Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat - Einstweilige Verfügung - Kosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird über eine einstweilige Verfügung im Beschlußverfahren der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Anhörung der Beteiligten entschieden, so ergeht die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht durch den Vorsitzenden allein, sondern unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch die vollbesetzte Kammer.

2. Der Betriebsrat kann nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Einhaltung eines Interessenausgleichs erzwingen.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 25.07.1990; Aktenzeichen 3 TaBV 85/90)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 12.04.1990; Aktenzeichen 2 BV 15/89)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin die Rechtsanwaltskosten aus Anlaß der Vertretung des antragstellenden Betriebsrates in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung zu tragen hat, das zum Ziel hatte, der Arbeitgeberin die Demontage und den Abtransport bestimmter Werkzeugmaschinen untersagen zu lassen.

Die Arbeitgeberin betreibt im Rahmen ihrer von K aus geleiteten Werksgruppe " Kälte- und Einrichtungstechnik" Werke zur Herstellung von Tiefkühlmöbeln in M-K und in S . Der Antragsteller ist der im Werk Schwelm bestehende Betriebsrat, der vor der Neuwahl im Frühjahr 1990 aus neun Mitgliedern bestand. Die Arbeitgeberin hat sich entschlossen, die Produktion in M zu konzentrieren und deshalb stufenweise u.a. Maschinen von S nach M zu verlagern. In S soll bei Abschluß der Verlagerung nur noch eine ergänzende Fertigung mit 100 Arbeitnehmern aufrechterhalten werden. Aus diesem Anlaß schlossen der Betriebsrat in S und die Arbeitgeberin am 12. September 1988 einen Interessenausgleich ab. Im Schreiben vom 27. April 1989 legte die Arbeitgeberin dem Antragsteller entsprechend dem Grobplan gemäß Ziffern 3.1 und 3.3 des Interessenausgleichs die Feinplanungen der Stufen 3 und 4 vor, in welchen im einzelnen die zu verlagernden Einrichtungen und Maschinen aufgeführt wurden. In einem weiteren Schreiben vom 23. August 1989 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, es sei erforderlich geworden, eine weitere Abkantpresse "Weinbrenner" - 4.000 mm Biegelänge - und eine "Verson-Presse" in K einzusetzen; die Maschinen sollten "zum Wochenende der 35. Kalenderwoche demontiert und nach K transportiert" werden. Nachdem der Betriebsrat mit seinem Schreiben vom 28. August 1989 geantwortet hatte, die Arbeitgeberin habe mit ihrem Schreiben vom 23. August 1989 die im Interessenausgleich vorgesehenen Fristen für die vorherige Mitteilung nicht eingehalten, teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat durch Telekopie am 30. August 1989 mit, schon nach ihrem Schreiben vom 27. April 1989 hätte der Betriebsrat davon ausgehen können, daß letzten Endes alle für die Teilefertigung bestimmter Möbel benötigten Maschinen im Rahmen der Stufe 4 der Feinplanung nach M-K übernommen würden; hierauf beziehe sich die Mitteilung vom 23. August 1989; eine zeitliche Verschiebung der Verlagerung der Maschinen würde die Arbeitgeberin in erhebliche Schwierigkeiten bringen; deshalb bitte sie den Betriebsrat, mit der Verlagerung beider Maschinen am kommenden Wochenende einverstanden zu sein.

Der Betriebsrat beschloß in seiner Sitzung am 31. August 1989, den Rechtsanwalt Dr. B aus U zu beauftragen, beim Arbeitsgericht zur Verhinderung der Demontage und des Abtransports der beiden Maschinen eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Am 1. September 1989 gegen 9.00 Uhr reichte der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats - der Vorsitzende hatte Urlaub - selbst den von Rechtsanwalt Dr. B gefertigten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Beschlußverfahren beim Arbeitsgericht Hagen ein (1 BV Ga 3/89). Der Betriebsrat begehrte darin, der Arbeitgeberin der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Anhörung aufzugeben, die am 1. September 1989 geplante Demontage und den für denselben Tag geplanten Abtransport der in Rede stehenden beiden Maschinen bei Meidung von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, zu unterlassen. Der stellvertretende Vorsitzende wartete bis etwa 11.30 Uhr vergeblich auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts bestimmte am selben Tag einen Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten auf den 6. September 1989. Am Vormittag des 1. September 1989 hatte der Betriebsrat ohne Erfolg versucht, den Werksleiter mündlich dazu zu bewegen, den Abtransport der beiden Maschinen zu stornieren. Beide Maschinen waren am selben Tag gegen 11.00 Uhr demontiert und gegen 17.00 Uhr abtransportiert. Dementsprechend erklärten die Beteiligten das Verfahren der einstweiligen Verfügung am 6. September 1989 übereinstimmend für erledigt.

Mit seinem Schreiben vom 11. September 1989 bat Rechtsanwalt Dr. B die Arbeitgeberin vergeblich um Begleichung der darin aufgeführten Rechtsanwaltskosten für seine Tätigkeit im Verfahren der einstweiligen Verfügung in Höhe von 1.214,10 DM einschließlich Mehrwertsteuer.

Mit seinem am 6. November 1989 eingereichten Antrag begehrt der Betriebsrat, von der Verpflichtung zur Zahlung der Rechtsanwaltskosten an Rechtsanwalt Dr. B freigestellt zu werden. Er hat behauptet, am 31. August 1989 habe es die Industriegewerkschaft Metall wegen Überlastung abgelehnt, die arbeitsgerichtliche Vertretung in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung zu übernehmen und Rechtsanwalt Dr. B zur Vertretung in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung empfohlen. Der Betriebsrat habe ordnungsgemäß beschlossen, Rechtsanwalt Dr. B entsprechend zu beauftragen. Die Betriebsratsmitglieder seien am 30. August 1989 unter Mitteilung der Tagesordnung zur Sitzung am 31. August 1989 geladen worden; vier Betriebsratsmitglieder und deren Ersatzmitglieder seien gehindert gewesen, an der Sitzung teilzunehmen. Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung sei nicht von vornherein aussichtslos gewesen, denn der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Arbeitsgerichts hätte über den Antrag allein und ohne mündliche Anhörung entscheiden müssen und dürfen. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende sei persönlich bei Gericht gewesen und hätte, falls erforderlich, den Vortrag durch eidesstattliche Erklärung glaubhaft machen können. Die Entscheidung hätte daher zeitgerecht ergehen können.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebs-

rat von der Verpflichtung zur Zahlung der Rechts-

anwaltskosten gegenüber Rechtsanwalt Dr. B aus

dem Verfahren 1 BV Ga 3/89 - Arbeitsgericht

Hagen - in Höhe von 1.214,10 DM nebst 9 % Zinsen

p.a. hierauf freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat erwidert, die Kosten seien von ihr nicht zu tragen. Zum einen fehle es an einer ordnungsgemäßen Einladung zur Betriebsratssitzung wie auch an einer ordnungsgemäßen Beschlußfassung. Zum anderen sei das Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht erforderlich, sondern von vornherein aussichtlos gewesen, weil der Antrag erst an dem Tag beim Gericht eingereicht worden sei, an welchem die Demontage und der Abtransport der beiden Maschinen vorgenommen werden sollte und vorgenommen worden sei. Dies sei dem Betriebsrat bei seiner Beschlußfassung wie bei Einreichung des Antrags bekannt gewesen. Einer anwaltlichen Vertretung hätte es zudem nicht bedurft. Der Betriebsrat hätte sich von einem Gewerkschaftssekretär vertreten lassen können.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag in Höhe von 836,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. April 1990 stattgegeben und die Rechtsbeschwerde zugelassen. In der nur von der Arbeitgeberin eingelegten Rechtsbeschwerde wird beantragt, den Antrag insgesamt zurückzuweisen, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landesarbeitsgerichts zur Folge. Die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrates war nicht nur in dem Umfang zurückzuweisen, in welchem das Landesarbeitsgericht den Antrag teilweise abgewiesen hat, sondern insgesamt. Denn das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht als unbegründet erachtet. Die Voraussetzungen des für den geltend gemachten Anspruch des Betriebsrats allein in Betracht kommenden § 40 Abs. 1 BetrVG sind nicht erfüllt.

I. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG kann ein Betriebsrat Kosten aus solchen gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Arbeitgeber mit Erfolg geltend machen, in denen betriebsverfassungsrechtliche Fragen aus der Amtstätigkeit des Betriebsrats zu klären sind (vgl. BAGE 40, 244, 246 = AP Nr. 19 zu § 40 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe; BAGE 31, 93, 98 f. = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe). Dabei sind nur solche Kosten erstattungsfähig, die erforderlich gewesen sind.

Zwar wird die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Kosten in § 40 Abs. 1 BetrVG im Gegensatz zu den Bestimmungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 1 sowie § 40 Abs. 2 desselben Gesetzes nicht ausdrücklich genannt. Es ist jedoch, wenn auch mit teilweise unterschiedlichen Einzelbegründungen, allgemein anerkannt, daß Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur dann vom Arbeitgeber zu tragen sind, wenn sie zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben erforderlich waren (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 27. September 1974 - 1 ABR 67/73 - AP Nr. 8 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe, m.w.N.; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 40 Rz 9, m.w.N.).

Dabei ist die Erforderlichkeit der Kostenverursachung nicht rückblickend nach einem rein objektiven Maßstab, sondern vom Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrates aus zu beurteilen (BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979 - 6 ABR 37/76 - AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 2 b der Gründe; auch schon BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe). Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit zu bejahen, wenn der Betriebsrat wie ein vernünftiger Dritter bei gewissenhafter Überlegung und verständiger und ruhiger Abwägung aller Umstände zur Zeit seines Beschlusses zu dem Ergebnis gelangen durfte, der noch zu verursachende Kostenaufwand sei für die Betriebsratstätigkeit notwendig. Das vom Betriebsrat beabsichtigte Beschlußverfahren muß erforderlich und geeignet sein, das von ihm geltend gemachte, ihm ernsthaft bestrittene Recht unmittelbar durchzusetzen, ohne daß die Meinungsverschiedenheit betriebsverfassungsrechtlichen Inhalts auf andere Weise mit dem Arbeitgeber geklärt werden kann (vgl. BAGE 31, 93, 98 f. = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe). Die Grenzen der Erforderlichkeit der Kosten, die aufgrund der Durchführung eines derart beabsichtigten gerichtlichen Verfahrens entstehen, sind jedoch überschritten, wenn das Verfahren ohne hinreichenden Anlaß eingeleitet, ohne Aussicht auf Erfolg mutwillig durchgeführt oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mißachtet wird. Für diese Abwägung steht dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Bei ihr ist, wie auch sonst im Rahmen der Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG, auf das Urteil eines vernünftigen Dritten im Zeitpunkt der Beschlußfassung und des Auftrags an den Rechtsanwalt abzustellen (BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986 - 6 ABR 2/85 - AP Nr. 31 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1987, 753, zu B III 2 der Gründe, m.w.N.). Der Betriebsrat muß dabei wie jeder andere, der auf Kosten eines Dritten handeln darf, Maßstäbe einhalten, die er gegebenenfalls anwenden würde, wenn er selbst - oder seine beschließenden Mitglieder - die Kosten zu tragen hätte (BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986, aaO; vgl. insgesamt: Senatsbeschluß vom 11. Dezember 1990 - 7 ABR 30/89 -, n.v., zu B I der Gründe).

Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Sie werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen.

II. Indessen hat das Landesarbeitsgericht diese Voraussetzungen zu Unrecht als erfüllt angesehen.

1. Zur Begründung seiner Ansicht hat das Landesarbeitsgericht gemeint, Rechtsanwalt Dr. B sei durch ordnungsgemäßen Beschluß des Betriebsrates mit der Vertretung in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung beauftragt worden. Das Verfahren sei auch nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos und unbegründet gewesen. Der für die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung zuständige Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts Hagen hätte, wenn er sich bemüht hätte, über den um 9.00 Uhr eingereichten Antrag mindestens vor 11.00 Uhr, dem Zeitpunkt der Demontage der Maschinen, und damit Stunden vor dem Abtransport der Maschinen um 17.00 Uhr, wegen der Dringlichkeit des Falles allein und ohne mündliche Anhörung der Beteiligten nach den § 85 Abs. 2 ArbGG, § 944 ZPO entscheiden können und müssen, wenn die Entscheidung nicht ins Leere gehen sollte. Selbst wenn man der Meinung sein sollte, daß auch in dringenden Fällen über den Antrag einer einstweiligen Verfügung im hier anzuwendenden Beschlußverfahren wegen § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ohne mündliche Anhörung nur unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden werden dürfe, hätte die Entscheidung bis 11.00 Uhr erfolgen können, wie die Praxis der für solche Verfahren zuständigen Kammern des Landesarbeitsgerichts zeige. Auf eine Zustellung der einstweiligen Verfügung wäre es nicht angekommen, da erfahrungsgemäß gerade größere, bekanntere Unternehmen wie die Arbeitgeberin gerichtliche Entscheidungen respektierten und sich ihnen beugten. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Rechtsanwaltskosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen, umfasse im vorliegenden Fall indessen nicht die Beweisgebühr, die hierauf entfallende anteilige Mehrwertsteuer und einen 4 % übersteigenden Zinssatz. Dagegen seien die Fahrtkosten des nicht am Sitz des Arbeitsgerichts in Hagen, sondern in U ansässigen Rechtsanwalts Dr. B von der Arbeitgeberin zu tragen.

2. Der Senat kann die Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht teilen. Der Betriebsrat durfte auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes die Erforderlichkeit der Einleitung eines Verfahrens der einstweiligen Verfügung und der Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. B zur Vertretung in einem solchen Verfahren nicht bejahen.

a) Das von dem Betriebsrat beabsichtigte Verfahren der einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, Demontage und Abtransport der beiden Maschinen am 1. September 1989 zu verhindern, war bereits aus Verfahrensgründen nicht geeignet, das vom Betriebsrat behauptete Recht durchzusetzen. Die Eignung des Verfahrens unter diesem Gesichtspunkt setzte voraus, den Antrag so rechtzeitig und so vollständig beim Gericht einzureichen, daß die beantragte Entscheidung durch das Gericht noch rechtzeitig hätte ergehen können und deren Vollziehung (vgl. § 929 ZPO) gegenüber der Arbeitgeberin noch vor der Demontage und vor dem Abtransport der Maschinen hätte vorgenommen werden können.

Der Betriebsrat durfte auch unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes diese Voraussetzungen nicht als erfüllt ansehen. Der Antrag selbst ist erst an dem Tag, an welchem beide Maschinen demontiert und abtransportiert werden sollten, nämlich am 1. September 1989 gegen 9.00 Uhr, beim Arbeitsgericht eingereicht worden. Als Glaubhaftmachungsmittel waren ihm unbeglaubigte Fotokopien der 4-seitigen Mitteilung an den Betriebsrat vom 27. April 1989, des Grobplans vom 13. September 1988 (2 Seiten), des Schreibens der Arbeitgeberin an den Betriebsrat vom 23. August 1989 und des Antwortschreibens des Betriebsrates vom 28. August 1989 beigefügt. Nicht beigefügt war dagegen der Interessenausgleich vom 12. September 1988, um dessen Einhaltung es dem Betriebsrat mit seinem Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung gegangen ist.

aa) Vom Zeitlauf her hätte die einstweilige Verfügung überhaupt nur rechtzeitig ergehen können, wenn sie ohne mündliche Anhörung der Beteiligten hätte erlassen werden können. Dies durfte aber der - zudem anwaltlich beratene - antragstellende Betriebsrat nicht erwarten. Zwar mußte der Betriebsrat möglicherweise mit Rücksicht auf § 935 ZPO die Gefährdung des von ihm reklamierten Rechtes durch Demontage und Abbau der Maschinen nicht glaubhaft machen; er mußte jedoch auf jeden Fall gemäß § 936 in Verb. mit § 920 ZPO das Bestehen des Rechtes glaubhaft machen, welches durch die Demontage und den Abtransport der beiden Maschinen gefährdet sein sollte. Daran fehlt es aber. Zur Glaubhaftmachung ist in der Antragsschrift insoweit nur "Vorlage des Interessenausgleichs vom 12. September 1988" angegeben. Indessen ist der Interessenausgleich nicht beigefügt worden. Zudem waren die beigefügten Kopien der übrigen Schriftstücke nicht beglaubigt. Grundsätzlich ist für eine Glaubhaftmachung durch Urkunden erforderlich, die Urkunden im Original oder in beglaubigter Abschrift oder beglaubigter Fotokopie vorzulegen. Nicht beglaubigte Abschriften oder Kopien genügen grundsätzlich den Anforderungen an eine hinreichende Glaubhaftmachung nicht. Ohne eine hinreichende Glaubhaftmachung durfte aber das Arbeitsgericht die beantragte einstweilige Verfügung nicht ohne mündliche Anhörung der Beteiligten erlassen. Auch bei einer mündlichen Anhörung der Beteiligten ist zwar grundsätzlich eine Glaubhaftmachung nicht allgemein bekannter Tatsachen erforderlich; aufgrund der Anhörung werden sich jedoch häufig große Teile der Tatsachenbehauptungen als unstreitig ergeben. Die Möglichkeit, daß sich Tatsachen vor Entscheidung über den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung als unstreitig herausstellen können, fehlt jedoch, wenn - wie hier - eine vorherige Anhörung des Verfügungsgegners aus Zeitgründen ausscheiden soll. Vorliegend durfte der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung nur dann als geeignetes Mittel angesehen werden, wenn von der Seite des Antragstellers alle nötigen Voraussetzungen dafür geschaffen und insbesondere alle Tatsachen glaubhaft gemacht worden wären, die das Gericht in die Lage versetzt hätten, dem Antrag unter dem Gesichtspunkt der besonderen Dringlichkeit entsprechend § 937 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Anhörung der Beteiligten stattzugeben.

bb) Nur wenn das Arbeitsgericht der einstweiligen Verfügung so rechtzeitig hätte stattgeben dürfen und können, daß auch noch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gemäß § 929 Abs. 3 in Verb. mit § 936 ZPO vor der Demontage bzw. vor dem Abtransport der beiden Maschinen möglich gewesen wäre, hätte unter diesem Gesichtspunkt überhaupt die Eignung des Rechtsbehelfs der einstweiligen Verfügung bejaht werden dürfen. Hierzu hätte der Arbeitgeberin zumindest eine Ausfertigung des gerichtlichen Beschlusses übergeben werden müssen. Einen Erfahrungssatz, wie ihn das Landesarbeitsgericht aufgestellt hat, größere, bekanntere Unternehmen pflegten gerichtliche Entscheidungen zu respektieren und sich ihnen zu beugen, wenn ihnen hiervon auch nur mündlich berichtet worden sei, gibt es nicht. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung beginnt der rechtliche Zwang auf den unterlegenen Teil zwar nicht erst mit der Zustellung einer beglaubigten Ausfertigung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung, sondern bereits mit der formlosen Übergabe einer schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung, d.h. mit deren Vollziehung. Die bloß mündliche Bekanntgabe der Entscheidung löst diese Wirkung dagegen von Rechts wegen nicht aus. Nach § 929 Abs. 3 in Verb. mit § 936 ZPO ist die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vor ihrer Zustellung an den Schuldner zulässig. Diese bloße Vollziehung bleibt allerdings ohne Wirkung, wenn die förmliche Zustellung nicht innerhalb einer Woche seit der Vollziehung und vor Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO erfolgt. Dementsprechend hätte der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung nur dann als überhaupt geeignet angesehen werden dürfen, wenn ihm durch das Gericht hätte rechtzeitig stattgegeben werden können, diese Entscheidung sodann geschrieben und ausgefertigt worden und eine Ausfertigung sodann der Arbeitgeberin zum Zwecke der Vollziehung übergeben worden wäre, bevor die in Rede stehenden Handlungen vollzogen waren.

Dieses Ziel zu erreichen, durfte der Betriebsrat schon deshalb nicht erwarten, weil er eine wesentliche Voraussetzung hierfür nicht erfüllt hat, nämlich die Glaubhaftmachung aller für die Stattgabe erforderlichen Tatsachen. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

b) Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht in seiner Ansicht gefolgt werden, die beantragte einstweilige Verfügung hätte ohne mündliche Anhörung der Beteiligten vom Vorsitzenden allein erlassen werden dürfen. Dem steht § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entgegen. Nach dieser Vorschrift sind auf die einstweilige Verfügung im Beschlußverfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über einstweilige Verfügungen unter anderem mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Entscheidungen "durch Beschluß der Kammer" ergehen. Hiernach kann zwar auch im Beschlußverfahren über eine einstweilige Verfügung gemäß § 937 Abs. 2 ZPO in dringenden Fällen auch ohne mündliche Anhörung der Beteiligten entschieden werden. Anders als nach § 944 ZPO, wonach in derart dringenden Fällen im Urteilsverfahren der Vorsitzende allein entscheidet, hat die Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Beschlußverfahren auch dann unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu ergehen, wenn sie ohne mündliche Verhandlung getroffen wird (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 85 Rz 45; Kehrmann/Schmahl, AuR 1977, 15; Simitis/Weiss, DB 1973, 1240, 1252; Küster, DB 1972, 631; a.A.: OVG Bremen Beschluß vom 8. April 1981 - PV-B 4/81 - PersV 1982, 296; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rz 18; Wenzel, NZA 1984, 112, 115). Die Ansicht, in derart dringenden Fällen könne trotz der Bestimmung des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG der Vorsitzende allein entscheiden, vermag der Senat nicht zu teilen. Wenn die Entscheidung nicht ohne mündliche Verhandlung ergeht, erfolgt sie ohnehin durch die vollbesetzte Kammer. Die Anordnung des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG kann sich deswegen nur auf eine Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Beschlußverfahren beziehen, über den ohne mündliche Anhörung der Beteiligten befunden werden soll. Durch welche Maßnahmen sicherzustellen ist, daß in derart dringlichen Fällen rechtzeitig eine Entscheidung durch die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter ergehen kann, ist eine Frage der Gerichtsorganisation.

3. Auch aus einem weiteren Grund ist der Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung nicht geeignet und deswegen auch nicht erforderlich i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG. Es fehlt nämlich am Verfügungsanspruch. Eine einstweilige Verfügung kann nur ergehen, wenn neben dem Verfügungsgrund auch ein Verfügungsanspruch besteht. Besteht kein Verfügungsanspruch, so ist ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung unbegründet und deshalb nicht i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG geeignet oder erforderlich.

Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt sollte die einstweilige Verfügung dem Ziel dienen, den sich nach Ansicht des Betriebsrates aus dem Interessenausgleich ergebenden Anspruch auf Einhaltung der Fristen für die Unterrichtung des Betriebsrates zu sichern. Dem konnte der Antrag nicht dienen. Ein Interessenausgleich erzeugt keinen Anspruch des Betriebsrats auf dessen Einhaltung. Weicht der Arbeitgeber von einem vereinbarten Interessenausgleich ab, so kann dies zwar Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer gem. § 113 BetrVG zur Folge haben (vgl. insoweit: BAGE 42, 11, 21 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972, zu B II 5 a der Gründe). Indessen kann der Betriebsrat seinerseits gegenüber dem Arbeitgeber aus eigenem Recht die Einhaltung des Interessenausgleichs nicht erzwingen, weil es sich ihm gegenüber lediglich um eine Naturalobligation handelt (vgl. im Ergebnis Hess/ Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 112 Rz 13; Fabricius, GK-BetrVG, 4. Aufl., §§ 112, 112 a Rz 22; Fitting/ Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., §§ 112, 112 a, Rz 8; Galperin/ Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 112 Rz 13; s. auch Biebl, AuR 1990, 307, 311 r. Sp. unten). Hat aber der Betriebsrat kein eigenes Recht auf Einhaltung des Interessenausgleichs, so steht ihm auch kein Verfügungsanspruch zur Sicherung eines solchen - nicht bestehenden - Rechtes zu.

Dr. Steckhan Kremhelmer Schliemann

Dr. Sponer Schmalz

 

Fundstellen

Haufe-Index 441026

BAGE 68, 232-242 (LT1-2)

BAGE, 232

BB 1991, 2306

BB 1991, 2306-2308 (LT1-2)

DB 1992, 380-382 (LT1-2)

EBE/BAG 1991, 174-176 (LT1-2)

BetrR 1992, 65-67 (ST1-3)

BetrVG, (7) (LT1-2)

EWiR 1992, 15 (L)

NZA 1992, 41

NZA 1992, 41-42 (LT1-2)

RdA 1992, 61

SAE 1992, 333-336 (LT1-2)

ZIP 1992, 950

ZIP 1992, 950-952 (LT1-2)

AP § 85 ArbGG 1979 (LT1-2), Nr 2

AR-Blattei, ES 160.12 Nr 162 (LT1-2)

EzA § 113 BetrVG 1972, Nr 21 (LT1-2)

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