Rz. 58

 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer arbeitet in der 5-Tage-Woche. Auf das Arbeitsverhältnis findet ein MTV Anwendung, der Folgendes regelt:

  1. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf 26 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr.
  2. Im Ein- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber auf so viele Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs Anspruch, als er Monate bei ihm gearbeitet hat (Beschäftigungsmonate). Ein angefangener Monat wird voll gerechnet, wenn die Beschäftigung mindestens 10 Kalendertage bestanden hat.

Der Arbeitnehmer scheidet zum 31.8.2019 aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Lösung

Die tariflich vorgesehene Zwölftelung führt dazu, dass dem Arbeitnehmer nur 17,33 Urlaubstage zustünden (26 Tage : 12 Monate × 8 Monate). Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG beträgt dagegen 20 Urlaubstage (24 Werktage in der 6-Tage-Woche : 6 Arbeitstage × 5 Arbeitstage), da der Arbeitnehmer über den 30.6.2019 hinaus beschäftigt war. Eine tarifliche Regelung über eine Zwölftelung ist jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als hierdurch der gesetzliche Urlaubsanspruch unterschritten wird (BAG, Urteil v. 20.1.2009, 9 AZR 650/07, n. v.[2]). Dem Arbeitnehmer stehen deshalb 20 Urlaubstage für das Jahr 2019 zu. Scheidet der Arbeitnehmer dagegen später aus und führt auch die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs nicht zum Unterschreiten des gesetzlichen Urlaubsanspruchs von 20 Werktagen, bliebe die tarifliche Regelung wirksam, da der nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG unabdingbare gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen verbleibt (BAG, Urteil v. 24.10.2000, 9 AZR 610/99[3]).

 
Hinweis

Sieht ein Tarifvertrag die Zwölftelung von Urlaubsansprüchen beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor – sei es durch nachträgliche Kürzung oder anteiliges Entstehenlassen –, ist zu unterscheiden: Liegt dem Ruhen z. B. eine Erwerbsminderung zugrunde und damit ein Umstand, der wie langwährende Krankheit oder Mutterschaftsurlaub nicht vom Willen des Arbeitnehmers abhängt, gilt dasselbe wie im Beispielsfall (BAG, Urteil v. 22.1.2019, 9 AZR 10/17[4]). Liegt dem Ruhen dagegen ein unbezahlter Sonderurlaub zugrunde, ist der Urlaub nach den Grundsätzen des § 3 Abs. 1 BUrlG zu berechnen (BAG, Urteil v. 19.3.2019, 9 AZR 315/17[5]). Erst wenn die tarifliche Zwölftelungsregelung dazu führt, dass der so errechnete gesetzliche Mindesturlaub unterschritten wird, greift sie nicht.

[1] Zur einzelvertraglichen Vereinbarung einer Zwölftelung vgl. Arnold, § 5, Rz. 30.
[2] BAG, Urteil v. 8.3.1984, 6 AZR 442/73, NZA 1984 S. 160; zum gekürzten Vollurlaub nach § 5 Abs. 1c BUrlG vgl. BAG, Urteil v. 18.6.1980, 6 AZR 328/78, DB 1980 S. 2197.
[3] NZA 2001 S. 663.
[4] NZA 2019 S. 832; BAG, Urteil v. 7.8.2012, 9 AZR 353/10, NZA 2012 S. 1216.
[5] BAG, Urteil v. 19.3.2019, 9 AZR 406/17; die mit BAG, Urteil v. 6.5.2014, 9 AZR 678/12, NZA 2014 S. 959 ff. vertretene gegenteilige Rechtsprechung hat das BAG nunmehr aufgegeben; s. näher Zimmermann, § 1, Rz. 33 ff.; Rambach, § 3, Rz. 35 ff.

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