Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat. Außerordentliche Kündigung. Zustimmung. Fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen Privattelefonaten in erheblichem Umfang unter Benutzung der Telefonanschlüsse von Arbeitskollegen. Zustimmung des Betriebsrats. Recht zur Zurückweisung der Kündigung, wenn ihr die Zustimmung des Betriebsrats nicht schriftlich beigefügt ist (§ 182 Abs. 3, § 111 Satz 2 BGB). Kündigungsrecht. Betriebsverfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG ist keine Zustimmung iSd. §§ 182 ff. BGB. Das Betriebsratsmitglied kann daher die Kündigung nicht nach § 182 Abs. 3 BGB iVm. § 111 Satz 2, 3 BGB zurückweisen, weil ihm der Arbeitgeber die vom Betriebsrat erteilte Zustimmung nicht in schriftlicher Form vorlegt.

 

Orientierungssatz

  • Ob eine gesetzliche Vorschrift den Begriff “Zustimmung” im Sinne eines Verweises auf die §§ 182 ff. BGB verwendet, ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln. Sonderbestimmungen über einzelne Zustimmungstatbestände gehen vor.
  • Eine solche, die Anwendbarkeit von § 182 ff., § 111 BGB ausschließende Sonderregelung enthält § 103 BetrVG.
  • Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem außerordentlich zu kündigenden Betriebsratsmitglied die vom Betriebsrat erteilte Zustimmung in schriftlicher Form vorzulegen. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG ist keine Zustimmung iSd. §§ 182 ff. BGB.
  • Umfangreiche unerlaubt und heimlich geführte Privattelefonate auf Kosten des Arbeitgebers kommen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.
 

Normenkette

BetrVG § 103; KSchG § 15; BGB §§ 182, 111

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 14 Sa 1847/02)

ArbG Berlin (Urteil vom 30.07.2002; Aktenzeichen 34 Ca 15404/02)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 – 14 Sa 1847/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine außerordentliche Kündigung der Beklagten.

Der Kläger trat im Jahre 1991 in die Dienste einer Rechtsvorgängerin der beklagten Immobilien- und Beteiligungsgesellschaft. Als Organisator erhielt er eine Jahresbruttovergütung von zuletzt 80.500,00 Euro. Er war Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats.

Anlässlich einer Prüfung der von dem Dienstapparat des Arbeitnehmers W… geführten privaten Telefongespräche stellte die Beklagte eine erhebliche Anzahl von Telefonverbindungen nach Mauritius fest, die nicht dienstlich veranlasst gewesen sein konnten. Nachdem sie den Betriebsrat zu einer deswegen gegenüber Herrn W… beabsichtigten Kündigung angehört hatte, teilte der Kläger der Beklagten mit, nicht Herr W…, sondern er habe die Telefonate geführt. Danach stellte die Beklagte fest, dass noch von drei weiteren Telefonapparaten in anderen Büros sowie über ihr Faxgerät Verbindungen nach Mauritius aufgenommen worden waren. Insgesamt hatten die – wie der Kläger einräumte – von ihm zwischen dem 25. März und 14. Mai 2002 nach Mauritius geführten Telefongespräche eine Zeitdauer von 18 Stunden und 11 Sekunden und verursachten Kosten in Höhe von insgesamt 1.355,76 Euro, die der Kläger später erstattete.

Die Beklagte bat den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30. Mai 2002 zu. Das Zustimmungsschreiben erhielt der Kläger nicht zur Kenntnis. Der Betriebsrat nahm von der Mitteilung seiner Zustimmung an den Kläger Abstand, weil dieser vor der entscheidenden Betriebsratssitzung angekündigt habe, er werde Selbstmord begehen, falls der Betriebsrat der Kündigungsabsicht zustimme.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2002, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sprach die Beklagte ihm die außerordentliche und fristlose Kündigung aus.

Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 4. Juni 2002, das der Beklagten am 10. Juni 2002 zuging, wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte ua. geltend, ihm sei nicht bekannt, ob der Betriebsrat zugestimmt habe. Eine etwaige Zustimmung sei ihm nicht in schriftlicher Form vorgelegt worden; aus diesem Grunde weise er die Kündigung zurück.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Kündigung sei nach § 182 Abs. 3, § 111 Satz 2 BGB mangels Vorlage einer schriftlichen Zustimmungserklärung des Betriebsrats unwirksam, da er diesen Mangel unverzüglich gerügt habe. Was den Kündigungsgrund betreffe, so habe er es irrtümlich unterlassen, die Telefonkosten, wie eigentlich beabsichtigt, sofort zu bezahlen. Er habe sich selbst um eine Aufklärung bemüht. Er habe über seine vertragliche Verpflichtung hinaus gearbeitet und die Telefongespräche nicht während der von ihm frei einteilbaren Arbeitszeit geführt. Dabei habe er nicht eigennützig gehandelt, sondern einem ihm nahen Menschen beigestanden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 31. Mai 2002 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Vorschriften von § 182 Abs. 3, § 111 Satz 2 BGB fänden auf die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats keine Anwendung. Außerdem habe der Kläger mit seinem Schreiben vom 4. Juni 2002 die Kündigung nicht unverzüglich zurückgewiesen. Dass der Kläger die Kosten eigentlich habe sofort bezahlen wollen, sei ihm nicht zu glauben. Zur Aufklärung des Kündigungssachverhalts habe der Kläger nicht aktiv, sondern nur “portionsweise” beigetragen, als es nicht mehr anders gegangen sei. Der Kläger habe die Telefongespräche während seiner Arbeitszeit geführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

  • Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Kündigung sei nicht nach § 182 Abs. 3 BGB iVm. § 111 Satz 2 und 3 BGB unwirksam. Die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung sei keine Zustimmung im Sinne der §§ 182 ff. BGB. Außerdem würde die Anwendung des § 111 Satz 2 BGB zu einem in § 103 BetrVG ausdrücklich nicht vorgesehenen Formerfordernis führen. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass der Kläger die Mitteilung der Zustimmung durch die Selbstmorddrohung vereitelt habe. In der Sache sei die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, weil der Kläger durch die zahlreichen Telefonate und Faxe nach Mauritius insbesondere von anderen Apparaten das Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit nachhaltig zerstört habe. Dass der Kläger von Anfang an vorgehabt habe, die Telefongespräche zu bezahlen, nehme ihm die Berufungskammer nicht ab. Durch sein Verhalten habe der Kläger die ungerechtfertigte Beschuldigung eines Arbeitskollegen heraufbeschworen. Er habe die Gespräche auch nicht, wie er nur pauschal behaupte, außerhalb der Arbeitszeit geführt. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen und die Interessenabwägung gehe zu Lasten des Klägers aus, zu dessen Gunsten lediglich seine zehnjährige Beschäftigung spreche.
  • Dem folgt der Senat.

    I. Die Kündigung ist nicht nach § 182 Abs. 3 iVm. § 111 Satz 2, 3 BGB unwirksam. Entgegen der Auffassung der Revision ist die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung keine Zustimmung im Sinne der §§ 182 ff. BGB. Vielmehr enthält § 103 BetrVG iVm. § 15 KSchG eine eigenständige und abschließende Regelung.

    1. Zu Recht weist zwar die Revision darauf hin, dass die Anwendbarkeit der §§ 182 ff., § 111 Satz 2, 3 BGB auf die nach § 103 BetrVG erforderliche “Zustimmung” des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung der bisher herrschenden Meinung entspricht (KR-Etzel 6. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 89; APS-Böck § 103 BetrVG Rn. 21; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 103 Rn. 31; Fischermeier ZTR 1998, 433; LAG Hamm 22. Juli 1998 – 3 Sa 766/98 – LAGE KSchG § 15 Nr. 18). Indes hält diese Auffassung einer genaueren Überprüfung nicht stand.

    2. Zustimmung im Sinne der §§ 182 ff. BGB ist die Einverständniserklärung zu dem von einem anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft (Palandt-Heinrichs BGB Einf. vor § 182 BGB Rn. 1). Die Erforderlichkeit der Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie, der die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen der eigenverantwortlichen Entscheidung der am Rechtsleben beteiligten Personen anheimgibt. Wann eine solche Ausnahme eingreift und eine Willenserklärung der Zustimmung bedarf, ordnet das Gesetz nicht in §§ 182 ff. BGB an, sondern in Spezialregelungen, die im Wesentlichen entweder dem Schutz von Personen dienen, welche die Tragweite ihrer Erklärungen möglicherweise nicht übersehen (vgl. zB §§ 106 ff., 1411, 1596 BGB) oder in deren Rechtskreis oder Interessen das beabsichtigte Rechtsgeschäft eingreift (vgl. zB § 177 Abs. 1, § 180 Abs. 1, § 185 Abs. 1, § 415 Abs. 1, § 458 Abs. 1 BGB, vgl. mit Unterschieden in den Einzelheiten Palandt-Heinrichs BGB Einf. vor § 182 BGB Rn. 5; Erman-Palm BGB Vorbem. §§ 182 ff. BGB Rn. 1; Staudinger/Gursky (1995) Vorbem. zu §§ 182 – 185 BGB Rn. 18 ff.; Soergel/Leptien BGB vor § 182 Rn. 6; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Zweiter Band Das Rechtsgeschäft 4. Aufl. Kapitel XI § 54 1. [S. 886]). Die Zustimmung kann im Voraus erklärt werden. Dann handelt es sich um eine Einwilligung (§ 183 BGB). Wird sie nachträglich erteilt, nennt das Gesetz sie Genehmigung (§ 184 BGB). Die Zustimmung kann sowohl dem einen als auch dem anderen Teil gegenüber erklärt werden (§ 182 Abs. 1 BGB). Nach § 182 Abs. 3 BGB finden die Vorschriften des § 111 Satz 2, 3 BGB entsprechende Anwendung, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung des Dritten vorgenommen wird. In § 111 Satz 2 und 3 BGB ist bestimmt, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige mit der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam ist, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist; die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte.

    3. Ob eine gesetzliche Vorschrift den Begriff “Zustimmung” im Sinne eines Verweises auf die §§ 182 ff. BGB verwendet, ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Staudinger/Gursky (1995) Vorbem. zu §§ 182 – 185 BGB Rn. 4). Sonderbestimmungen über einzelne Zustimmungstatbestände gehen vor (Flume aaO S. 889).

    a) Gegen die Anwendung der §§ 182, 111 BGB auf die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG kann nur vor der Kündigung erteilt werden (vgl. nur Fitting BertrVG 21. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 24 mwN), während die Zustimmung im Sinne des § 182 BGB sowohl vor als auch nach der zustimmungsbedürftigen Erklärung erfolgen kann. Zwar wird, wie die Revision zu Recht anführt, die Terminologie der §§ 182 ff. BGB auch im BGB selbst nicht durchweg befolgt (vgl. Soergel/Leptien BGB vor § 182 Rn. 2; Staudinger/Gursky (1995) Vorbem. zu §§ 182 – 185 BGB Rn. 3 ff.). Dennoch hätte es nahe gelegen, dass der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes, der die Terminologie der §§ 182 ff. BGB kannte, die Einverständniserklärung des Betriebsrats als Einwilligung (§ 183 BGB) bezeichnet hätte, um die Anwendung der §§ 182 ff. BGB anzuordnen.

    b) Gegen die Anwendung des § 182 BGB spricht auch die in § 182 Abs. 1 BGB eröffnete Möglichkeit, dass der Zustimmende seine Erklärung sowohl demjenigen gegenüber abgeben kann, dessen Willenserklärung der Zustimmung bedarf (hier: Arbeitgeber) als auch gegenüber dem Erklärungsgegner (hier: Arbeitnehmer). Zwar sind Einschränkungen des § 182 Abs. 1 BGB auch in Fällen echter Zustimmungsbedürftigkeit gelegentlich im Gesetz vorgesehen (vgl. etwa § 1245 Abs. 1, § 1255 Abs. 2 BGB; Soergel/Leptien BGB § 182 Rn. 2); in diesen Fällen enthält jedoch die jeweilige Spezialregelung eine Anordnung darüber, wem gegenüber die Zustimmung zu erteilen ist. Dass eine solche Anordnung in § 103 BetrVG fehlt, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass § 103 BetrVG eine eigenständige kollektivrechtliche Sonderregelung darstellt.

    c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht weiter darauf hingewiesen, dass die Anwendung von § 182 Abs. 3 BGB, § 111 Satz 2, 3 BGB zu einem im Gesetz nicht vorgesehenen indirekten Formzwang für die Zustimmungserklärung nach § 103 BetrVG führen würde. Es ist zwar richtig, dass die Anwendung von § 182 Abs. 3, § 111 Satz 2, 3 BGB auch in anderen Fällen zu einem indirekten Formzwang führen kann, da § 182 Abs. 2 BGB die Zustimmung ausdrücklich von dem für das beabsichtigte Rechtsgeschäft etwa geltenden Formerfordernis freistellt. Indes steht doch § 103 BetrVG in engem Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten. Dieser Zusammenhang spricht dafür, dass der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes bewusst von einem Formzwang für die Zustimmungserklärung abgesehen hat. Während nämlich § 99 Abs. 3 BetrVG für die Zustimmungsverweigerung und § 102 Abs. 2 BetrVG für den Widerspruch Schriftform anordnen, ist dies für die übrigen gegenüber dem Arbeitgeber abzugebenden Erklärungen des Betriebsrats in personellen Mitbestimmungsangelegenheiten nicht vorgesehen. Außerdem könnte ein Formzwang für die Zustimmungserklärung zu einer weiteren Erschwerung des Kündigungsverfahrens führen. Zwar soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die etwa verweigerte schriftliche Zustimmungserklärung im Beschlussverfahren einzufordern (so offenbar KR-Etzel 6. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 89). In jedem Fall würde dadurch aber der Zugang der Kündigung weiter verzögert und das unabdingbare Recht des Arbeitgebers, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine außerordentliche Kündigung auszusprechen, bedenklich eingeschränkt. Einer solchen Einschränkung bedarf es umso weniger, als das betroffene Betriebsratsmitglied “näher daran” ist als der Arbeitgeber, sich über die Zustimmung zu unterrichten.

    d) Keiner der beiden für Zustimmungserfordernisse im Sinne der § 182 ff. BGB typischen Schutzzwecke gebietet hier die Anwendung des § 182 BGB.

    aa) Das Zustimmungserfordernis in § 103 BetrVG dient nicht dem Schutz des Erklärenden (Arbeitgebers). Dieser gehört nach der Vorstellung des Betriebsverfassungsgesetzes ersichtlich nicht zu dem Personenkreis, von dem anzunehmen wäre, er könne die Tragweite seiner Erklärungen möglicherweise nicht überblicken.

    bb) Dagegen dient das Zustimmungserfordernis dem Schutz des zu kündigenden Betriebsratsmitglieds und dem Schutz des Betriebsrates (vgl. Fitting BetrVG 21. Aufl. § 103 Rn. 1). Die beabsichtigte Willenserklärung (Kündigung) greift in den Rechtskreis des Betriebsrats und des zu kündigenden Betriebsratsmitglieds ein. Im Unterschied zu den Zustimmungserfordernissen im Sinne der §§ 182 ff. BGB ist dem Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses nach § 103 BetrVG jedoch durch die Sonderregelungen des kollektiven und individuellen Kündigungsschutzes bereits in größerem Umfang Rechnung getragen, als es in §§ 182 ff. BGB vorgesehen ist. § 103 BetrVG, § 626 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 1 KSchG enthalten sowohl eine formelle als auch eine inhaltliche Beschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers: Die Kündigung ist nur wirksam, wenn sowohl der Betriebsrat zugestimmt hat oder die verweigerte Zustimmung ersetzt worden ist als auch die Kündigung materiell gerechtfertigt ist. Während das Zustimmungserfordernis im Sinne der §§ 182 ff. BGB eine formelle Schranke für inhaltlich idR allein durch die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (zB §§ 242, 138 BGB) eingeschränkte privatautonome Willenserklärungen darstellt, ist also die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers insbesondere gegenüber Betriebsräten vom Gesetzgeber einer strengen verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Kontrolle unterworfen. Der formellen Schranke von § 182 Abs. 3, § 111 Satz 2, 3 BGB bedarf es daher nicht.

    II. Es kann deshalb dahinstehen, ob es dem Kläger auf Grund seiner Drohung nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB verwehrt war, sich auf die unterbliebene Vorlage der schriftlichen Zustimmungserklärung zu berufen.

    III. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es habe ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund iSd. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

    1. Umfangreiche unerlaubt und heimlich geführte Privattelefonate auf Kosten des Arbeitgebers kommen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (BAG 5. Dezember 2002 – 2 AZR 478/01 – DB 2003, 1685; ErfK/Müller-Glöge § 626 BGB Rn. 158 mwN; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 445; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rn. 731). Dies gilt um so mehr, wenn, wie hier, der Arbeitnehmer es zulässt, dass durch sein Verhalten ein Verdacht auf unschuldige Kollegen fällt. Die entsprechenden Würdigungen des Berufungsgerichts werden von der Revision auch nicht gerügt.

    2. Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe gegen seine Hinweispflicht verstoßen, indem es den Kläger nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass es seine Behauptung, die Telefongespräche außerhalb der Arbeitszeit geführt zu haben, als zu pauschal ansehe. Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Berufungsgericht habe § 139 ZPO missachtet, muss genau angegeben werden, wonach das Gericht hätte fragen sollen und was die Partei daraufhin vorgetragen hätte (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. April 2001 – 5 AZR 395/99 – AP ZPO § 253 Nr. 33; 12. April 2000 – 5 AZR 704/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72 = EzA EFZG § 4 Nr. 39; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 74 Rn. 39). Diesen Mindesterfordernissen entspricht die Verfahrensrüge des Klägers nicht. Sie zeigt nicht auf, in welcher Weise er sein Vorbringen konkretisiert hätte.

    3. Auch die Interessenabwägung durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, dass die zehnjährige unbeanstandete Tätigkeit den schweren Vertrauensbruch nicht aufwiegt, der zunächst durch die Inkaufnahme der Verdächtigung Unschuldiger erschwert und dann durch die zögerliche und unvollständige Aufklärungsbereitschaft vertieft wurde, wird auch von der Revision nicht angegriffen.

 

Unterschriften

Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, Baerbaum, Bühler

 

Fundstellen

Haufe-Index 1164153

BAGE 2005, 1

BB 2004, 1748

DB 2004, 1370

NJW 2004, 2612

NWB 2004, 900

ARST 2004, 119

FA 2004, 157

FA 2004, 247

FA 2004, 302

NZA 2004, 717

SAE 2004, 315

ZTR 2004, 491

AP, 0

AuA 2004, 42

DSB 2004, 19

DVP 2004, 438

EzA-SD 2004, 14

EzA-SD 2004, 3

EzA

MDR 2004, 1064

NJ 2004, 380

PERSONAL 2004, 61

RDV 2004, 222

ZMV 2004, 146

AUR 2004, 274

ArbRB 2004, 236

ArbRB 2004, 97

NJW-Spezial 2004, 181

RdW 2004, 744

BAGReport 2004, 266

GuS 2004, 60

JT 2005, 55

SPA 2004, 5

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