Verletzung der Anzeigepflicht

Ein einmaliger schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt in der Regel weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung. Das Vorliegen eines wichtigen Grunds i. S. d. § 626 BGB ist z. B. dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer sich grundsätzlich weigert, der Anzeigepflicht nachzukommen und sich dementsprechend verhält.

Bei Angestellten in verantwortlicher Stellung gelten besondere Anforderungen. Dieser Personenkreis ist im Falle plötzlicher Erkrankung dazu verpflichtet, sofern nicht krankheitsbedingte Umstände entgegenstehen, den Arbeitgeber darüber zu unterrichten, was in seinem Aufgabenbereich während seiner Abwesenheit geschehen soll. Die Verletzung dieser vertraglichen Verpflichtung kann – je nach den Umständen – sogar die fristlose Entlassung des Angestellten rechtfertigen.[1]

Eine einzelvertragliche Vereinbarung, nach der bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Anzeigepflicht den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigen soll, stellt eine gesetzwidrige Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechts zum Nachteil des Arbeitnehmers dar und ist daher unwirksam.[2]

Verletzung der Nachweispflicht/Feststellungspflicht

Arbeitnehmer sind verpflichtet, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage dauert oder der Arbeitgeber dies früher verlangt (sog. Nachweispflicht). Für den Fall, dass der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist und der aufgesuchte Arzt eine Kassenzulassung hat, wird aus der Nachweis- eine bloße Feststellungspflicht (ärztliche Attestierung von Arbeitsunfähigkeit und anschließende elektronische Meldung zum Abruf).

Eine einmalige schuldhafte Verletzung dieser Pflichten in Gestalt der Nichtvorlage oder verspäteten Vorlage der ärztlichen AU-Bescheinigung bzw. unterlassenen Attestierung durch den Arzt rechtfertigt grundsätzlich weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn erschwerende Umstände vorliegen.[3] Dies ist z. B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer trotz Abmahnung ständig schuldhaft gegen die Nachweispflicht bzw. Pflicht zur ärztlichen Feststellung verstößt oder es grundsätzlich ablehnt, seiner Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung nachzukommen.

Verweigert ein Arbeitnehmer eine amtsärztliche Untersuchung, obwohl dies tarif- oder einzelvertraglich vorgeschrieben ist, kann dies ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 BGB sein.[4]

Verletzung der Pflicht zu gesundheitsförderndem Verhalten

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Verzögert der Arbeitnehmer durch eigenes schuldhaftes Verhalten den Heilungsprozess, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Arbeitgeber hierauf eine ordentliche oder gar eine außerordentliche Kündigung stützen kann.[5] Leichtere Pflichtverletzungen mit nachteiligen Folgen für den Heilungsprozess rechtfertigen grundsätzlich nur eine ordentliche Kündigung.

Nebenbeschäftigungen

Eine außerordentliche Kündigung ist nach dem Urteil des LAG München[6] dann gerechtfertigt, wenn ein erkrankter Arbeitnehmer während der Zeit der Krankschreibung Arbeitsleistungen für Dritte erbringt, die zu seinem Aufgabenbereich im Betrieb seines Arbeitgebers gehören. Eine Nebenbeschäftigung in erheblichem Umfang während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit, die den Heilungserfolg gefährdet, kann ausnahmsweise auch ohne Abmahnung sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.[7]

Freizeitverhalten

Auch das Freizeitverhalten des Arbeitnehmers kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Nimmt der erkrankte Arbeitnehmer an Veranstaltungen teil, die an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ähnliche oder vergleichbare Anforderungen stellen wie dessen vertragliche Arbeitspflicht, so kann dies[8] eine verhaltensbedingte ordentliche oder u. U. sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Nach dem das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine außerordentliche Kündigung nur als letztes Mittel in Betracht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der erkrankte Arbeitnehmer trotz vorheriger Abmahnung durch grob gesundheitswidriges Verhalten (z. B. Besuch einer Nachtbar trotz angeordneter Bettruhe, Trinken von größeren Mengen Alkohol) den Heilungsprozess verzögert.

Verletzung der Arbeitspflicht nach Genesung

Nimmt der Arbeitnehmer nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit die Arbeit nicht oder verspätet wieder auf, so verletzt er die Arbeitspflicht. Handelt es sich um einen weniger gravierenden Verstoß (z. B. um eine verspätete Arbeitsaufnahme von 1...

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