Leitsatz (amtlich)

1. Eine Betriebsstillegung im Sinne des § 13 KSchG liegt auch dann vor, wenn zwar der bisherige Betriebszweck weiterverfolgt wird, aber eine nicht ganz unerhebliche räumliche Verlegung des Betriebes, verbunden mit der Auflösung der alten Betriebsgemeinschaft und dem Aufbau einer im wesentlichen neuen Belegschaft, erfolgt.

2. Die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes ist bei Betriebsstillegung zulässig, ohne daß noch geprüft werden müßte, ob die Kündigung erforderlich war.

 

Normenkette

KSchG § 13

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.06.1958; Aktenzeichen VII Sa 17/58)

ArbG Mannheim (Urteil vom 19.12.1957; Aktenzeichen 2 Ca 761/57)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Außenkammern Mannheim, vom 23. Juni 1958 – VII Sa 17/58 – und des Arbeitsgerichts Mannheim vom 19. Dezember 1957 – 2 Ca 761/57 – aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Kläger.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte stellte in ihrem Betrieb in Mannheim-Waldhof chemisch-pharmazeutische Glaswaren her. Die Betriebsräume hatte sie von der Firma B…, die auch den größten Teil ihrer Produktion abnahm, gemietet. In dem Betrieb waren 1956/57 der Betriebsleiter H…, der Buchhalter W…, der Kläger K… als Schlosser und wenig mehr als 20 Arbeiterinnen, darunter die beiden Klägerinnen, beschäftigt. Die Kläger waren sämtlich Mitglieder des Betriebsrats, der Kläger K… war dessen Vorsitzender.

Mit Schreiben vom 25. Januar 1957 teilte die Beklagte dem Kläger K… als dem Betriebsratsvorsitzenden mit, der Mietvertrag mit der Firma B… sei am 30. April 1957 gelöst worden; sie müsse deshalb den Mannheimer Betrieb schließen und der Belegschaft zu diesem Termin kündigen; sie beabsichtige, in einem firmeneigenen Gebäude in Langen eine Fabrikation von chemisch-pharmazeutischen Glaswaren in Verbindung mit Herstellung und Reparatur von Maschinen aufzuziehen. Abschließend bat sie in dem Schreiben um eine Stellungnahme zu den angekündigten Maßnahmen und zu dem beigefügten Antrag an das Arbeitsamt auf Zustimmung zur Betriebsstillegung.

Der Betriebsrat war mit der Verlegung des Betriebes nach Langen und den beabsichtigten Kündigungen nicht einverstanden. Es kam zu Spannungen zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung. Da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, rief der Betriebsrat gemäß § 72 Abs. 2 BetrVG die Vermittlungsstelle an.

In den Verhandlungen vor der Vermittlungsstelle brachte die Beklagte zum Ausdruck, daß sie nicht abgeneigt sei, einen Teil der Belegschaft, der gewillt sei, mit nach Langen zu gehen, dort zu beschäftigen. Dabei wurde auch die Möglichkeit erörtert, diesen Teil der Belegschaft mit einem Omnibus jeweils von Mannheim nach Langen bringen zu lassen. In eine von der Vermittlungsstelle ausgelegte Liste, in welche sich diejenigen Arbeitnehmer eintragen sollten, die in Langen weiterarbeiten wollten, trug sich nur die Arbeiterin M… ein. Der Kläger K… hatte der Belegschaft abgeraten, sich in die Liste einzuschreiben.

Trotz mehrerer Verhandlungen und Vergleichsversuche kam eine Einigung vor der Vermittlungsstelle nicht zustande. Diese stimmte daraufhin von sich aus in ihrem Einigungsvorschlag der Verlegung des Betriebes zu. Der Einigungsvorschlag ist beim Arbeitsgericht Mannheim hinterlegt.

Der Betrieb wurde über den zunächst genannten Termin – den 30. April 1957 – hinaus weiter geführt. Am 3. Juni 1957 kündigte die Beklagte dem größten Teil der Belegschaft, darunter auch den beiden Klägerinnen, zum 30. Juni 1957. Dem Kläger K… kündigte sie am 16. Juni 1957 ebenfalls zum 30. Juni 1957. Den beiden Arbeiterinnen H…, denen die Beklagte ursprünglich nicht gekündigt hatte, weil sie mit nach Langen gehen wollten, und der wegen Krankheit schon länger vom Betrieb abwesenden Arbeiterin W… kündigte die Beklagte erst am 3. Juli 1957 zum 27. Juli. Die Geschwister H… wurden sofort von der Arbeit freigestellt, Frau W… konnte wegen Krankheit ohnehin nicht arbeiten.

Außer dem Betriebsleiter H… und dem Buchhalter W… schied lediglich die Arbeiterin M… nicht aus den Diensten der Beklagten aus. Sie wurde aber schon Anfang Juni 1957 beurlaubt und dann ab 12. August 1957 in Langen beschäftigt.

Im Monat Juli 1957 begann die Räumung des Betriebes in Mannheim. Die Maschinen, die Materialien und Einrichtungsgegenstände brachte eine Speditionsfirma nach Langen. Spätestens im September 1957 nahm die Beklagte dort die Erzeugung von chemisch-pharmazeutischen Glaswaren wieder auf. Maschinen werden allerdings nicht hergestellt. Von der Mannheimer Belegschaft arbeiten in Langen nur der Betriebsleiter H…, der Buchhalter W… und die Arbeiterin M…. Die wesentlich verkleinerte Belegschaft ist neu und vom Arbeitsamt Langen zugewiesen.

Die Kläger erstreben mit ihren am 24. Juni 1956 eingegangenen Klagen die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen.

Sie haben vorgetragen:

Die Kündigungen seien unzulässig gewesen, weil die Voraussetzungen des § 13 KSchG nicht gegeben seien; insbesondere handele es sich bei der Verlegung des Betriebes nach Langen nicht um eine Betriebsstillegung. Im übrigen sei ihre Entlassung auch nicht erforderlich gewesen; denn noch im Juli 1957 sei in Mannheim produziert worden, der Umzug habe lediglich vorübergehende Einschränkungen notwendig gemacht. Für alle Kläger sei auch beim Umzug und bei der Produktionsaufnahme in Langen noch Arbeit vorhanden gewesen, insbesondere für den Kläger K… als Schlosser.

Die Kläger haben deshalb in erster Instanz beantragt,

festzustellen, daß die Kündigung des Klägers K… vom 16. Juni 1957 und die Kündigungen der Klägerinnen H… und K… vom 3. Juni 1957 nichtig sind.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, mit der Verlegung des Betriebes nach Langen sei eine Betriebsstillegung verbunden gewesen. Der jetzt in Langen eingerichtete Betrieb sei mit dem Mannheimer Betrieb nicht identisch. Das ergebe sich schon daraus, daß nur eine Arbeiterin von Mannheim in Langen weiterarbeite. Außerdem habe sie schon frühzeitig eine Änderung des Betriebszweckes angekündigt. Auch die eingetretene Betriebsunterbrechung müsse berücksichtigt werden. Erst Anfang September habe der Betriebsleiter H… in Langen zwei Maschinen in Gang gebracht; neue Arbeitskräfte seien erst Ende September eingestellt worden. Die Unterbrechung habe spätestens am 3. Juli 1957 begonnen. Beim Umzug und in Langen habe für die Kläger keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestanden. Durch die Verringerung der Belegschaft seien im übrigen die Ämter der Betriebsratsmitglieder erloschen und damit sei auch deren besonderer Kündigungsschutz entfallen.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Kläger die Zurückweisung der Revision erstreben.

 

Entscheidungsgründe

I.

Den Klägern, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der gegen sie ausgesprochenen Kündigungen klagen, konnte, da sie z.Zt. der Kündigungen Mitglieder des Betriebsrates waren, nur unter den Voraussetzungen des § 13 KSchG gekündigt werden. Nach § 13 KSchG kann Betriebsratsmitgliedern, wenn – wie hier – eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde nicht in Rede steht, nur im Falle der Betriebsstillegung gekündigt werden.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Verlegung des Betriebes der Beklagten von Mannheim nach Langen eine auf den 30. Juni 1957 zu datierende Betriebsstillegung im Sinne des § 13 KSchG sei, weil durch Belegschaftswechsel die Identität zwischen altem und neuem Betrieb zerstört worden sei. Das Landesarbeitsgericht hat aber dennoch den Klageanträgen gemäß die Unwirksamkeit der strittigen Kündigungen festgestellt, weil es angenommen hat, daß die Betriebsstillegung allein zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern noch nicht ausreiche, daß vielmehr die Kündigung auch noch erforderlich sein müsse. An diesem vom Landesarbeitsgericht für nötig befundenen Merkmal der Erforderlichkeit fehle es, da die Kläger mit Umräumungsarbeiten auch noch nach dem 30. Juni 1957 hätten beschäftigt werden können.

Die Revision der Beklagten bekämpft die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, daß der Arbeitgeber zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern außer der Betriebsstillegung auch noch die Erforderlichkeit der Kündigung nachweisen müsse. Die Kläger hingegen halten es für rechtsirrig, in der Verlegung des Betriebes von Mannheim nach Langen eine Betriebsstillegung im Sinne des § 13 KSchG zu sehen.

II.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Frage, ob in der Verlegung des Betriebes von Mannheim nach Langen eine Betriebsstillegung im Sinne des § 13 KSchG liegt, von der unstreitigen Tatsache ausgegangen, daß von den mehr als 20 Belegschaftsmitgliedern des Mannheimer Betriebes nur der Betriebsleiter H…, der Buchhalter W… und die Arbeiterin M… in Langen beschäftigt werden und die übrige Belegschaft in Langen aus neuen vom dortigen Arbeitsamt vermittelten Arbeitskräften besteht. Dadurch ist, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen hat, die zwischen der Beklagten und der Belegschaft des Mannheimer Betriebes bestehende Betriebsgemeinschaft aufgelöst worden. Diese Auflösung ist zwar nicht durch die Aufgabe des bisherigen Betriebszwecks veranlaßt worden; denn die Beklagte stellt in Langen ebenso wie zuvor in Mannheim chemisch-pharmazeutische Glaswaren her. Eine Betriebsstillegung liegt jedoch nicht nur bei Aufgabe des alten Betriebszwecks vor, sondern auch dann, wenn der bisherige Betriebszweck zwar weiter verfolgt wird, aber eine nicht unerhebliche räumliche Verlegung des Betriebes vorgenommen wird und damit die Auflösung der alten Betriebsgemeinschaft und der Aufbau einer im wesentlichen neuen Belegschaft verbunden ist. Dann fehlt die Identität zwischen der alten und der neuen Betriebsgemeinschaft und damit auch – jedenfalls auf dem hier interessierenden arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Gebiete – die Identität zwischen dem alten und dem neuen Betrieb (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, 6. Aufl., 1959, § 65 V 1, S. 625 und Bd. 2, § 72 III 1b, S. 874; Hueck, Kommentar zum KSchG, 3. Aufl., 1954, Anm. 22 zu § 13; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., 1955, Bd. 1, § 45 I 1, S. 531; Dietz, Kommentar zum BetrVG, Anm. 22 zu § 72; Monjau-Heimeier, Kommentar zum KSchG, Anm. 3 zu § 13, S. 135; Sellmann, Kommentar zum SchwBeschG, 1954, Anm. 11 zu § 18; Willrodt-Gotzen, Kommentar zum SchwBeschG, 1953, Anm. 11 zu § 18). Das Landesarbeitsgericht hat somit zutreffend eine Betriebsstillegung bejaht.

Auf die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob der Arbeitgeber bei einer derartigen Verlegung seines Betriebes seinen bisherigen Arbeitnehmern einschließlich der Betriebsratsmitglieder auch dann kündigen kann, wenn die Belegschaft an den neuen Betriebsort mitzugehen bereit ist, brauchte der Senat nicht einzugehen; denn hier haben alle Belegschaftsmitglieder bis auf eines durch Nichteinzeichnung in die von der Vermittlungsstelle ausgelegte Liste ihren Willen bekundet, nicht nach Langen zu gehen. Hätten die Arbeiter nach dem Spruch der Vermittlungsstelle ihre Auffassung ändern wollen, so hätten sie dies der Beklagten mit voller Klarheit zum Ausdruck bringen müssen. Die Erklärung ihrer Bereitwilligkeit, beim Umzug zu helfen, genügte dazu nicht.

2. Bei Betriebsstillegung ist gemäß § 13 Abs. 2 die Kündigung der Betriebsratsmitglieder grundsätzlich frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig. Die Beklagte hat die Kündigungen der Kläger zum 30. Juni 1957 ausgesprochen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Mannheimer Betrieb Ende Juni 1957 zum Erliegen gekommen. Mit Ablauf dieses Monats ist der wesentlichste Teil der Belegschaft ausgeschieden. Ohne Rechtsirrtum hat danach das Landesarbeitsgericht den 30. Juni 1957 als Zeitpunkt der Stillegung angenommen.

3. Rechtsirrig ist dagegen die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, daß die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes auch im Falle einer Betriebsstillegung nur dann zulässig sei, wenn sie sich als erforderlich erweist. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Wortlaut und den rechtlichen Gehalt des § 13 KSchG verkannt.

Von betrieblichen Erfordernissen ist in § 13 Abs. 2 KSchG nur für den Ausnahmefall die Rede, daß Betriebsratsmitglieder bei Betriebsstillegung schon vor dem Zeitpunkt der Stillegung entlassen werden sollen. Das ist nur bei zwingender betrieblicher Notwendigkeit möglich. Für den Regelfall aber, daß Betriebsratsmitglieder erst mit der Betriebsstillegung ausscheiden, schreibt § 13 Abs. 2 eine Untersuchung darüber, ob die Kündigung betrieblich erforderlich ist, nicht vor.

Die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung läßt sich auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, aus dem Sinn des Gesetzes herleiten. Der in § 13 KSchG den Betriebsratsmitgliedern gewährte Schutz dient nicht deren persönlichen Interessen, sondern dem Interesse der Arbeitnehmerschaft an der unabhängigen und durch keine will kürlichen Maßnahmen des Arbeitgebers bedrohten Amtsführung des Betriebsrates (RAG ARS 36, 24 [27]; Hueck, Komm. zum KSchG, Anm. 34 zu § 13; Herschel-Steinmann, Komm. zum KSchG, Anm. 1 zu § 13).

Der Kündigungsschutz wird dem Betriebsratsmitglied somit um seines Amtes willen gewährt. Der Betriebsrat ist Organ der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes; nur von der Belegschaft dieses Betriebes empfängt er seine Legitimation. Seine Amtsbefugnisse sind auf den Betrieb beschränkt, für den er gewählt ist. Das Amt ist abhängig vom Bestehen des Betriebes. Wird die zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestehende betriebliche Schaffensgemeinschaft aufgelöst und damit der Betrieb stillgelegt, so wird auch dem Betriebsrat die Grundlage seiner Existenz entzogen. Damit endet zugleich das Amt des Betriebsrates und demzufolge auch der besondere Kündigungsschutz des § 13 KSchG für die den Betriebsrat bildenden Arbeitnehmer.

Demgemäß bestimmt auch § 13 Abs. 2 KSchG gar nicht etwa, daß der gesteigerte Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder bei einer Betriebsstillegung entfalle. Das sieht das Gesetz vielmehr als selbstverständliche Folge des Funktionsendes an. § 13 Abs. 2 KSchG bestimmt lediglich den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung frühestens ausgesprochen werden darf. Ohne diese Bestimmung in § 13 Abs. 2 KSchG könnte der Arbeitgeber, der gemäß § 13 Abs. 1 KSchG einem Betriebsratsmitglied während seines Amtes auch für einen nach Beendigung des Amtes liegenden Zeitraum nicht kündigen darf (Hueck, Komm. zum KSchG, Anm. 11 zu § 13; Herschel-Steinmann, Komm zum KSchG, Anm. 3 zu § 13, S. 171; für das frühere Recht: RAG ARS 14, 56 [59] und 16, 489 [490]), dem Betriebsratsmitglied auch nicht zum Zeitpunkt der Stillegung kündigen. Er müßte vielmehr bis zur Stillegung warten und müßte dann auch noch die Kündigungsfrist einhalten, sofern die Stillegung nicht gerade ein wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung des Arbeitsverhältnisses ist, was durchaus nicht immer der Fall zu sein braucht. Diese Folge zu vermeiden, ist Sinn und Zweck des § 13 Abs. 2 KSchG. Dann aber entbehrt es jeden vernünftigen Grundes, den mit dem Amte verbundenen und nur um des Amtes willen gewährten Kündigungsschutz noch über den Zeitpunkt der Beendigung des Amtes auszudehnen. Es darf also bei einem Betriebsratsmitglied, dessen Amt mit der Stillegung des Betriebes endet, nicht noch nach der Erforderlichkeit der Kündigung gefragt werden.

Aus der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Dritten Senates (AP Nr. 18 zu § 1 KSchG) läßt sich für den hier gegebenen Fall nichts herleiten; denn der Sachverhalt lag dort völlig anders als hier. Hier handelt es sich um eine Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei Stillegung und damit um eine ordentliche Kündigung (BAG, Urteil vom 1.2.1957 – 1 AZR 478/54 –, BAG Bd. 3, S. 341 [343]; BAG, Urteil vom 23.1.1958 – 2 AZR 71/56 –, AP Nr. 11 zu § 13 KSchG, Bl. 1 R unter Ziff. 2a; LAG Hamm, AP 54 Nr. 7; Hueck, Komm. zum KSchG, Anm. 25 zu § 13; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., 1955, Bd. 1, § 52 I 4, S. 657; Herschel-Steinmann, Komm. zum KSchG, 1958, Anm. 18 und 19 zu § 13). Dort handelte es sich um nicht dem Betriebsrat angehörende Arbeitnehmer, denen wegen einer mehr als 15-jährigen Betriebszugehörigkeit kraft Tarifvertrages nur noch mit der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde gekündigt werden konnte. Bei ihnen lag es nahe, trotz der Stillegung des Betriebes, in dem sie bisher gearbeitet haben, die Frage aufzuwerfen, ob dem Arbeitgeber zuzumuten ist, die ihm durch langjährige treue Arbeit verbundenen Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb seines gesamten Unternehmens zu beschäftigen. Den hier in Rede stehenden Klagen dagegen war kraft Gesetzes in § 13 KSchG ein besonderer Kündigungsschutz nur ihres Amtes wegen bewilligt, so daß, wenn ihr Amt mit der Stillegung des Betriebes endete, nichts dafür sprach, zu überlegen, ob dem Arbeitgeber zuzumuten sei, sie noch weiter mit Abwicklungsarbeiten oder gar in einem anderen Betrieb, dessen Belegschaft sie nicht als Betriebsrat gewählt hatte, zu beschäftigen.

Aus § 13 KSchG läßt sich somit die von den Klägern begehrte Feststellung einer Unwirksamkeit der ihnen zum Zeitpunkt der Stillegung des Betriebes ausgesprochenen Kündigung nicht herleiten.

III.

Auch § 1 KSchG ist keine geeignete Klagegrundlage. Die in der Rechtslehre streitige Frage, ob überhaupt dann, wenn die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Betriebsstillegung nach § 13 KSchG zulässig ist, noch der allgemeine Kündigungsschutz des § 1 KSchG eingreift (vgl. Hueck, KSchG, 3. Aufl., § 13, Anm. 30), brauchte der Senat nicht zu entscheiden, da die Anwendung des § 1 KSchG zu keinem anderen Ergebnis führen würde als seine Nichtanwendung. Die Kündigungen halten sowohl einen Nachprüfung aus § 1 Abs. 2, wie auch Abs. 3 KSchG stand. Die Kündigungen der Kläger waren durch die Stillegung des Mannheimer Betriebes betriebsbedingt gem. § 1 Abs. 2 KSchG. Ob für die Kläger noch eine Beschäftigungsmöglichkeit in dem neu errichteten Langener Betrieb bestand, ist unerheblich, da für die Frage der die Kündigungen rechtfertigenden dringenden Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nur die Verhältnisse des Beschäftigungsbetriebes in Mannheim maßgebend sind. Hinzu kommt, daß alle Betriebsratsmitglieder bis auf eines durch Nichteinzeichnung in die von der Vermittlungsstelle ausgelegte Liste ihren Willen bekundet haben, nicht von Mannheim nach Langen zu gehen, und sie auch nach dem Spruch der Vermittlungsstelle dem Arbeitgeber eine Änderung ihres Willens nicht erklärt haben.

Auch auf § 1 Abs. 3 KSchG können sich die Kläger nicht stützen. Eine Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten schied schon deshalb aus, weil nahezu sämtliche Arbeiter des Betriebes entlassen worden sind und das Arbeitsverhältnis mit der Arbeiterin M… nur deshalb fortgesetzt worden ist, weil sie sich bereit erklärt hatte, im Langener Betrieb weiterzuarbeiten.

Die Klagen mußten deshalb abgewiesen werden.

 

Unterschriften

Nipperdey, Dr. Schröder, Dr. Meier-Scherling, Mellentin, Dr. Eichler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1775836

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