Rz. 75

Da sich der Anspruch auf Urlaubsentgelt nicht vom Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung nach § 611 BGB unterscheidet, stehen der Aufrechnung mit und gegen einen Vergütungsanspruch, der für Zeiten entsteht, in denen sich der Arbeitnehmer in Urlaub befindet ("Urlaubsentgelt"), keine weiteren Bedenken entgegen als gegenüber dem Vergütungsanspruch für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer arbeitet. Insbesondere verlangt der unionsrechtliche Mindesturlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG keine weitergehenden Einschränkungen (vgl. im Einzelnen Rz. 20[1]). Hierfür spricht, dass der für die Dauer des Urlaubs zu erfüllende Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, das sog. Urlaubsentgelt, als wiederkehrendes Einkommen i. S. v. § 850 Abs. 1, Abs. 2 ZPO im Unterschied zum zusätzlichen Urlaubsgeld nach § 850a Nr. 2 ZPO keinen besonderen Pfändungsbeschränkungen unterliegt.[2] Es gelten insoweit gem. § 394 BGB nur die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO. Damit wird dem Arbeitnehmer während der Zeit der urlaubsbedingten Arbeitsbefreiung das gesetzlich als erforderlich angesehene Arbeitseinkommen gesichert. Das Gleiche gilt für den Urlaubsabgeltungsanspruch.[3]

 

Rz. 76

Auch wenn sowohl der Urlaubsabgeltungsanspruch als auch der Vergütungsanspruch für Zeiten der Urlaubsgewährung der Aufrechnung zugänglich sind, ist hinsichtlich der Aufrechnung gegen diese Ansprüche § 394 BGB zu beachten. Danach findet die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statt, soweit diese der Pfändung nicht unterworfen ist. Angesichts dessen, dass es sich beim Urlaubsentgelt i. d. R. um eine Bruttovergütung handelt, sind deshalb insbesondere die Einschränkungen des § 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu beachten:

Danach sind bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge und ferner Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners (= Arbeitnehmers) abzuführen sind, nicht mitzurechnen. Die Aufrechnung hat deshalb von der Nettovergütung auszugehen. Hiervon ist dann der pfändbare Betrag nach § 850c ZPO zu errechnen. Nur in dieser Höhe kann der Arbeitgeber der Vergütungsforderung des Arbeitnehmers eigene Forderungen entgegenhalten.

Umgekehrt ist zu beachten, dass Urlaubsentgelt und -abgeltung weitergehend pfändbar sein können als Vergütung, die für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird. So sind u. a. Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit jedenfalls im Rahmen des § 3b EStG steuerfrei, sofern sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Für Nachtzuschläge hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sie in diesem Umfang dann auch unpfändbar sind und hat zur Bestimmung des "üblichen Rahmens" auf § 3b EStG abgestellt.[4] Höhere Zuschläge sind daher pfändbar. Zudem setzt die Steuerfreiheit nach § 3b EStG voraus, dass die Zuschläge für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden. Wird wie im Urlaubsfall keine Arbeitsleistung erbracht, sind die Zuschläge steuerpflichtig und damit auch grundsätzlich pfändbar.[5]

 

Rz. 77

Hinsichtlich der Berechnung des zugriffsfreien, also nicht pfändbaren Vergütungsteils hat der Arbeitgeber zu beachten, dass die Urlaubsabgeltung nicht für den Monat erfolgt, in dem sie geleistet und abgerechnet wird (z. B. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers zum 28.2.2019 im Februar 2019). Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass für den Fall des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitsbefreiung ein Zeitraum nach Februar 2019 hätte festgesetzt werden müssen.

Mit den vom Arbeitgeber abgerechneten Leistungen im Monat Februar 2019 hat dagegen eine Kumulierung, d. h. ein Zusammentreffen von Arbeitseinkommen, stattgefunden, die für die Berechnung des zugriffsfreien Teils des Arbeitseinkommens (§§ 850c, d ZPO) zu berücksichtigen ist: Denn einerseits wurde die "normale" Vergütung für Februar 2005 abgerechnet, andererseits zusätzlich Urlaubsabgeltung. In vergleichbaren Fällen der Kumulierung von Lohn- und Gehaltszahlungen aus mehreren Monaten ist der für jeden einzelnen Monat jeweils pfändbare Betrag fiktiv festzustellen.[6] Denn § 850c ZPO bezweckt die Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum, für den das Arbeitseinkommen gezahlt wird.[7] Diese Vorgehensweise entspricht auch der Rechtsprechung zum Aufeinandertreffen von fälliger Lohnzahlung und Lohnvorauszahlung.[8] Dementsprechend ist für die Berechnung des zugriffsfreien Teils des Arbeitseinkommens (§§ 850c, d ZPO) die gezahlte Urlaubsabgeltung nicht dem Monat Februar, sondern dem Monat März 2019 zuzuschlagen.[9]

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind getrennt einerseits für den allein auf die Urlaubsabgeltung entfallenden Teil und andererseits auf den für die normale Vergütung für Februar 2019 entfallenden Teil der Lohnsumme zu errechnen. Von dem jeweils sich ergebenden Nettobetrag ist dann der pfändbare Betrag zu ermitteln. Es findet also nicht etwa nach ...

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