraglichen Regelungen leerlaufen können und die Existenz des Tarifpartners ausgehöhlt wird. Eine Tarifvertragspartei darf insbesondere nicht - wie vorliegend der Beklagte - auf Mitglieder der anderen Tarifvertragspartei einwirken, durch Auflösung des Arbeitsvertrages mit einem organisierten Arbeitgeber und Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit einem nicht organisierten Arbeitgeber aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages auszuscheiden. Der Beklagte darf nicht die Flucht aus dem Tarifvertrag fördern, sondern muß ihn in seinem Bereich durchsetzen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Verlagerung der Arbeitsverhältnisse auf den IGAC durch den Beklagten allein deshalb durchgeführt worden ist, weil der Beklagte angenommen hat, durch die Verlagerung den Tarifvertragswirkungen entgehen und eine gleiche, abgesenkte Vergütung für Deutsche und Mexikaner in Mexiko durchsetzen zu können. Die Unterlassungsverpflichtung ist um so mehr gerechtfertigt, weil ihre Verletzung dazu führen muß, die gegnerische Tarifvertragspartei zu schwächen, weil für deren Mitglieder die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft der in Mexiko beschäftigten Arbeitnehmer sonst sinnlos werden könnte.

c) Dem Beklagten kann nicht gefolgt werden, daß seiner Durchführungspflicht Gründe des mexikanischen Rechts entgegenstehen. Nach § 2 Abs. 2 TV Goethe-Institut tritt der Tarifvertrag hinter zwingendes Ortsrecht zurück. Nach den auf ein Sachverständigengutachten gestützten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schließt das mexikanische Recht die normative Wirkung deutscher Tarifverträge in Mexiko aus. Dadurch wird aber nicht die vertragliche Ausrichtung des Arbeitsverträge nach dem Tarifvertragsrecht verhindert, zumal nach denselben Ausführungen des Sachverständigen auch für das mexikanische Recht das Günstigkeitsprinzip gilt. Dies läßt für die Arbeitnehmer auch günstigere Vereinbarungen als nach mexikanischem Recht zu.

d) Dem Beklagten kann ebensowenig gefolgt werden, daß der mit der Bundesrepublik geschlossene Rahmenvertrag über die Erstattung der Aufwendungen des Beklagten durch die Bundesrepublik dem Rechtsbegehren der Klägerin entgegensteht. Die schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland mögen zwar nicht mehr miteinander übereinstimmen. Jedoch stellt der Rahmenvertrag mit der Bundesrepublik keinen Unwirksamkeitsgrund für die Verpflichtungen des Beklagten gegenüber der Klägerin dar.

3. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, daß nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ihm nicht zuzumuten sei, auf den IGAC einzuwirken, das Tarifrecht sinngemäß zu vereinbaren. Werden tarifliche Regelungen veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr gerecht, müssen sie gegebenenfalls außerordentlich oder ordentlich gekündigt werden, sofern kein wichtiger Grund vorliegt. Weil die Beklagte in Mexiko den Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Deutschen und Mexikanern einhalten muß, ist die Geschäftsgrundlage für den TV Goethe-Institut nicht weggefallen.

Schaub Dr. Etzel Schneider

Wehner Dr. Knapp

 

Fundstellen

BAGE 68, 261-272 (LT1-4)

BAGE, 261

DB 1992, 23-25 (LT1-4)

EBE/BAG 1991, 186-188 (LT1-4)

AiB 1994, 60-61 (LT1, 3-4)

EzB TVG § 1, Nr 19 (LT1-4)

NZA 1992, 321

NZA 1992, 321-324 (LT1-4)

RdA 1992, 62

SAE 1993, 181-185 (LT1-4)

ZTR 1992, 23-25 (LT1-4)

AP Nr 29 zu Internationalem Privatrecht, Arbeitsrecht (LT1-4)

ArbuR 1992, 125-127 (LT1-4)

EzA § 1 TVG Durchführungspflicht, Nr 1 (LT1-4)

IPRax 1994, 44-46 (LT1-4)

MDR 1992, 270-271 (LT1-4)

IPRspr. 1991, 67

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