Rz. 84

Schwierigkeiten treten dann auf, wenn der Vertragspartner des Arbeitnehmers wechselt und ein neuer Vertragspartner in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eintritt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der bisherige Arbeitgeber (= Veräußerer) seinen Betrieb an einen Dritten (= Erwerber) verkauft.

Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt derjenige, auf den ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft übergeht, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das gilt auch für Urlaubsansprüche. Problematisch ist dabei gerade auch das Verhältnis zur Haftung des Veräußerers: Nach § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB haftet der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf eines Jahres nach diesem Zeitpunkt fällig werden als Gesamtschuldner. Das heißt, dass der Veräußerer vom Arbeitnehmer für solche Ansprüche im selben Umfang in Anspruch genommen werden kann wie der Erwerber und zwischen Veräußerer und Erwerber nur im Innenverhältnis ein Ausgleich stattfindet. Bei der Frage, ob diese Haftung des Veräußerers im Bereich des Urlaubsrechts zum Tragen kommt, ist im Einzelnen zwischen Urlaubsanspruch, Urlaubsentgelt sowie Urlaubsabgeltung zu unterscheiden:

8.1.1 Urlaubsanspruch

 

Rz. 85

Aus dem Charakter des Urlaubsanspruchs ergibt sich bereits, dass nach erfolgtem Betriebsübergang eine Gewährung von Urlaub durch Freistellung von der Arbeitspflicht nicht mehr durch den Veräußerer erfolgen kann[1]: Dieser ist nicht mehr Vertragspartner des Arbeitnehmers. Es besteht gerade keine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Veräußerer, sodass dieser ihn auch nicht von dieser Pflicht freistellen könnte. Das – von der Person des Arbeitgebers abgesehen – identische Arbeitsverhältnis wird mit dem Erwerber des Betriebs fortgesetzt. Der Urlaub kann und muss dann im fortgesetzten Arbeitsverhältnis vom Erwerber gewährt werden; dies führt dann auch zur Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsentgelt.[2]

Das gilt auch für den Fall, dass der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat[3] oder dem Arbeitnehmer bereits gegenüber dem Veräußerer ein Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub entstanden war.[4] Auch diesen Anspruch kann nur der Erwerber erfüllen.

 

Rz. 86

Differenzierter zu betrachten ist die Situation, wenn der Urlaub vom Veräußerer für einen Zeitraum gewährt wird, der den Zeitpunkt des Betriebsübergangs umfasst: Hat der Arbeitnehmer im Frühjahr für die Zeit vom 1.-23.7. eines Jahres Urlaub beantragt und fällt der Betriebsübergang auf den 15.7., dann ist der Veräußerer Schuldner des Urlaubsanspruchs für den vollen Zeitraum. Für die Zeit vor dem Betriebsübergang folgt dies bereits daraus, dass nur der Veräußerer als Vertragspartner des Arbeitnehmers diesen wirksam von der Arbeitspflicht befreien kann. Für die Zeit nach erfolgtem Betriebsübergang gilt nichts anderes: Zum Zeitpunkt, als die Freistellung erfolgte, konnte der Erwerber noch keine Freistellung des Arbeitnehmers bewirken. Der Urlaubsanspruch zerfällt auch nicht wegen des Betriebsübergangs in 2 Teile: Das Arbeitsverhältnis wird vielmehr vom Erwerber mit allen Rechten und Pflichten übernommen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Er übernimmt deshalb auch die vom Veräußerer gewährte Freistellung von der Arbeitspflicht und ist an diese gebunden.[5]

 

Rz. 87

Wird die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach erfolgtem Betriebsübergang wegen Ablaufs des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums unmöglich, entstehen keine Ansprüche gegenüber dem Veräußerer[6]: Soweit auch der Erwerber den Untergang des Urlaubsanspruchs nicht verschuldet und seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht verletzt hat, folgt dies bereits daraus, dass die Haftung des Veräußerers nicht weitergeht als die des Erwerbers (§ 613a Abs. 2 BGB). Für den Fall, dass der Erwerber dem Arbeitnehmer Schadensersatz schuldet[7], entsteht an Stelle des alten Urlaubsanspruchs ein neuer Ersatzurlaubsanspruch, der sich wiederum – da er durch Freistellung von der Arbeitspflicht zu erfüllen ist – nur gegen den Erwerber richten kann. Endet das Arbeitsverhältnis später, kann der dann entstehende Geldanspruch schon deshalb nur gegen den Erwerber geltend gemacht werden, weil gem. § 613a Abs. 2 BGB der Veräußerer neben dem Erwerber nur für solche Verpflichtungen haftet, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden. Bereits an der ersten Voraussetzung mangelt es: Der Schadensersatzanspruch ist nicht vor dem Betriebsübergang entstanden, sondern erst danach.

 
Praxis-Tipp

Vereinbaren Veräußerer und Erwerber nichts Gegenteiliges, kann der Erwerber nach der Rechtsprechung der hierfür zuständigen ordentlichen Gerichte im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung (§§ 421 ff. BGB) einen finanziellen Ausgleich für die zum Zeitpunkt des Übergangs noch nicht erfüllten Ansprüche verlangen.[8]

[1] ErfK/Preis, 2...

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