Rz. 21

Von Bedeutung für die Wartezeit sind hingegen rechtliche Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Wartezeit. Diese führen grundsätzlich dazu, dass die Wartezeit im Fall eines erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen denselben Parteien wiederum vollständig zurückgelegt werden muss.

Warum das Arbeitsverhältnis unterbrochen wurde, ist dabei zunächst gleichgültig. In Betracht kommen

  • Kündigungen durch Arbeitgeber wie Arbeitnehmer,
  • Befristungsablauf,
  • wiederholte Tagesarbeitsverhältnisse, auch wenn eine Rahmenvereinbarung besteht[1]
  • Aufhebungsvertrag,
  • Arbeitgeberwechsel – auch innerhalb des Konzerns,
  • lösende Aussperrung im Arbeitskampf.
 

Rz. 22

Stark umstritten ist aber, ob jede Unterbrechung, insbesondere nur kurzfristige, zu einem Neubeginn der Wartezeit führen. Die Autoren, die diese Auffassung vertreten, führen als Argument an, dass sich im Gesetz kein anderweitiger Hinweis findet und dass eine andere Auslegung zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann.[2]

Demgegenüber wird von den Vertretern der Auffassung, dass zumindest kürzere Unterbrechungen unschädlich sind, angeführt, dass sich aus der Entstehungsgeschichte des § 4 BUrlG ergibt, dass der Gesetzgeber von einem allgemeinen Grundsatz ausgegangen ist, dass Unterbrechungen ggf. unschädlich sind und die Einzelheiten der Rechtsprechung überlassen wollte.[3]

Hinzu kommt, dass auch für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG unumstritten ist, dass kürzere Unterbrechungen außer Acht zu bleiben haben[4], obwohl hier sogar die schärfere Voraussetzung des "ununterbrochenen Bestands des Arbeitsverhältnisses" normiert ist.

 

Rz. 23

Gleichwohl ist der Ansicht der Vorzug zu geben, die konsequent jede Unterbrechung als schädlich für die Erfüllung der Wartezeit ansieht. Der Wortlaut des § 4 BUrlG ist für beide Auslegungen offen. Auch die Gesetzesentstehung zwingt nicht zu einer anderen Auslegung, denn der Gesetzgeber wollte der Rechtsprechung die Klärung der Frage übertragen.

Der Vergleich mit § 1 KSchG ist insofern nicht zwingend, weil es im Bereich des Kündigungsschutzes um den Bestandsschutz für die Erwerbsgrundlage eines Arbeitnehmers geht, der einen großzügigeren Maßstab rechtfertigt, wenn es um die Folgen von Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses geht. Demgegenüber ist die Frage der Erfüllung der Wartezeit nach § 4 BUrlG für den Arbeitnehmer in der Praxis von untergeordneter Bedeutung.

Vor allem aber die praktischen Folgeprobleme der Abgrenzung, welche Unterbrechungen noch tolerabel und welche schädlich sind, ob die Zeiten der Unterbrechung zur Wartezeit zählen oder nicht[5], zeigen, dass hier eine Rechtsunsicherheit entsteht, mit der die Praxis nur schwer zurechtkommt.

Auch das Bundesarbeitsgericht geht von diesem Grundsatz aus, lässt aber Ausnahmen in besonderen Fällen zu. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung des wegen der Beendigung nicht erfüllten Anspruchs auf Urlaub. Wird danach ein neues Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber begründet, ist dies i. d. R. urlaubsrechtlich eigenständig zu behandeln. Der volle Urlaubsanspruch wird erst nach (erneuter) Erfüllung der Wartezeit des § 4 BUrlG erworben.

In den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses allerdings bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit (hier nur ein Tag, und das war ein Sonntag) unterbrochen wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet.[6]

Missbrauchsfälle, in denen das Arbeitsverhältnis nur unterbrochen wurde, um die Erfüllung der Wartezeit zu verhindern, sind über den Rechtsgedanken des § 162 BGB beherrschbar.[7]

[1] Voraussetzung ist hier aber, dass gerade keine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bei Anforderung durch den Arbeitgeber besteht.
[2] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 4 BUrlG, Rz. 4.
[3] Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 4 BUrlG, Rz. 43; HK-ArbR/Holthaus, 5. Aufl. 2022, § 4 BUrlG, Rz. 8.
[5] Zu den Folgeproblemen anschaulich Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 4 BUrlG, Rz. 43-53.
[7] S. dazu oben Rz. 4.

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