Wie jede Willenserklärung können auch die in der Ausgleichsquittung enthaltenen Erklärungen angefochten werden. Ein gesetzliches Widerrufsrecht für Ausgleichsquittungen nach den §§ 312, 355 BGB besteht nicht. Beim Arbeitsverhältnis handelt es sich nicht um eine besondere "Vertriebsform", auf die allein sich diese Vorschrift beziehen.[1] Soweit Tarifverträge den Widerruf vorsehen, richten sich dessen Voraussetzungen alleine nach den tariflichen Regelungen.

3.1 Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB)

Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falls nicht abgegeben haben würde.

Bei der Ausgleichsquittung ist eine Irrtumsanfechtung möglich, wenn der Arbeitnehmer sich vom Inhalt der Ausgleichsquittung, die er ungelesen unterschreibt, eine unrichtige Vorstellung macht[1] oder wenn er die Ausgleichsquittung nur flüchtig durchliest und missversteht oder auch nach sorgfältigem Durchlesen, wenn er sich unrichtige Vorstellungen von dem Inhalt der Ausgleichsquittung macht.

Der Arbeitnehmer, der die Ausgleichsquittung unterschreibt, ohne sie gelesen und ohne von seinem Inhalt eine bestimmte Vorstellung zu haben, ist zur Irrtumsanfechtung allerdings nicht berechtigt, wenn er sich keine konkrete Vorstellung machte und sich deshalb über den Inhalt der tatsächlich unterschriebenen Ausgleichsquittung auch nicht irren konnte. Zur Irrtumsanfechtung bei einer ungelesenen Ausgleichsquittung ist ein Arbeitnehmer danach dann berechtigt, wenn er sich über ihren Inhalt eine falsche Vorstellung machte, beispielsweise weil er aufgrund der sonstigen Umstände, insbesondere von mündlichen Hinweisen oder der Gestaltung der Ausgleichsquittung, davon ausging, er würde lediglich ein Empfangsbekenntnis unterzeichnen.

Da ausländische Arbeitnehmer das Sprachrisiko bei einem Vertragsschluss tragen[2], können sie auch eine von ihnen unverstandene Ausgleichsquittung nicht anfechten, solange ihnen nur klar ist, worum es sich dabei handelt.

Die Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt der Ausgleichsquittung muss nach § 121 BGB unverzüglich erfolgen, nach dem der Arbeitnehmer Kenntnis von seinem Irrtum erlangte. Darlegungs- und beweispflichtig für die Irrtumsanfechtung bei der Ausgleichsquittung ist der Arbeitnehmer.

3.2 Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)

Ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung steht dem Arbeitnehmer nach der Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung zu, wenn er vom Arbeitgeber oder von einem Vertreter des Arbeitgebers arglistig über den Inhalt der Ausgleichsquittung getäuscht wurde, insbesondere wenn ihm arglistig vorgespiegelt wurde, er würde nur eine Empfangsquittung unterzeichnen, obwohl in der Ausgleichsquittung der Verzicht auf Forderungen enthalten ist.

Angefochten werden kann eine Ausgleichsquittung wegen Täuschung innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer die Täuschung entdeckt. Darlegungs- und beweispflichtig ist der Arbeitnehmer.

3.3 Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung

Wenn ein Arbeitnehmer zur Unterschrift unter die Ausgleichsquittung durch eine widerrechtliche Drohung bestimmt wurde, kann er die Ausgleichsquittung ebenfalls anfechten. Die Anfechtung kann innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt erfolgen, in dem die durch die Drohung verursachte Zwangslage aufhört.

Als widerrechtliche Drohung, die einen Arbeitnehmer zur Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung veranlassen kann, kommt vor allem die Androhung einer Strafanzeige oder die Drohung mit einer fristlosen Kündigung in Betracht. Dabei ist eine Drohung mit einer fristlosen Kündigung dann nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Es kommt nicht darauf an, ob die Arbeitgeberkündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich im Gerichtsverfahren als rechtswirksam erwiesen hätte. Ob ein verständiger Arbeitgeber die fristlose Kündigung ernsthaft erwogen hätte, richtet sich allerdings nicht nur nach dem tatsächlichen Wissensstand des Arbeitgebers. Zu berücksichtigen sind auch die, beispielsweise erst im Prozess gewonnenen Ergebnisse weiterer Ermittlungen, die ein verständiger Arbeitgeber zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt hätte. Maßgeblich ist der objektiv mögliche und damit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers.[1]

Die Androhung einer Strafanzeige ist dann widerrechtlich, wenn hierdurch bezweckt wird, den Arbeitnehmer zu einem Forderungserlass oder Verzicht zu nötigen, auf die der Arbeitgeber keinen Anspruch hat.

Auch die Drohung, ohne Unterzeichnung der Ausgleichsquittung, in der ein Forderungsverzicht enthalten ist, die Arbeitspapiere nicht herauszugeben, stellt eine widerrechtliche Drohung dar, da der Arbeitnehmer auch ohne Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung einen Anspruch auf die Arbeitspapiere hat und er auf die Arbeitsp...

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