Rz. 48

Wird der Arbeitgeber verurteilt, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen, bewirkt dies nicht, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erst weiterbeschäftigt und vergütet, nachdem er hierzu durch das Arbeitsgericht verurteilt wird und durch die Weiterbeschäftigung lediglich die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil abwendet, wird dadurch kein Arbeitsverhältnis begründet. Denn hierzu wurde der Arbeitgeber gerade nicht verurteilt. Vielmehr muss er den Arbeitnehmer nur tatsächlich beschäftigen.[1] Bei der dem Arbeitgeber aufgezwungenen Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits fehlt es am übereinstimmenden Willen der Parteien zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses.

 

Rz. 49

Dass der Arbeitnehmer aufgrund der Verurteilung des Arbeitgebers tatsächlich weiterbeschäftigt wurde, begründet auch kein faktisches Arbeitsverhältnis, wie es z. B. bei einem rechtsgeschäftlichen Einigungsmangel angenommen wird. Wegen seiner vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) wirkt das Urteil des Arbeitsgerichts nur auflösend bedingt bis zum Zeitpunkt seiner Aufhebung. Es gibt dem Arbeitnehmer während des Weiterbeschäftigungszeitraums zwar vollstreckungsrechtlich die Möglichkeit, den fehlenden Beschäftigungswillen des Arbeitgebers zu ersetzen. Dies begründet aber nicht die gleiche Rechtsfolge wie eine einvernehmliche Beschäftigung nach rechtsgeschäftlichem Einigungsmangel.[2]

 

Rz. 50

Erweist die Kündigung sich als wirksam, hat für die beiderseitigen Leistungen deshalb kein Rechtsgrund bestanden. Da nunmehr die Leistungen schon ausgetauscht sind – der Arbeitnehmer hat gearbeitet, der Arbeitgeber Vergütung gezahlt –, richtet sich die Abwicklung der gegenseitigen Leistungen nach Bereicherungsrecht, da eine vertragliche Grundlage gerade nicht zustande kam. Der Arbeitnehmer hat danach die rechtsgrundlos erhaltenen Leistungen nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative BGB).

Allerdings schuldet der bereicherte Arbeitnehmer nicht die Rückzahlung des Gesamtbetrags. Es ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber seinerseits für die erhaltene Arbeitsleistung Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB schuldet. Aus Rückforderung und Wertersatz ist ein Saldo zu bilden, der die Bereicherungsforderung ausmacht.[3]

Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen des nur tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses Urlaub gewährt und hierfür auch die Vergütung fortbezahlt, ist von Folgendem ausgegangen worden: Bereicherungsrechtlich steht der Leistung des Arbeitgebers – der Zahlung von Urlaubsentgelt – keine wertersetzende Tätigkeit gegenüber; eine Saldierung entfällt. Der Arbeitnehmer hat deshalb das erhaltene Urlaubsentgelt (inklusive eines möglichen zusätzlichen Urlaubsgeldes) zurückzuzahlen.[4]

Urlaubsabgeltung soll der Arbeitnehmer schon deshalb nicht verlangen können, weil der Arbeitgeber dadurch, dass der Arbeitnehmer während der Zeit der tatsächlichen Beschäftigung nicht freigestellt wurde, nichts erlangt hat, das im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Saldierung der Leistungen des Arbeitgebers einerseits und des Arbeitnehmers andererseits berücksichtigt werden könnte. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers besteht in der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung. Die Fortzahlung der Vergütung ist nur Folge hiervon.[5] Der Freistellungsanspruch erhöht den Wert der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers daher nicht, sodass der Arbeitgeber durch die Nichtgewährung des Urlaubs auch nichts erlangt hat, was er gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herausgeben müsste.

 
Hinweis

Die im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen stets mitzudenkende Richtlinie 2003/88/EG führt auch in diesem Zusammenhang dazu, diese Rechtsprechung einer kritischen Prüfung zu unterziehen: Anhaltspunkte für Kritik ergeben sich aus dem Arbeitnehmerbegriff sowie dem Verständnis des Arbeitsverhältnisses der Richtlinie.[6]

Nach Auffassung des EuGH kann der Arbeitnehmerbegriff für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG nicht nach Maßgabe der nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden, sondern hat eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung.[7] Als Arbeitnehmer ist nach diesem Verständnis jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach Auffassung des EuGH darin,

  • dass jemand während einer bestimmten Zeit
  • für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt,
  • für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Wird dieser autonome unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2003/88/EG zugrunde gelegt und wird zudem berücksichtigt, dass Urlaubsrecht unionsrechtlich Arbeitszeitrecht im weiteren Sinn zum Zweck des Gesundheitsschutzes ist[8], sodass d...

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