Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Am Verfahren über die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach dem BetrVG 1952 sind der Betriebsrat bzw. eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft nur dann zu beteiligen, wenn sie die Wahl selbst angefochten haben (unter Aufgabe von BAG Beschlüssen vom 20. Juli 1982 – 1 ABR 19/81 – und vom 3. Oktober 1989 – 1 ABR 12/88 – AP Nr. 26 und 28 zu § 76 BetrVG [1952]).

2. Die Wahl ist anfechtbar, wenn der Wahlvorstand ohne Vorliegen der in § 4 Abs. 3 WahlO 1953 bestimmten Voraussetzungen die Wählerliste nach Ablauf der Einspruchsfrist berichtigt und hierdurch das Wahlergebnis beeinflußt werden konnte.

3. Der Wahlvorstand darf die Briefwahl nicht generell, sondern nur unter den in § 26 WahlO 1953 bestimmten Voraussetzungen zulassen.

 

Normenkette

BetrVG 1952 § 76; Erste Rechtsverordnung zur Durchführung des BetrVG 1952 vom 18. März 1953 (WahlO 1953) § 4 Abs. 3; Erste Rechtsverordnung zur Durchführung des BetrVG 1952 vom 18. März 1953 (WahlO 1953) § 26; BetrVG 1972 §§ 7, 19; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 08.05.1992; Aktenzeichen 12 TaBV 6/92)

ArbG Bonn (Beschluss vom 08.11.1991; Aktenzeichen 4 BV 74/91)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerden des Beteiligten B. und des beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 1992 – 12 TaBV 6/92 – werden zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der B. AG (Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2).

Die Beteiligten zu 1 a) bis d) sind bei der Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu d) ist außerdem Geschäftsführer der B. GmbH, einer Tochtergesellschaft der B. AG. Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) ist eine Tochtergesellschaft der D. AG. Zu dieser Holding gehören außerdem die Tochtergesellschaften D. Lebensversicherungs-AG, die D.

Allgemeine Versicherungs-AG sowie die B. -D. GmbH. Die Arbeitgeberin war bis 1988 eine Tochtergesellschaft der D. Lebensversicherungs-AG. Der Beteiligte zu 5) ist der von den Arbeitnehmern der B. AG, der D. Lebensversicherungs-AG und der D. Allgemeine Versicherungs-AG gewählte Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3) ist. Die gemeinsame Wahl eines Betriebsrats für die genannten Gesellschaften erfolgte auf Grund einer am 5. März 1987 getroffenen Vereinbarung der D. Versicherungsgesellschaften sowie der B. -D. GmbH auf der einen und dem Betriebsrat D. sowie dem Betriebsrat der B. -D. auf der anderen Seite.

Der Betriebsrat bestimmte in seiner Sitzung vom 17. Mai 1991 zur Leitung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Arbeitgeberin einen Wahlvorstand. Am 3. Juni 1991 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben für die Wahl von zwei Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat. Das Wahlausschreiben bestimmte u. a.:

„…

4. Wahlrecht

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und in die Wählerliste eingetragen sind.

5. Wählerliste

Die Wählerliste liegt bis zum Abschluß der Wahl im Betriebsratsbüro, Haus 4, Zimmer 14, von 9.00 bis 15.00 Uhr zur Einsicht aus.

Einsprüche gegen die Wählerliste müssen bis zum 20.6.1991, 15.00 Uhr, schriftlich beim Wahlvorstand eingelegt werden.

13. Zeit der Stimmabgabe

Die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat erfolgt in gemeinsamer Wahl durch die Wahlberechtigten nach den Grundsätzen des Mehrheitswahlsystems aus Vereinfachungsgründen ausschließlich als Briefwahl.

Die Briefwahlunterlagen werden durch den Wahlvorstand an jeden Wahlberechtigten versandt. Im Ausnahmefall (Verlust, Nichtzustellung durch die Post, etc.) können die Briefwahlunterlagen bis zum Wahltag beim Wahlvorstand angefordert werden. Bis zum 16. Juli 1991, 15.00 Uhr müssen die ausgefüllten Briefwahlunterlagen dem Wahlvorstand vorliegen.”

Außerdem erstellte der Wahlvorstand in dieser Sitzung die Wählerliste für die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat. Er verwendete hierfür ihm von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellte EDV-Listen, in denen die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) aufgeführt waren. Als wahlberechtigt erkannte der Wahlvorstand außerdem weitere 59 Mitarbeiter an, die in arbeitsvertraglichen Beziehungen zu anderen Gesellschaften des Unternehmens D., nicht aber zu der Beteiligten zu 2) stehen. Auf Grund einer zwischen den Vorständen der D. Lebensversicherungs-AG und der D. Allgemeine Versicherungs-AG einerseits und dem Gesamtbetriebsrat der D. Versicherungsgesellschaften andererseits am 1. Dezember 1982 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung behandelte dabei der Wahlvorstand Arbeitnehmer einer Gesellschaft, die mehr als 5 % ihrer geleisteten Arbeitszeit für eine andere Gesellschaft des Unternehmens erbringen, auch dann als Arbeitnehmer dieser Gesellschaft, wenn sie zu ihr nicht in arbeitsvertraglichen Beziehungen stehen.

Der Wahlvorstand ergänzte die vom Arbeitgeber übergebenen Listen um die zwölf nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder. Die drei freigestellten Betriebsratsmitglieder waren in der vom Arbeitgeber erstellten Liste bereits berücksichtigt. Außerdem nahm der Wahlvorstand den Datenschutzbeauftragten, den Sicherheitsbeauftragten und die Betriebsärztin in die Wählerliste auf. Letztlich fügte der Wahlvorstand fünf Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte des D. in die Liste ein. Die Kindergärtnerinnen sind Arbeitnehmerinnen des D.. Die Kindertagesstätte steht den Kindern von Mitarbeitern des gesamten Unternehmens D. offen.

In seiner Sitzung vom 20. Juni 1991 strich der Wahlvorstand zwei Arbeitnehmer von der Wählerliste, weil sie weniger als 5 % ihrer Arbeitszeit für die Beteiligte zu 2) tätig seien. Der Wahlvorstand unterrichtete die betroffenen Arbeitnehmer von dieser Streichung nicht. In seiner Sitzung vom 9. Juli 1991 ergänzte der Wahlvorstand sodann die Wählerliste um weitere seiner Meinung nach wahlberechtigte 15 Arbeitnehmer. Die Wählerlisten lagen im Büro des Betriebsrats im Gebäude des D. aus, das sich etwa 3000 m vom Sitz der Beteiligten zu 2) entfernt befindet. Zwischen beiden Gebäuden besteht zweimal täglich ein Postpendeldienst.

Am 20. Juni 1991 gab der Wahlvorstand die Wahlvorschläge bekannt. Für die Liste „DAG-B.” kandidierten die Angestellten M. und H., für die Liste „Gewerkschaft HBV” die Angestellten S. und B.. Die Wahlunterlagen wurden am 9. Juli 1991 an die Wahlberechtigten versandt. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat fand bis zum 16. Juli 1991 als Briefwahl statt. Eine Aushilfskraft suchte am 16. Juli 1991 gegen 14.55 Uhr die Poststelle des D., die sich im gleichen Gebäude wie das Büro des Wahlvorstands befindet, auf, um dort noch eingegangene Wahlbriefe abzuholen.

Von den 128 Wahlumschlägen berücksichtigte der Wahlvorstand drei verspätet eingegangene nicht. Zwei Wahlumschläge waren am 17. Juli 1991 um 11.00 Uhr, ein Wahlumschlag mit Poststempel vom 19. Juli 1991 am 22. Juli 1991 beim Wahlvorstand eingegangen. Die Auszählung der Stimmen ergab für die einzelnen Kandidaten folgende Stimmenzahlen: M. 70, B. 60, H. 59 und S. 53 Stimmen. Damit waren die beiden Erstgenannten als Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat gewählt. Der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis am 23. Juli 1991 bekannt.

Mit am 1. bzw. 5. August 1991 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen haben die Beteiligten zu 1 a) bis d) und die Beteiligte zu 2) die Wahl angefochten. Sie sind der Auffassung, die Wahl sei unwirksam. An ihr hätten Arbeitnehmer teilgenommen, die nicht wahlberechtigt seien, so die zwölf nicht freigestellten Betriebsratsmitglieder, die Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte, die Betriebsärztin sowie der Datenschutz- und der Sicherheitsbeauftragte. Durch die Änderungen der Wählerliste, die erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgenommen worden seien, sei ein Einspruch gegen die Wählerliste unmöglich gemacht worden. Unzulässig sei außerdem, daß die Wahl ausschließlich als Briefwahl durchgeführt worden sei.

Die Beteiligten zu 1 a) bis d) und die Beteiligte zu 2) haben beantragt

festzustellen, daß die am 16. Juli 1991 stattgefundene Wahl der Beteiligten B. und M. als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der B. AG für Vermögensberatung und Vermittlung unwirksam ist.

Die Beteiligten zu 3) und 5) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Wahl sei fehlerfrei durchgeführt worden. Insbesondere sei durch die Briefwahl die Wahlmöglichkeit für die einzelnen Arbeitnehmer in besonderem Maße gefördert worden; die allgemeine Briefwahl sei daher zulässig gewesen. Dies müsse insbesondere deshalb gelten, weil am 15. Juli 1991 die Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat der D. Allgemeine Versicherungs-AG gewählt worden seien und somit eine Verwechslungsgefahr bestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichteten Beschwerden des Beteiligten zu 3) und des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen der Beteiligte zu 3) und der Betriebsrat ihr Begehren auf Abweisung des Antrags weiter. Die Beteiligten zu 1 a) bis d) und zu 2) beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerden bleiben erfolglos. Die Vorinstanzen haben die Wahl zu Recht für unwirksam erklärt.

I. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unzulässig, weil er nicht Beteiligter des vorliegenden Verfahrens ist. Im Verfahren über die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat ist der Betriebsrat, sofern er nicht selbst die Wahl angefochten hat, nicht zu beteiligen. Ein nicht am Verfahren Beteiligter kann kein Rechtsmittel einlegen (vgl. BAG Beschluß vom 13. März 1984 – 1 ABR 49/82 – AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979).

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat stets auch die in den Betrieben des beteiligten Unternehmens gebildeten Betriebsräte am Verfahren über die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat beteiligt (BAGE 21, 210, 216 = AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG, zu 4 der Gründe; Beschluß vom 20. Juli 1982 – 1 ABR 19/81 – AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG [1952]). Dem folgt der nunmehr zuständige erkennende Senat nicht.

Zwar ist der Betriebsrat nach einhelliger Auffassung berechtigt, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat anzufechten, obwohl er in dem entsprechend anzuwendenden § 19 Abs. 2 BetrVG nicht genannt ist (BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 1 ABR 71/79 – AP Nr. 25 zu § 76 BetrVG [1952]; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 73; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 72, m.w.N.). Hieraus sowie aus dem den Betriebsräten in § 76 Abs. 3 BetrVG 1952 eingeräumten Vorschlagsrecht kann jedoch nicht hergeleitet werden, daß der Betriebsrat auch zu beteiligen sei, wenn er die Wahl nicht selbst angefochten hat. Den Betriebsräten ist bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat außer dem Recht, den Wahlvorstand zu bestellen (§ 31 Abs. 2 WahlO 1953), und dem Recht, Vorschläge zu machen (§ 76 Abs. 3 BetrVG 1952), keine eigene Rechtsstellung eingeräumt. Auch durch das ihnen zugestandene Wahlanfechtungsrecht entsteht keine weitergehende Rechtsposition. Der Betriebsrat, der sein Anfechtungsrecht nicht ausübt, wird durch die Entscheidung über die Anfechtung der Aufsichtsratswahl in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung nicht unmittelbar betroffen (ebenso Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rz 54).

II. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3) ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften mit Recht nicht am Verfahren beteiligt.

a) Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte in seinem Beschluß vom 20. Juli 1982 (– 1 ABR 19/81 – AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG [1952]) entschieden, daß die im Betrieb oder Unternehmen vertretene Gewerkschaft in einem Verfahren, in dem es um die Wahl des Betriebsrats oder Arbeitnehmervertreters zum Aufsichtsrat geht, von Amts wegen zu beteiligen sei. Die Gewerkschaft werde durch die Entscheidung über die Wirksamkeit der Wahl in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen oder unternehmensverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar berührt. Durch das ihnen vom Gesetz eingeräumte Anfechtungsrecht (§ 19 Abs. 2 BetrVG analog) habe der Gesetzgeber ein rechtliches Interesse der Gewerkschaften an einer ordnungsgemäßen Wahl anerkannt. Infolgedessen seien sie am Anfechtungsverfahren unabhängig davon zu beteiligen, ob sie ihr Anfechtungsrecht ausübten.

b) Unter (teilweiser) Aufgabe dieser Rechtsprechung hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 19. September 1985 (BAGE 50, 1 = AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972) für die Betriebsratswahl entschieden, daß die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG am Wahlanfechtungsverfahren zu beteiligen sind, wenn sie von ihrem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Den Gewerkschaften seien im Betriebsverfassungsgesetz nur einzelne Rechte, wie zum Beispiel in § 19 Abs. 2 BetrVG das Anfechtungsrecht, eingeräumt, ohne jedoch ein eigenständiges Organ der Betriebsverfassung zu sein. Der Kreis der Anfechtungsberechtigten sei im Interesse einer ordnungsgemäßen Wahl durch § 19 Abs. 2 BetrVG weit gezogen. Andererseits bestehe keine Pflicht zur Anfechtung; etwaige Mängel der Wahl seien geheilt, wenn eine Anfechtung der Wahl nicht innerhalb von zwei Wochen erfolge. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist entstehe durch die gesetzlich eingeräumte, aber nicht wahrgenommene Anfechtungsbefugnis keine weitere Rechtsposition in einem anderweitig eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren. Die Gewerkschaften seien nicht generell „Hüter der Wahl” mit der Folge, daß sie an sämtlichen Wahlanfechtungsverfahren beteiligt werden müßten. Eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Wahl treffe die Gewerkschaften nicht unmittelbar in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung.

Der Erste Senat hat damals auf Anfrage des Sechsten Senats erklärt, er halte an seiner bisherigen Auffassung nicht fest, soweit es die Betriebsratswahlen betrifft. Ausdrücklich offengelassen hat er, ob gleiches für die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat gelten müsse. In seinem Beschluß vom 3. Oktober 1989 (– 1 ABR 12/88 – AP Nr. 28 zu § 76 BetrVG [1952], unter II der Gründe) ist er freilich wieder von einer Beteiligung der Gewerkschaften ausgegangen.

c) Demgegenüber verneint der erkennende Senat, der die Rechtsprechung des Sechsten Senats für die Betriebsratswahl bereits übernommen hat (BAGE 61, 7, 11 = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972, zu I der Gründe), unter Aufgabe der Rechtsprechung des Ersten Senats ein Beteiligungsrecht der Gewerkschaft, die die Wahl nicht selbst angefochten hat, jedenfalls auch für die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach § 76 BetrVG 1952. Ob gleiches auch für die Wahlen nach dem MitbestG zu gelten hat, bedarf hier nicht der Entscheidung. Im Beschluß vom 20. Februar 1991 (– 7 ABR 85/89 – AP Nr. 1 zu § 9 MitbestG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) ist der Senat von einer Beteiligung der Gewerkschaften ausgegangen.

Die Gewerkschaften sind am Verfahren über die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat nach § 76 BetrVG 1952 nicht zu beteiligen, weil ihnen über das ihnen in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 BetrVG eingeräumte Anfechtungsrecht hinaus keine weitere Rechtsstellung zukommt, die durch eine Entscheidung über die Anfechtung der Wahl betroffen sein könnte. Ihnen ist nicht einmal ein Vorschlagsrecht eingeräumt (vgl. § 76 Abs. 3 BetrVG 1952 im Gegensatz zu § 14 Abs. 5 BetrVG). Daß die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat häufig Vertreter der Gewerkschaften sind, führt nicht zu einer notwendigen Beteiligung der Gewerkschaften. Ein allgemeines Interesse genügt für die erforderliche Betroffenheit nicht (a.A. anscheinend Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 74). Vielmehr müßte die Gewerkschaft unmittelbar in ihrer betriebs- oder unternehmensverfassungsrechtlichen Stellung verletzt sein. Dies ist indessen nicht der Fall.

2. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Aufsichtsrat sowie die durch die Wahlanfechtung betroffenen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat beteiligt. Sie sind durch eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Wahl unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen.

3. Die Vorinstanzen haben den „Vorstand” des beteiligten Unternehmens als anfechtungsberechtigt angesehen. Dies ist zumindest ungenau. Nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist unter anderem der „Arbeitgeber” anfechtungsberechtigt. Der Arbeitgeber ist hier jedoch die beteiligte Aktiengesellschaft. Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, wird sie gemäß § 78 Abs. 1 AktG durch ihren Vorstand vertreten. Wenn demgegenüber die einschlägigen Kommentare den „Vorstand” als anfechtungsberechtigt ansehen (so Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 72; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 73; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 76 BetrVG 1952 Rz 112), so ist dies lediglich als terminologische Anlehnung an den Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 MitbestG zu verstehen.

Die Mitglieder des Vorstandes haben jedoch hinreichend deutlich gemacht, daß sie weder als Einzelpersonen noch als Vorstand, sondern als Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft die Anfechtung der Wahl erklärt haben. Ihr Antrag ist daher nicht mangels Anfechtungsberechtigung abzuweisen. Als Anfechtende ist die Aktiengesellschaft anzusehen, vertreten durch den Vorstand. Dies mußte im Rubrum zum Ausdruck kommen. Andererseits hatte dies zur Folge, daß die bisherige zusätzliche Beteiligung der B. AG überflüssig ist. Die Beteiligte zu 2) und die in den Vorinstanzen als Beteiligte zu 5) geführte Aktiengesellschaft sind identisch.

4. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Beteiligten zu 1 a) bis d) als anfechtungsberechtigt angesehen. Entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind zur Anfechtung mindestens drei Wahlberechtigte berechtigt. Die Antragsteller zu 1 a) bis d) erfüllen diese Voraussetzung. Soweit der Beteiligte zu 1 b) als Personalreferent der Aktiengesellschaft unmittelbar einem Vorstandsmitglied unterstellt ist, ergeben sich hieraus keine ausreichenden Anhaltspunkte, um ihn als leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG und damit gemäß § 7 BetrVG nicht als wahlberechtigt anzusehen. Soweit der Beteiligte zu 1 d) Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft der B. AG ist, steht dies seiner Arbeitnehmereigenschaft im Betrieb der B. AG nicht entgegen. Der Beteiligte zu 1 d) hat ausdrücklich erklärt, daß sein Arbeitsverhältnis nicht von seiner gleichzeitigen Geschäftsführerfunktion in einem anderen Betrieb berührt worden sei. Anhaltspunkte dafür, daß der Beteiligte zu 1 d) nicht mehr in die Betriebsorganisation eingegliedert und demzufolge nicht mehr gemäß § 7 BetrVG wahlberechtigt ist (vgl. hierzu BAGE 61, 7, 12 ff. = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe), bestehen nicht.

5. Die Anfechtungsberechtigung der Antragsteller ist auch nicht – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – nachträglich weggefallen, weil sie gemäß § 4 WahlO 1953 keinen Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt haben.

a) In diesem Zusammenhang ist einerseits umstritten, ob der Arbeitgeber überhaupt ein Einspruchsrecht nach § 4 WahlO 1953 besitzt (verneinend z. B.: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 2; Etzel, HzA, Gruppe 19 Rz 236; bejahend z. B.: Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 3; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 3). Außerdem ist umstritten, ob Voraussetzung für die Anfechtungsberechtigung nach § 19 Abs. 2 BetrVG sein kann, daß die Anfechtenden zuvor rechtzeitig gegen die Wählerliste Einspruch eingelegt haben (bejahend: LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 27. Januar 1976 – 5 TaBV 38/75 – BB 1976, 1271; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., WahlO 1972, § 4 Rz 3, m.w.N.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 9; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 3; Etzel, HzA, Gruppe 19 Rz 237; verneinend: Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 19 Rz 59).

b) Grundsätzlich können durch die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsrecht als niederrangigem Recht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wahlanfechtung nicht eingeschränkt werden (BAGE 26, 107 = AP Nr. 2 zu § 19 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 25. Juni 1974 – 1 ABR 68/73 – AP Nr. 3, aaO; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 19 Rz 59). In § 19 Abs. 2 BetrVG ist die Anfechtungsbefugnis uneingeschränkt gewährt, so daß eine Einschränkung durch die Wahlordnung nicht möglich wäre. Andererseits bestimmt § 4 WahlO, daß der sich gegen die Wählerliste richtende Rechtsbehelf der Einspruch ist. Ließe man trotz fehlendem Einspruch zu, daß der Arbeitnehmer die Unrichtigkeit der Wählerliste auch noch im Wahlanfechtungsverfahren geltend macht, so bedeutete dies eine Umgehung der in § 4 Abs. 1 WahlO festgelegten Einspruchsfrist.

Letztlich kann diese Frage hier jedoch offen bleiben. Das Anfechtungsrecht kann jedenfalls nur insoweit ausgeschlossen werden, als es um solche Verstöße geht, die mittels des Einspruchs gegen die Wählerliste auch geltend gemacht werden können, d. h. Verstöße gegen das Wahlrecht bzw. die Wählbarkeit (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 1). Die Antragsteller haben neben der Wahlberechtigung bestimmter Gruppen insbesondere auch Verstöße gegen wesentliche Wahlverfahrensvorschriften gerügt.

Aber auch, soweit sie sich gegen die in den Sitzungen des Wahlvorstands vom 20. Juni bzw. 9. Juli 1991 vorgenommenen Änderungen der Wählerliste wenden, kann ein fehlender Einspruch der Wahlanfechtung nicht entgegenstehen. Die Einspruchsfrist (§ 4 Abs. 1 WahlO 1953) war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. War jemand jedoch nicht in der Lage, vor der Wahl Einspruch einzulegen, so kann dies nicht dazu führen, daß er die Wahl nachträglich nicht mehr anfechten kann (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 19 Rz 9; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither. BetrVG, 17. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 3).

6. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist des entsprechend anzuwendenden § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist gewahrt. Das Wahlergebnis ist am 23. Juli 1991 bekanntgegeben worden. Die am 1. bzw. 5. August 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschriften sind daher rechtzeitig vor Ablauf der Anfechtungsfrist am 6. August 1991 eingereicht.

III. Die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat des beteiligten Unternehmens ist begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, der Wahlvorstand habe gegen § 4 Abs. 3 WahlO 1953 verstoßen, da er die Wählerliste am 9. Juli 1991 um 15 weitere Arbeitnehmer ergänzt habe. Eine Änderung der Wählerliste nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 4 Abs. 1 WahlO 1953 sei nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 WahlO 1953 zulässig. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 WahlO 1953 liege nicht vor. Da durch die Eintragung in die Wählerliste der Kreis der Wahlberechtigten festgelegt werde, habe § 4 Abs. 3 WahlO 1953 auch den Charakter einer wesentlichen Wahlverfahrensvorschrift. Angesichts des geringen Abstands zwischen den Kandidaten habe dieser Fehler auch Einfluß auf das Wahlergebnis.

Außerdem habe der Wahlvorstand gegen § 26 WahlO 1953 verstoßen, indem er generell die Briefwahl angeordnet habe. Die schriftliche Stimmabgabe sei auf die gesetzlich in § 26 WahlO 1953 normierten Fälle beschränkt. Es handele sich bei dieser Regelung um eine wesentliche Wahlverfahrensvorschrift, deren Verletzung auch das Wahlergebnis habe beeinflussen können. Es sei nicht auszuschließen, daß die mit den drei verspätet eingegangenen Wahlumschlägen abgegebenen Stimmen bei einer persönlichen Wahl rechtzeitig abgegeben worden wären.

2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.

a) Der Antrag ist als auf die Unwirksamkeitserklärung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat gerichtet anzusehen und stellt damit neben der Anfechtbarkeit auch eine etwaige Nichtigkeit der Wahl zur Entscheidung des Gerichts (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAGE 44, 57 = AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972, m.w.N.). Vorliegend kann zwar nicht davon ausgegangen werden, daß die von den Vorinstanzen aufgezeigten Mängel der Wahl je für sich oder in ihrer Gesamtheit so gravierend sind, daß nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl mit der Folge ihrer Nichtigkeit vorliegt. Die Anfechtung der Wahl hat jedoch Erfolg. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aus den Verstößen gegen § 4 Abs. 3 WahlO 1953 und § 26 WahlO 1953 die Unwirksamkeit der Wahl hergeleitet. Überdies war die Wahl auch deshalb fehlerhaft, weil der Wahlvorstand für die Bestimmung der aktiven Wahlberechtigung in Anwendung der Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1982 auch Arbeitnehmer anderer Gesellschaften als Arbeitnehmer der beteiligten Arbeitgeberin angesehen hat, die zu ihr nicht in arbeitsvertraglichen Beziehungen stehen, aber für sie während mehr als 5 % ihrer Arbeitszeit tätig sind.

b) Ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, der zur Anfechtbarkeit der Wahl der Arbeitnehmer Vertreter zum Aufsichtsrat führt, besteht zum einen darin, daß der Wahlvorstand die Wählerliste noch nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 4 Abs. 1 WahlO 1953 geändert hat. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, daß der Wahlvorstand nach Ablauf der Einspruchsfrist die Wählerliste nur bei Schreibfehlern oder offenbaren Unrichtigkeiten oder in Erledigung eines Einspruchs berichtigen darf (§ 4 Abs. 3 WahlO 1953). Der Wahlvorstand hat von Amts wegen auch nach Ablauf der Einspruchsfrist laufend die Richtigkeit der Wählerliste zu überprüfen (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 12 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 10). Dies ergibt sich notwendig aus der Tatsache, daß die Wählerliste zwar formell gemäß § 2 Abs. 3 WahlO 1953 das Wahlrecht begründet, jedoch keinen Einfluß auf die materiell-rechtliche Wahlberechtigung gemäß § 7 BetrVG hat. Der Wahlvorstand kann jedoch die Wählerliste nach Ablauf der Einspruchsfrist nur eingeschränkt unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 WahlO 1953 bei Schreibfehlern oder offenbaren Unrichtigkeiten berichtigen. Die meisten Fälle werden hiervon erfaßt sein. Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor, so muß der Wahlvorstand die Wahl abbrechen und durch Erlaß eines neuen Wahlausschreibens neu einleiten (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 11). Diese enge Auslegung des § 4 Abs. 3 WahlO 1953 ist auch sachgerecht. Da von der Eintragung in die Wählerliste die Ausübung des Wahlrechts abhängig ist, würde die Ausdehnung der Berichtigungsmöglichkeiten Wahlmanipulationen erleichtern. Die Arbeitnehmer könnten vor der Wahl eine Änderung wegen Ablaufs der Einspruchsfrist gegen die Wählerliste nicht mehr erwirken. Es soll jedoch gerade verhindert werden, daß auf Grund unrichtiger Wählerlisten gewählt wird.

Der Wahlvorstand konnte vorliegend die Berichtigung daher nur vornehmen, wenn eine offenbare Unrichtigkeit vorgelegen hat. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie nach den Umständen zum Zeitpunkt der Berichtigung klar erkennbar ist und sich die Sach- und Rechtslage eindeutig darstellt (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 14; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 4 WahlO 1972 Rz 10; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., Anhang A, § 4 WahlO 1972 Rz 8). So hat der Wahlvorstand zum Beispiel neu in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer in die Wählerliste aufzunehmen. Die hier vorgenommene Erweiterung der Wählerliste um 15 Arbeitnehmer ist – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – keine klar erkennbare und nach der Sach- und Rechtslage eindeutige Unrichtigkeit.

§ 4 Abs. 3 WahlO 1953 ist eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, deren Verletzung die Wahl anfechtbar macht. Durch die Eintragung in die Wählerliste wird das Wahlrecht begründet (§ 2 Abs. 3 WahlO 1953). Wegen dieser Bedeutung ist § 4 Abs. 3 WahlO 1953, der Änderungen nach Ablauf der Einspruchsfrist nur eingeschränkt zuläßt, als wesentliche Wahlvorschrift anzusehen.

Durch den Verstoß des Wahlvorstands gegen die eingeschränkte Berichtigungsmöglichkeit konnte das Wahlergebnis auch geändert bzw. beeinflußt werden. Hätte der Wahlvorstand die Berichtigungen nämlich nicht vorgenommen, sondern die Wahl neu eingeleitet, so wäre den Arbeitnehmern gemäß § 4 Abs. 1 WahlO 1953 das Einspruchsrecht gegen die Wählerliste eröffnet gewesen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß auf einen Einspruch hin ein Wahlberechtigter, der durch den Wahlvorstand im Wege der Berichtigung in die Wählerliste aufgenommen worden ist, dann nicht als wahlberechtigt angesehen worden wäre. Angesichts des Unterschiedes von nur einer Stimme zwischen dem zweiten gewählten Arbeitnehmervertreter und dem ersten nicht gewählten Kandidaten kann ein Einfluß auf das Wahlergebnis nicht ausgeschlossen werden. Diese hypothetische Beurteilung genügt – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführer –, um eine Anfechtung zu begründen.

c) Außerdem hat der Wahlvorstand auch gegen § 26 WahlO 1953 verstoßen, indem er allgemein die Briefwahl angeordnet hat.

Die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe ist nur in den in § 26 WahlO 1953 genannten Fällen zulässig. Ist der Arbeitnehmer wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert, seine Stimme persönlich abzugeben, kann er auf sein Verlangen hin schriftlich wählen (§ 26 Abs. 1 WahlO 1953). Von Amts wegen erhalten solche Arbeitnehmer Briefwahlunterlagen, von denen der Wahlvorstand weiß, daß sie auf Grund der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (§ 26 Abs. 2 WahlO 1953). Damit sind die Fälle, in denen die Briefwahl zulässig ist, abschließend aufgezählt. Die Briefwahl steht nicht im Belieben des Wahlvorstands, sondern ist an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 WahlO 1953 gebunden. Eine generelle Briefwahl ist unzulässig (allgemeine Meinung; so indirekt: BAGE 30, 114, 118 f. = AP Nr. 7 zu § 19 BetrVG 1972, zu II 2 b der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 26 WahlO 1972 Rz 2; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG. 17. Aufl., § 14 Rz 6; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 14 Rz 5; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 14 Rz 4a; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 26 WahlO 1972 Rz 1). Dies folgt – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – aus der Entstehungsgeschichte der Wahlordnungsbestimmungen. Der Verordnungsgeber hat die schriftliche Stimmabgabe erst nachträglich und dann nur unter den in § 26 WahlO 1953 in der Fassung von 1962 bzw. 1972 genannten Voraussetzungen schrittweise zugelassen. Im Gegensatz zu § 26 WahlO 1953 sieht § 48 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (Wahlordnung Seeschiffahrt) generell eine Briefwahl vor. Auch hieraus wird deutlich, daß die Briefwahl nur eingeschränkt unter den Voraussetzungen des § 26 WahlO 1953 zulässig sein sollte.

Dies erscheint angesichts der Bedeutung einer demokratischen Wahl – im Gegensatz zu Vorabstimmungen im Sinne des § 14 Abs. 2 BetrVG (vgl. hierzu BAGE 30, 114 = AP Nr. 7 zu § 19 BetrVG 1972) – auch gerechtfertigt. Durch die persönliche Stimmabgabe sollen Wahlmanipulationen weitestgehend ausgeschlossen werden. Bei der Briefwahl ist es dem Wählenden selbst aufgegeben, insbesondere für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952) Sorge zu tragen. Gerade wegen der hiermit verbundenen Gefahren hat der Gesetzgeber die Briefwahl nur eingeschränkt zugelassen (so für die Bundestagswahl BVerfGE 21, 200, 205). Insoweit ergibt sich auch ein wesentlicher Unterschied zur vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Möglichkeit der generellen Briefwahl bei den Vor ab Stimmungen nach § 14 Abs. 2 BetrVG (BAGE 30, 114 = AP Nr. 7 zu § 19 BetrVG 1972). Während es für die Vorabstimmungen keine näheren Regelungen gibt, hat die Art der Stimmabgabe bei den Wahlen zum Betriebsrat bzw. zum Aufsichtsrat eine nähere Ausgestaltung in den Wahlordnungen gefunden.

Etwas anderes kann auch nicht der Entscheidung des erkennenden Senats vom 20. Februar 1991 (– 7 ABR 85/89 – AP Nr. 1 zu § 9 MitbestG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) entnommen werden. Dort ist zwar ausgeführt (unter B I 1 b cc der Gründe), daß die Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl überhaupt im Verhältnis zum Vorrang der persönlichen Stimmabgabe das schützenswertere Rechtsgut ist. Dies ist jedoch im Zusammenhang der Entscheidung nicht dahingehend zu verstehen, daß eine Briefwahl generell zulässig sei, sondern betrifft nur die vom Senat vorgenommene weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „voraussichtlich” in § 19 Abs. 2 der 3. WOMitbestG (entspricht § 26 Abs. 2 WahlO 1953), der aber gerade bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen für die schriftliche Stimmabgabe aufstellt.

Bei § 26 WahlO 1953 handelt es sich auch um eine wesentliche Verfahrensvorschrift. Einerseits soll durch diese Bestimmung den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Wahl eröffnet werden, auch wenn sie betriebsabwesend sind. Andererseits sollen mit der einschränkenden Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe Wahlmanipulationen möglichst gering gehalten bzw. ausgeschlossen werden. Der Wahlvorstand hat daher gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren verstoßen, indem er allgemein die Briefwahl angeordnet hat.

Das Wahlergebnis konnte durch die Anordnung der allgemeinen Briefwahl auch beeinflußt werden. Einerseits ist nicht auszuschließen, daß die mit den drei verspätet eingegangenen Wahlumschlägen abgegebenen Stimmen bei persönlicher Stimmabgabe rechtzeitig eingegangen wären. Andererseits kann aber auch eine Beeinflussung des Wahlverhaltens nicht ausgeschlossen werden. Bei der schriftlichen Stimmabgabe müssen sich die Wähler bereits vor dem eigentlichen Wahltag entscheiden, damit ihr Wahlbrief rechtzeitig beim Wahlvorstand wieder eingeht. Dadurch kommt es zu für die einzelnen Arbeitnehmer zeitlich versetzten Wahlen. Da zwischen der Stimmabgabe unter Umständen mehrere Tage liegen können, ist nicht auszuschließen, daß einige Arbeitnehmer anders gewählt hätten, wenn sie persönlich ihre Stimme abgegeben hätten. Da der Stimmenabstand, wie bereits dargelegt, zwischen gewähltem und nicht gewähltem Aufsichtsratsmitglied nur eine Stimme betrug, kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei persönlicher Stimmabgabe ein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre.

d) Die Wahl war schließlich auch deshalb für unwirksam zu erklären, weil der Wahlvorstand – worauf das Landesarbeitsgericht nicht näher eingegangen ist – den Personenkreis der aktiv Wahlberechtigten unrichtig bestimmt hat. Das aktive Wahlrecht richtet sich nach § 76 Abs. 2 BetrVG 1952 i.V.m. § 7 BetrVG 1972. Danach sind nur die Arbeitnehmer der Betriebe des jeweiligen Unternehmens wahlberechtigt; dies setzt arbeitsvertragliche Beziehungen zu diesem Unternehmen voraus. Von dieser gesetzlichen Regelung kann auch durch eine Betriebsvereinbarung nicht abgewichen werden. Es kann daher dahinstehen, ob der Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1982 schon ihrem Inhalt nach überhaupt eine Regelung des aktiven Wahlrechts entnommen werden kann, wie sie der Wahlvorstand der Wahl zugrundegelegt hat.

3. Da die Wahl bereits aus diesen Gründen für unwirksam zu erklären war, kommt es auf das Vorliegen weiterer Anfechtungsgründe nicht an.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Dr. Sponer, Bea

 

Fundstellen

Haufe-Index 662669

BAGE, 161

NZA 1993, 949

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