Rz. 64

Mit der Festsetzung der Arbeitsbefreiung zum Zweck des Erholungsurlaubs nimmt ein Arbeitgeber als Schuldner die ihm obliegende erforderliche Leistungshandlung vor.[1] Die Freistellung muss unwiderruflich sein[2], auch wenn es nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht hervorhebt. Ausreichend ist, dass er den Leistungszeitraum bestimmt, in dem der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt werden soll, und diesen dem Arbeitnehmer mitteilt. Innerhalb des Zeitraums müssen Beginn und Ende des Urlaubs nicht konkret bestimmt werden[3], es sei denn es liegen berechtigte Interessen des Arbeitnehmers vor[4].

 
Hinweis

Urlaubserteilung im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung oder eines Aufhebungsvertrags

Häufig werden nach Kündigungen Vereinbarungen über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Für den Lauf der Kündigungsfrist kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer "unter Anrechnung aller bestehenden Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlt freigestellt wird". Das genügt als Erklärung des Arbeitgebers, um den Urlaub wirksam festzusetzen. Der konkreten Festsetzung von Beginn und Ende des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums bedarf es nicht. Eine solche Vereinbarung kann aber Vorteile bieten. Eine Urlaubserteilung ohne Festlegung des Urlaubszeitraums ist nämlich dann problematisch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist außerordentlich kündigt oder der Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsverhältnis zeitweise anrechenbaren Verdienst erzielt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung oder Aufnahme der anderen Tätigkeit seinen Urlaub schon genommen hat.[5]

Aus Gründen der unionsrechtskonformen Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes ist neben der Freistellungsklärung auch die Zahlung der Vergütung vor Antritt des Urlaubs oder jedenfalls deren vorbehaltlos Zusage als notwendigen Bestandteil der wirksamen Urlaubsgewährung nötig.[6]

 

Rz. 65

Die Verpflichtung zur Urlaubserteilung erlischt grundsätzlich noch nicht mit der Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung. Vielmehr muss auch der Leistungserfolg eintreten.[7] Hat aber der Arbeitgeber den Erholungsurlaub zeitlich festgelegt, so besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur anderweitigen Neufestsetzung.[8] Wird die Freistellung nachträglich unmöglich, wird der Arbeitgeber von der Freistellungsverpflichtung frei. Der durch die Festlegung des Arbeitgebers konkretisierte Freistellungsanspruch geht in einem solchen Fall nach §§ 243 Abs. 2, 275 Abs. 1 BGB ersatzlos unter.[9] Die der Urlaubsgewährung nachfolgenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.[10] Der Arbeitgeber schuldet keinen "Urlaubserfolg". Krankenhausaufenthalte, chirurgische Operationen, der Tod eines nahen Angehörigen, Erfüllung gewerkschaftlicher Vertretungsfunktionen oder Mitwirkungshandlungen gegenüber der Agentur für Arbeit, die den Bezug von Arbeitslosengeld gewährleisten sollen, stehen der Erfüllung des Urlaubsanspruchs daher nicht entgegen.[11] Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien besondere urlaubsrechtliche Nichtanrechnungsregelungen, wie z. B. § 9 BUrlG für den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs, vorgesehen haben, sind die allgemeinen Gefahrtragungsregelungen des BGB nicht anzuwenden.[12]

 
Hinweis

Quarantäne und Urlaub

Nach § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der ab dem 17.9.2022 geltenden Fassung werden Tage der Absonderung nach § 30, auch i. V. m. § 32 IfSG oder nach einer aufgrund § 36 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnung ("Quarantäne") nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Damit hat sich für die Zukunft die Frage, wie sich die Anordnung der Quarantäne auf erteilten Urlaub auswirkt, erledigt. Für die Vergangenheit bleibt die Frage noch zu klären, sie ist weiterhin höchstrichterlich nicht entschieden. Streitig ist bereits, ob die Quarantäne allein – also ohne gleichzeitige Krankheitssymptome, die eine Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen – zur Arbeitsunfähigkeit führt, sodass § 9 BUrlG Anwendung fände. Vertreten wird, dass dies allenfalls dann der Fall sein könne, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice nicht möglich sei. Denn könne er zu Hause arbeiten, sei er gerade nicht arbeitsunfähig. Aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht zu Hause arbeiten könne, sei er allein wegen der Quarantäne-Anordnung nicht arbeitsunfähig, wenn Krankheitssymptome fehlten. Deshalb erlösche auch in diesem Fall der Urlaubsanspruch. Die mit der Quarantäne-Anordnung einhergehenden, urlaubsstörenden Einschränkungen stellten Umstände dar, die als persönliches Lebensschicksal den Arbeitnehmer träfen.[13]

Das LAG Hamm[14] hat dagegen entschieden, dass die Anordnung von Quarantäne eine der Arbeitsunfähigkeit ver...

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